Was war ich im Urlaub so herrlich offline. Und hätte mir nicht vorstellen können, wie blöd ich Facebook finden kann. Es hat 14 Tage gedauert, bis ich wieder selbst Meinung gepostet habe – zunächst Rhein-Zeitungs Chefredakteur Christian Lindner gefragt, wieso er seinen Newsletter sang- und klanglos einstellt und dann die Geschichte von den E-Autos der Post, die deutsche Auto-Heroen sehr sehr alt aussehen lassen. Darauf kommentiert einer: „Die Frage ist, für welchen Einsatz die gebaut sind?“ Wenn die Post Post-Autos baut – wofür könnten die bloß verwendet werden? Der Frager leitet übrigens ein Existenzgründerzentrum in Ingolstadt. Da möchte man gleich wieder 14 Tage offline gehen.
Wie so ein paar Tage ohne Facebook, Twitter, XING, Snapchat und dem Rest vom Senf die Weltsicht verändern können. Der ganze digitale Mummenschanz, vom Selfie bis zum Poserpost, die Frage nach der Relevanz, dem Unterhaltungswert, gar dem Sinn, das Gezeter, die plumpen Meinungsmacher und die extraplumpen Meinungsmachermacher.
Vollgekritzelte Frauenkörper
Nun ist es ja keineswegs so, dass das echte Leben nur Augenweiden und reine Schönheit bereit hielte. Alleine am Strand der Adria die ungezählten Hausfrauen mit tätowierten Körpern sehen zu müssen, ist hart. Sahen irgendwie aus, als seien sie eingenickt und ihre Kleinkinder hätten sie vollgekritzelt. Oder als hätten sie sich im Vollsuff die wochenalte Papier-Schreibtischunterlage meines Vaters auf die Haut kopieren lassen. Fragt übrigens mal einen Radiologen, wie das riecht, wenn einer im MRT liegt, der seine Körperkunst mit eisenhaltiger Farbe aufgemalt bekam. In besinnunslosen Nächten Thailands soll das öfter vorkommen.
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Debattenkultur schmerzlich vermisst
Wozu, frage ich mich seither, ist dieses Facebook gut – zumindest gefühlte 95 Prozent dessen? Menschen zeigen sich im Urlaub, zeigen ihren Urlaub, zeigen sich ohne Urlaub. Sie diskutieren, ob zwei Blondinen Hand in Hand über eine Linie laufen sollen und ob Frauen ihr Gesicht verstecken sollen, können, dürfen oder müssen. Dann witzelt die Blase über Hamster und das ist wirklich nur zu kleinen Teilen komisch.
Gerade dieser Tage sprach ich mit einem ehemaligen Bundestagsabgeordneten, jung an Jahren, klar im Kopf: Was er am meisten in der Politik vermisse, sei die Fähigkeit, sich in der Sache zu streiten und hinterher gemeinsam ein Bier zu trinken. Ich sehe hier einen besorgniserregenden Zusammenhang, bei dem unsere Gesellschaft keine gute Note verdient.
Jeder hat seine 100 Prozent
„Jeder hat seine 100 Prozent!“, hat mal ein Kinderarzt gesagt, um das Prinzip ganz individueller Relationen zu erklären – die Erkenntnis hilft mir hier enorm weiter. Meine 100 Prozent haben sich nach wenigen Tagen offline verändert. Das macht mir ehrlich gesagt ziemliche Sorgen. Wenn wir große Teile unserer privaten wie beruflichen Zeit mit Aktivitäten verbringen, die eine nie erreichte Flüchtigkeit und Belanglosigkeit prägt, was bedeutet das für unsere Gesellschaft, ihre Fähigkeit, sich zu verbessern, Diskurse zu führen, Spannungen auszuhalten und miteinander um Besserung zu ringen?