Marinela Potor ist digitale Nomadin. Kein fester Wohnsitz, immer unterwegs, Leben auf Reisen. Für viele ein Traum, für andere ein Graus. Bei BASIC thinking und auf MeinLeben.digital berichtet Marinela wöchentlich von ihren Reisen, was es mit dem Leben aus dem Rucksack auf sich hat und warum es sich lohnen kann, auch mal über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.
Von Stolpersteinen und eigenen Wegen
Da mich vor einer Woche – zu Recht – ein Leser darauf hingewiesen hat, dass ich zwar viel aus dem Nähkästchen plaudere aber noch nie über meine (holprigen) Anfänge als digitale Nomadin geschrieben habe, möchte ich das hiermit ändern.
Nicht, dass meine Geschichten besonders spektakulär sind – ganz im Gegenteil. Sie zeigen eher wie unbeholfen ich in meinen ersten Jahren herumgestolpert bin. Ich hatte noch nie von Onlineunternehmern gehört, kannte das Wort „digitale Nomaden“ noch nicht mal, und hatte auch nie vor, selbst mal eine zu sein.
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Doch ich glaube, dass mein eigener Weg anderen zeigen kann, dass man auch fernab von Nomadenkonferenzen und Onlineseminaren zum digitalen Nomaden werden kann. Ich hoffe, dass ich dadurch dem einen oder anderen von euch Mut machen kann, euren ganz eigenen Weg zu gehen. Denn es gibt weder DEN digitalen Nomaden noch DEN bestimmten Pfad zu dieser Lebensform. Und wenn es selbst bei einem so verplanten Menschen wie mir geklappt hat, dann klappt das bei euch allemal!
Warum habe ich nie Urlaub?
Wir schreiben das Jahr 2010. Nach meinem Radiovolontariat in Wilhelmshaven hatte ich beschlossen meine Sachen für sechs Monate zu packen und nach Chile zu reisen. Damals hatte ich noch keine Ahnung, dass daraus sechs Jahre werden würden und dass mein analoges Leben sich so rasant verändern würde. In meinen ersten Monaten in Chile war davon auch noch nicht besonders viel zu spüren: Ich hatte mich fast sofort in Santiago, Chiles Hauptstadt, verliebt und hatte beschlossen, erstmal nicht zu reisen, sondern zu bleiben.
Durch Zufall hatte ich auf Couchsurfing eine Stellenanzeige für einen Sales & Marketing-Trainee in einer Sprachschule gesehen und mich beworben. Vier Tage nach meiner Ankunft fing ich direkt dort an. So hatte ich nach noch nicht mal einer Woche in Chile einen festen Job, der um 8 Uhr morgens anfing und um 17 Uhr aufhörte.
Hier musste ich dann auch zum ersten Mal erschreckt feststellen, dass nicht jedes Land so viele gesetzliche Feiertage und erst Recht nicht so viele Urlaubstage hat wie Deutschland. Genau genommen hatte ich ganze fünf Tage Urlaub. Fünf! Das war wahrscheinlich das erste Mal, dass mir durch den Kopf ging, dass ein Angstelltendasein in Chile nicht so das Wahre war.
Der zweite Knackpunkt war mein Gehalt: Ich verdiente damals den Mindestlohn, was gerade mal dazu reichte, meine (für Santiago) billige Miete zu zahlen und ansonsten lebte ich von dem Geld, das ich mir eigentlich dazu angespart hatte, um durch Chile zu reisen. Die ursprüngliche Vertragsvereinbarung war, dass ich aus der Provision als Verkäuferin von Sprachkursen ein gutes Gehalt herausziehen würde, doch ich merkte relativ schnell, dass ich noch nicht mal einem Eskimo einen Ofen verkaufen konnte. Langer Rede kurzer Sinn: Nach etwa sechs Monaten in Chile war ich bitterarm, war weder gereist noch hatte ich das Gefühl, dass ich mich beruflich weiter entwickelt hatte.
Ich muss was ändern … aber wie?
Meinen Arbeitsvertrag kündigen kam damals nicht in Frage: Ich hatte bereits Monate erfolglos nach einem neuen Job gesucht und ohne Arbeit wäre mein Visum abgelaufen. Zudem ging mein Vertrag auch über ein Jahr und ich bin nicht der Typ, der aufgibt, wenn es schwierig wird. Eine andere Lösung musste also her, und vor allem eine, die mir irgendwie Geld einbrachte.
