„Video killed the radio star“, da ist noch immer was dran. Doch Podcasts und andere Audio-Formate werden immer beliebter. In der Serie Hören/Sagen berichtet Sandro Schroeder über Neuigkeiten, Hör-Tipps und Macher aus der Audio-Welt.
Kurz zusammengefasst – Ausgabe 7
- News: Audibles Angebot nimmt weiter Form an
- Interview: Katrin Rönicke vom Lila-Podcast
- Hörtipps: Das nächste deutsche Serial, Millennial
Neuigkeiten
Audibles Angebot nimmt weiter Form an
Werden Podcasts zum Massenphänomen?, hat die deutschsprachige Wired gefragt und sich mit der Strategie der großen Plattformen Audible und Spotify beschäftigt. Im direkten Vergleich scheint die Amazon-Tochter aber immer deutlicher die Nase vorn zu haben: Nach dem Kauf der Web-Audio-Recht an der Bundesliga hatte Amazon damit begonnen, den Prime Music Dienst dafür auch mit deutschsprachigen Radio-Personalien auszustatten.
Amazon Prime tunes into Audible. Congrats to @ericnuzum and team on the announcement. https://t.co/IikNgS2nSY
— Andrew Ramsammy (@ramsammy) September 13, 2016
Jetzt kommt der nächste, wenn auch nicht völlig überraschende Schritt: In den USA können Amazon Prime Kunden nun auch die Amazon-eigene Podcast-Abteilung „Channels“ und eine Auswahl von 50 Hörbüchern von Audible direkt mitnutzen. Dafür war bisher eine Audible-Mitgliedschaft oder ein separates „Channels“-Abo nötig.
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In Deutschland soll Amazon Prime gut 17 Millionen Kunden haben. Darunter dürften wegen des Studierenden-Rabatts auch viele junge Nutzer sein, die wiederum als besonders Podcast-affin gelten. Mit Prime Music und den Bundesliga-Rechten scheint Amazon sich außerdem mit den Mainstream-Magneten auszustatten, die auch bisher weniger audiophile und podcastbegeisterte Nutzer anziehen könnten.
Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich die Tochterplattform Audible auch hierzulande für die Premium-Kunden des Lieferdienstes öffnet – und damit Audio-Inhalte im Netz ein Stück mehr zum Massenphänomen machen könnte.
Interview: Katrin Rönicke vom ‚Lila-Podcast‘
Podcasting ist das neue Bloggen – der Vergleich ist häufig zu hören. Es gibt tatsächlich Gemeinsamkeiten: Sowohl Blogs als auch Podcasts stehen in der Tradition des offenen Netzes, sind frei wie kostenlos zugänglich und haben oft den Anspruch, Stimmen und Themen außerhalb des Mainstreams hör- und sichtbar zu machen.
Katrin Rönicke kennt sowohl das Bloggen als auch das Podcasten sehr gut. Die Journalistin betreibt unter anderem den feministischen Lila-Podcast mit Barbara Streidl und Susanne Klinger, nachdem sie gemeinsam beim Blog Mädchenmannschaft aufgehört hatten. Und Katrin erkennt ein altes Problem der Blogger-Szene in der deutschen Podcast-Landschaft wieder: Frauen haben ein Sichtbarkeitsproblem. Noch.
Im Hören/Sagen-Interview spricht Katrin Rönicke über Frauen und Feminismus im Podcasting, das unterschiedliche Feedback bei Blogs und Podcasts und darüber, wie bei ihr freie Podcasts und die Arbeit für eine Plattform Hand in Hand gehen.
Gleich eine Grundsatzfrage zu Beginn: Glaubst du, es gibt genügend Frauen in der deutschen Podcast-Landschaft?
Nein. Oder ja. Ich glaube, das ist das gleiche Problem, das die Blogger-Szene vor zehn Jahre schon hatte: Es gab Frauen, die gebloggt haben. Nur waren die weniger sichtbar als die Männer. Wer in den großen Medien war, das waren meistens – so haben wir sie genannt – die Alpha-Blogger wie Sascha Lobo.
Und so ähnlich ist es in Deutschland auch mit den Podcasterinnen. Es gibt im Netz eine Liste von Nele Heise, auf der Podcasts mit und von Frauen gesammelt werden. Da stehen über 200 Frauen und Podcasts drin. Rein zahlenmäßig gibt es da also schon sehr viel. Aber wenn man guckt, was die meisten Leute hören, was auf iTunes erscheint – dann sind es doch eher die Podcasts der Männer. Ich glaube, es ist eher ein Sichtbarkeitsproblem.
