Julian Wright ist genau so, wie man sich einen typischen Briten vorstellt: Stets makellos gekleidet, immer höflich und ein Queens-Akzent wie aus dem BBC-Radio. Wright scheint stets gelassen zu bleiben und schafft es auch, in den unmöglichsten Situationen sein Lächeln zu bewahren. Es ist nicht ganz klar, ob dies der Brite in ihm ist oder seine neue Heimat – Thailand. Seit 26 Jahren lebt er im Norden des Landes, im schläfrigen Nong Khai am Fluss Mekong. Jetzt möchte er den Ort zum nächsten Mekka für digitale Nomaden machen.
Was hat Nong Khai, was andere Hotspots nicht haben?
Mit seinen freundlichen, herzlichen Menschen, den günstigen Lebenshaltungskosten und belastbarer Infrastruktur ist Thailand seit Jahren ein Hotspot für digitale Nomaden, Auswanderer und Onlineunternehmer. Doch während die meisten davon aktuell auf Inseln wie Koh Lanta oder im charmanten Chiang Mai ansässig sind, möchte Julian Wright einen neuen Ort auf die Nomadenlandkarte setzen: Nong Khai.
Im Kern könnte Nong Khai viele Reisende zum Verweilen einladen: Mit rund 46.000 Einwohnern ist der Ort wohl das, was man gemütlich nennt. Hetze, Eile, Verkehrschaos und Großstadtsmog gibt es hier nicht. Darüber hinaus ist die Lage direkt am Ufer des Mekong-Flusses sehr malerisch.
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Auf der anderen Seite des Flusses liegt Laos. Über die Freundschaftsbrücke kann man in knapp einer Stunde über die Grenze zur Hauptstadt Vientiane gelangen. „Nong Khai bietet das, was andere Hotspots in der Region nicht haben,“ erzählt mir Wright im Garten seines Hostels, dem Mut Mee Garden Guest House. „Nong Khai hat weder den Smog von Chiang Mai noch die Dauerhitze von Bali.“ Er bezieht sich damit auf die Monate von November bis Februar, in denen die Durchschnittstemperatur in Nong Khai auf für Thailand angenehme 24 Grad abkühlt.
Das kann ich nur teilweise bestätigen. Es ist Ende Oktober und die Temperaturen fühlen sich genau so saunahaft an wie in Bangkok. Was die Verschmutzung angeht, würde ich nicht unbedingt von sauberer Luft sprechen. Nong Khai hat sicherlich nicht das Verkehrsaufkommen von Städten wie Bangkok oder auch Chiang Mai. Dennoch würde keins der Autos oder Tuk Tuks hier wohl eine grüne Verkehrsplakette bekommen.
Dennoch hat Nong Khai durchaus Charme. Die Lage am Mekong-Ufer ist sehr einladend, es gibt leckeres und günstiges Essen und der Abendmarkt an Samstagen bietet von typischen Gerichten bis zu günstigen T-Shirts eine Menge Abwechslung.
Auch fand ich den nahegelegenen Phu-Phrabat-Geschichtspark mit seinen außergewöhnlichen Felsformationen extrem beeindruckend.
Lebendigkeit oder Ursprünglichkeit?
Ab diesem Punkt kommt es meiner Meinung nach darauf an, welche Art von Arbeitsatmoshpäre man bevorzugt. Wer ein buntes Treiben, eine internationale Gemeinschaft und ein großes kulturelles Angebot sucht, wird in Nong Khai nur sehr bedingt fündig. Wer eine authentische Erfahrung und einen ruhigen Ort zum konzentrierten Arbeiten mag, könnte es in Nong Khai sicherlich länger aushalten.
Letzteren Nomadentyp möchte Julian Wright nach Nong Khai – und in seinen Mut Mee Garden einladen. Einladend ist seine grüne Oase am Mekong durchaus. Ein perfekter Ort, um entspannt zu arbeiten und das lässige Treiben entlang der Uferpromenade zu genießen.
Gemeinsam mit seinem Sohn möchte er nun den ersten Coworking Space in der Stadt starten: „Ich gestehe, bisher gibt es bei uns noch gar keine Gemeinschaft von Expats oder digitalen Nomaden. Aber wir könnten eine werden – und genau daran arbeiten wir gerade.“
Faktor Internet: Schwierig
Ein wichtiger Faktor ist dabei natürlich der Zugang zum Internet. Das scheint sich im Mut Mee bisher – wie in vielen anderen Orten in Thailand auch – schwierig zu gestalten. Aktuell hat das Gasthaus mehrere Modems, strategisch platziert, sodass man eigentlich überall WLAN-Empfang hat. Die Geschwindigkeit reichte während meiner drei Tage dort von mäßig über in Ordnung bis sehr gut. Stabilität kann man also vom WLAN nicht unbedingt erwarten. Doch zum Glück bietet Thailand sehr günstige SIM-Karten mit guten Datentarifen. Diese scheinen mir zuverlässiger zu funktionieren als das WLAN vielerorts. So kann man sich also gut doppelt absichern und ist stets verbunden.
Nong Khai als Hotspot für digitale Nomaden anziehen?
Doch reicht das, um Nong Khai zum nächsten Hotspot für Ortsunabhängige zu verwandeln? Ich habe ein wenig meine Zweifel. Denn es fehlt noch ein wenig an allem, was die Expat-Gemeinschaft normalerweise schätzt. Gute Cafés, ein Angebot an internationalen Restaurants, kulturelle Highlights sowie natürlich Wohnungen oder langfristige Unterkünfte zu erschwinglichen Preisen. Wenn Julian Wright und seine Familie es schaffen, regelmäßig Nomaden in den Ort zu holen und sich tatsächlich eine solche Infrastruktur um sie herum entfalten kann – vielleicht. Ob das dann gut oder schlecht für den Ort ist und ob das die entspannte Atmosphäre nicht zerstört, sei erst einmal dahingestellt.
Wenn nicht, bleibt Nong Khai dann wohl auch weiterhin ein weißer Fleck auf der Landkarte der Webworker. Doch vielleicht ist das auch nicht so schlimm. Denn so können immerhin die wenigen Nomaden, die es aktuell in die Abgelegenheit von Nong Khai zieht, auch weiterhin ihre Ruhe am Rande des Mekongs genießen.