Natürlich hatte ich einige Male probiert, als freie Journalistin Artikel und Radioreportagen nach Deutschland zu verkaufen, doch ich kam zu dem Zeitpunkt gerade frisch aus dem Volontariat, hatte 0,0 Erfahrung als Freelancerin und so gar keine Medienkontakte. In einer Zeit, in der zudem traditionelle Medien heftig einsparten, war für Reportagen aus Chile bei vielen einfach kein Budget da. Mir kam damals ehrlich gesagt überhaupt nicht der Gedanke, dass freie Journalisten ohne Erfahrung auch für jüngere, alternative Onlinemedien arbeiten könnten. Da seht ihr mal wie weit weg ich von meinem heutigen Dasein als digitale Freelancerin war!
Doch dann kam die Erleuchtung
Bis mir eines Sonntags beim Surfen im Netz die Erleuchtung kam: Moment Mal, das weltweite Netz bietet unendlich viele Möglichkeiten, warum also nicht auch für mich und meine Jobsuche? Ihr seht schon, ich gehöre definitiv nicht zu den Digital Natives und war damals auch nicht unbedingt technikaffin (ich habe mit 15 Jahren zum ersten Mal einen PC gesehen und mit 16 das erste Mal im Internet gesurft). Doch 2010, an diesem besagten Sonntag, kam es dann endlich auch bei mir an: In diesem WWW könnte auch irgendwo ein Job für dich herumschwirren.
Ich war so naiv, dass ich noch nicht mal wusste, dass es Jobportale für Freelancer oder Jobbörsen gab. Also gab ich ganz einfach bei Google „Arbeit Texte schreiben“ ein, da ich dachte, es müsse ja irgendwas außer Magazinen geben, wo ich mein Schreibtalent einbringen könnte. Und auf einmal eröffnete sich mir eine ganz neue Welt: Da erschienen plötzlich gefühlt TAUSENDE Ergebnisse: „Suche Texter“ oder „Erfahrene Texter gesucht“.
Mir war nicht zu 100 Prozent klar, was ein Texter war, klickte mich aber brav durch einige dieser Aufrufe durch. So landete ich bei einer Anzeige, die nach einem Schreiberling mit Erfahrung suchte. Kurzerhand bewarb ich mich und erhielt auch prompt eine Antwort: Ich sollte einen Text zu einem vorgefassten Thema schreiben. Kein Problem. Ich mailte den Text und hatte noch am gleichen Abend meinen allerersten Onlinejob – als Texterin.
Eine aufregende neue Welt
Das war natürlich alles andere als glorreich. Meine Aufträge lauteten „Schreibe 20 Texte über Rattanmöbel“ oder „Wir brauchen zehn Keyword-optimierte Texte über Stiefel.“ Ich glaube, als Journalist kann man – was die Schreibqualität angeht – nicht tiefer sinken. Doch in dem Moment war mir das relativ egal, da ich zwei Dinge merkte: Ich konnte sehr schnell schreiben und mir so mit insgesamt drei Auftraggebern mein Gehalt selbst bei einem Mickriglohn so aufbessern, dass ich nicht mehr meine Rücklagen anzapfen musste. Auch wenn diese Texter-Jobs nicht erfüllend waren, sie haben mich finanziell über Wasser gehalten und – was viel wichtiger ist – mir eine völlig neue Welt eröffnet. Die Welt des digitalen, freiberuflichen Arbeitens.
Ich bin froh, dass ich mir nicht zu schade war, diese Jobs anzunehmen, denn ohne sie wäre ich garantiert nicht wo ich heute bin. Ich habe mit diesen ersten Stellen gelernt, wie ich einen Freelancer-Vertrag aufsetze, wie ich Rechnungen schreibe, wie ich meinen Lohn verhandeln kann und vor allem auch, dass das Internet für mich – egal wie pleite ich sein mag – immer neue Einnahmemöglichkeiten bietet.
Nein, das ist sicher nicht der goldene Weg über das Onlinebusiness zum gemütlichen digitalen Nomadentum, den viele ja aktuell predigen. Für mich war es aber genau das Richtige. Ich konnte mich an das Arbeiten im Internet herantasten, Fehler machen und daraus lernen – ohne finanzielles Risiko.
So habe ich zum Beispiel die Grundlagen des SEO erlernt. Ich habe gemerkt, dass Texterbörsen oft mit einem hohen Gehalt locken, dies aber an so steile Hindernisse geknüpft ist, dass es fast unmöglich ist, mit dieser Art von Texter-Jobs gutes Geld zu verdienen. Darüber hinaus habe ich ein Talent in mir entdeckt, das mir so gar nicht bewusst war: Ich kann schreiben und schreiben und schreiben – und das fix. So konnte ich also ein Skillset entwickeln, welches mir auch jetzt noch sehr zugute kommt. Und schließlich haben mich genau diese Texterjobs zu meiner nächsten Etappe als digitale Nomadin geführt: dem Onlinemarketing. Doch davon mehr beim nächsten Throwback Thrusday.