Netzwerke sind für Podcasterinnen wichtiger als Quoten.
Was wäre denn der Weg, um das zu ändern? Müsste iTunes einfach männliche und weibliche Stimmen gleichermaßen empfehlen?
Das wäre ein Ansatz, so etwas Ähnliches wie eine Quote. Man kann das natürlich nicht fest vorschreiben. Aber es ist immer gut, wenn alle Beteiligten der Szene im Hinterkopf behalten, sei es bei iTunes oder die Podcaster selbst: Welche Podcasts empfehle ich? Über wen spreche ich? Wen lade ich ein? Welche tollen Frauen kenne ich, wen kann ich empfehlen?
Diese eigene Quote im Kopf, immer wieder darüber nachzudenken, hilft total viel. Aber viel wichtiger als Quoten ist es für Podcasterinnen, Netzwerke zu gründen und sich auszutauschen. Das hat auch der Blogger-Szene damals am meisten gebracht.
Um wieder einmal den Vergleich mit den USA aufzumachen: Serial hatte beispielsweise mit Reporterin Sarah Koenig eine weibliche Stimme und wurde auch überwiegend von Frauen produziert. In Deutschland denkt man beim Podcasting eher an Tim Pritlove. So eine “Alpha-Podcasterin”, die gibt es in Deutschland nicht, oder?
Nein, die gibt es noch nicht. Was aber auch daran liegt: Tim macht das seit 2004, das sind schon zwölf Jahre. Der Lila-Podcast ist jetzt drei Jahre alt geworden, der hat auch eine ordentliche Reichweite – aber das braucht eben Zeit. Das funktioniert nicht von heute auf morgen.
Aber das schöne ist auch, wenn ein Podcast wächst: Die Hörerinnen und Hörer kommen mir als sehr treue Menschen vor. Wenn man einmal eine Marke etabliert hat, kann man sich darauf verlassen, wenn man regelmäßig liefert. Das ist auch etwas, wovon Frauen profitieren können: Es ist nicht so ein irre schnelles Medium. Bei Podcasts kann man sich sowohl bei der Produktion sehr viel mehr Zeit nehmen als auch beim Hören. Das ist ein anderer – vielleicht nachhaltigerer – Medienkonsum als beispielsweise bei bento oder Buzzfeed.
Der Unterschied von Podcasts zum Bloggen ist enorm, gerade beim Thema Feminismus.
Den Lila-Podcast bestreitest du zusammen mit Barbara Streidl und Susanne Klingner. Was war dann eure Motivation, um den Podcast zu starten?
Wir kannten uns von der früheren Arbeit bei einem relativ bekannten feministischen Blog, der Mädchenmannschaft. Wir haben da drei Jahre lang im Grunde zusammen gebloggt und sind dort auch alle drei gleichzeitig rausgegangen. Was uns dann gefehlt hat, war ein eigener Kanal – um Gedanken zu formulieren, Debatten zu kommentieren und selber anzustoßen. 2012 war ich dann bei Tim Pritlove zum Thema Feminismus bei CRE eingeladen. Und das Feedback darauf, das war großartig.
Der Unterschied von Podcasts zum Bloggen ist enorm, gerade beim Thema Feminismus. Ich schreibe einen Blog-Text, die Leute lesen oft nur die Überschrift und lassen dann ihren Hass bei mir ab. Das war beim Podcast nicht so – das war anders, als ich es bisher kannte. Dann hat es noch gedauert, bis ich auf Barbara und Susanne zugegangen bin und gefragt habe: “Hey, wollen wir nicht einfach einen Podcast machen?”
Wir wollen, dass uns Jede und Jeder gerne hört und hören kann.
Wer ist der fiktive Hörer oder die fiktive Hörerin, die ihr bei einer Episode des Lila-Podcasts im Kopf habt? Sind das eher die Menschen, die sich schon viel mit Feminismus auseinandergesetzt haben?
Ich versuche, bei jeder Folge im Kopf zu haben: Es gibt Leute, bei denen ist die aktuelle Episode auch die erste Episode, die sie hören. Ich versuche deswegen, bestimmte Begriffe aus der feministischen Szene nochmal kurz zu erklären. Ansonsten haben wir auch schon bei der Mädchenmannschaft versucht so zu bloggen, dass wir gesagt haben: Uns interessiert eigentlich der Mainstream, so verpönt dieses Wort auch ist. Wir wollen, dass uns Jede und Jeder gerne hört und hören kann.
Du hast mit dem Lila-Podcast und dem Erscheinungsraum eigene Projekte, du produzierst einen Auftragspodcast für den Kurationsdienst piqd und bist bei der Plattform Audible wöchentlich mit Holger Klein zu hören. Da du dich in allen drei Welten bewegst: Wie siehst du denn die Entwicklungen und Diskussionen zwischen freien Podcasts, Auftragsproduktionen und Plattformen?
Ich weiß, dass da sehr oft Gräben gezogen werden sollen – verstehe aber das nicht immer. Als „Sanft und Sorgfältig“ vom Radio auf Spotify verschwunden ist, fand ich das auch traurig. Es ist schade, wenn etwas frei Zugängliches hinter einer Wand verschwindet. Aber als Journalistin muss ich auch sagen: Jeder muss von etwas leben.
Deswegen finde ich diese Debatte manchmal unfair. Ich halte es für legitim, wenn es einen Bereich gibt, der nur entsteht, weil Leute dafür Aufträge bekommen. Ich halte es sogar für relativ gut für die Podcast-Szene. Mit einer Plattform kann ich ein ganz anderes Hör-Publikum erreichen, das dann wieder auf meine anderen Projekte stößt, die wieder auf die gesamte Podcast-Szene verweisen. Das gehört für mich alles zusammen. Ich glaube, dass die Podcast-Szene am Ende davon profitieren wird.
Das komplette Audio-Interview mit Katrin Rönicke vom Lila-Podcast gibt es auf SoundCloud, bei iTunes, per RSS-Feed oder direkt hier. Darin spricht Katrin noch ausführlicher über Frauen in der deutschen Podcast-Landschaft, warum ihr das Medium so gut gefällt sowie über ihre doch sehr unterschiedlichen Podcast-Projekte und wie sich vereinen lassen.
Hörtipps
Der talentierte Mr. Vossen – Das nächste deutsche Serial?
From NDR Info, it’s another German Serial: Wer noch immer nach dem deutschen Serial sucht, der kann einen weiteren Kandidaten vorbeugend auf die Liste nehmen. Bisherige Bewerber aus der True-Crime-Ecke: Mehr als ein Mord, Täter unbekannt, Wer hat Burak erschossen. NDR Info reicht nun einen weiteren Anwärter nach: Die siebenteilige Podcast-Serie „Der talentierte Mr. Vossen„, die dann auch ganz binge-tauglich auf einen Schlag am 22. September veröffentlicht wird. „Eine investigative Recherche für Hörfunk und Online: seriell erzählt als Podcast, verdichtet in sieben Radiofolgen sowie kraftvoll und künstlerisch in Szene gesetzt als Feature“, verspricht der NDR Programmdirektor Joachim Knuth.
Millenial (Storytelling, englisch)
Für viele mittlerweile längst kein Geheimtipp mehr, hat der Podcast Millennial noch immer absolut jede Hörempfehlung verdient. Megan Tan erzählt in den meist zwanzigminütigen Episoden, wie sie mit dem Leben als Twentysomething, dem Erwachsenwerden und dem Berufsstart zurechtkommt. Der Podcast ist dabei nie belanglos, angenehm unaufgeregt, aber dennoch spannend produziert und geht mit dem Klischee der Generation Y selbstkritisch um. Millennial zeigt, das gutes Erzählen auch mit wenig Schnickschnack drumherum auskommen kann.
Die nächste Ausgabe von Hören/Sagen erscheint am 4. Oktober 2016. Mit Neuigkeiten rund um Podcasts und Audio im Web, Interviews und Hörtips. Folge uns auf Twitter, Facebook und abonniere unseren Newsletter, um die nächste Folge nicht zu verpassen! Ihr habt Feedback zu Hören/Sagen? Dann schreibt mir bei Twitter (@saschroeder), kommentiert den Artikel und hinterlasst bei iTunes eine Bewertung!
Ein letzter Hinweis in eigener Sache und für alle (US-)Podcast-Nerds: Ich hatte die Gelegenheit Nick Quah (Hot Pod Newsletter) über Skype zu interviewen: Das ganze Gespräch gibt’s hier.
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Schöner Beitrag, danke 🙂
Bin selber erst vor kurzem auf das Thema „Podcast“ gestoßen und bin immer froh neues zu finden was man sich Abends gemütlich anhören kann.
Werde auf jeden Fall mal bei den Lila Damen reinhören 😉
[…] machen“ soll die „deutsche Weiterentwicklung“ zum vielgelobten „Millennial Podcast“ […]