Unerlaubte Werbung war schon öfter Thema der Kolumne. Heute betrachten wir eine Entscheidung des BGH (Urteil vom 21.04.2016 – I ZR 276/14), in dem es um die Frage ging, welche Folgen es hat, wenn ich im Rahmen einer rechtswidrigen Werbemaßnahme einen Vertrag abschließe.
Die Gerichte hatten sich schon des Öfteren mit der Frage zu befassen, ob ein rechtswidriger Werbeanruf oder eine rechtswidrige E-Mail-Werbung auch Auswirkungen auf einen dann abgeschlossenen Vertrag hat. Immerhin war der initiale Kontakt rechtswidrig, sodass es durchaus vorstellbar ist, dass ein solcher rechtswidriger Werbekontakt auch zur einer Nichtigkeit eines dann abgeschlossenen Vertrages führt. Der BGH hat in seinem aktuellen Urteil die Grundsätze zu dieser Thematik noch einmal zusammengefasst.
Der Sachverhalt, über den der BGH zu entscheiden hatte, betraf ein Unternehmen, welches ein Ladengeschäft mit angeschlossenem Restaurant betrieb. Das Unternehmen hatte auch eine Website auf der telefonische und postalische Kontaktdaten aufgeführt waren. Das Ladengeschäft erhielt einen Anruf von einem Unternehmen, das einen Eintrag in ein elektronisches Branchenverzeichnis anbot. Zuvor bestand kein Kontakt zwischen den Parteien. Das Ladengeschäft hatte auch nicht den Erhalt von Werbung via Telefon oder E-Mail zuvor eingewilligt. Die spätere Klägerin bot dem beklagten Lebensmittelgeschäft und Restaurant einen Eintrag in ihrem Branchenverzeichnis für 36 Monate zu einem Gesamtpreis von 728,28 Euro brutto an.
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Das Lebensmittelgeschäft und Restaurant (die spätere Beklagte) bekundete in diesem Telefonat ihr grundsätzliches Interesse an einem solchen Eintrag und vereinbarte, dass ein weiteres Telefonat stattfinden soll. In dem weitern Telefonat wurde mit Zustimmung der Beklagten das Gespräch aufgezeichnet und alle Vertragsdetails besprochen, woraufhin die Beklagte ihre Zustimmung zum Brancheneintrag erteilte. In der Folge erhielt die Beklagte eine Rechnung über 728,28 Euro, die sie jedoch nicht bezahlte. Als Folge erhob das Branchenverzeichnis Klage gegenüber dem Ladengeschäft und Restaurant und verlangte Zahlung für den Brancheneintrag.
Die Beklagte stützte sich nun darauf, dass der Vertrag auf Basis eines rechtswidrigen Werbeanrufs abgeschlossen worden sei, ihr soweit ein Schadensersatzanspruch zustehe und somit bezüglich der geltend gemachten 728,28 Euro die Aufrechnung erklärt werden könnte. Im Ergebnis sollte also aus der Rechtswidrigkeit des Werbeanrufs ein Schadensersatzanspruch folgen, der dazu führt, dass die Hauptforderung der Gegenseite nicht mehr zu bezahlen ist.
Schadensersatz nach rechtswidrigem Werbeanruf?
Das Amtsgericht hatte der Klage zu einem großen Teil stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Klägerin greift das Berufungsurteil mit der Revision an und verlangt die Widerherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Zunächst ist noch einmal festzustellen, dass unabhängig davon ob eine Werbung per E-Mail einen Verbraucher oder ein Unternehmen erreicht, immer die vorherige Zustimmung (Einwilligung) notwendig ist. Ansonsten handelt es sich um eine rechtswidrige E-Mail-Werbung. Bei Telefonanrufen ist die Sachlage ähnlich, wobei bei Unternehmen hier die mutmaßliche Einwilligung ausreichend ist. Allerdings sind auch an eine mutmaßlichen Einwilligung hohe Anforderungen geknüpft, sodass auch hier der Ausnahmetatbestand selten gegeben ist.
Bezogen auf den konkreten Fall war daher jedenfalls der erste Werbeanruf definitiv rechtswidrig, da keine Einwilligung erteilt worden war und auch eine mutmaßliche Einwilligung nicht vorlag. Der BGH führte aber sodann aus, dass der zweite Anruf nicht mehr rechtswidrig war, weil insoweit in dem ersten Telefonat eindeutig vereinbart worden war, dass ein zweiter Anruf erfolgen soll.
Die Streitfrage, die nun zu klären war betraf die Frage, ob der erste – definitiv rechtswidrige – Werbeanruf dazu führt, dass der Beklagten ein Schadensersatzanspruch zusteht. Inhalt dieses Schadensersatzanspruches wäre alles das, was der Beklagten an Schaden durch den rechtswidrigen Werbeanruf entstanden ist. In diesem Fall die kompletten 728,28 Euro für den abgeschlossenen Vertrag. Wenn man diesen Schadensersatzanspruch bejahen würde, so könnte die Beklagte die Aufrechnung erklären und damit müsste sie eben diese Kosten nicht bezahlen.
Amtsgericht sagt nein, Landgericht sagt ja
Das Berufungsgericht hatte in seinem Urteil angenommen, dass der Beklagten sehr wohl ein ersatzfähiger Schaden entstanden sei und dieser liege in der Belastung der Beklagten durch den Vergütungsanspruch, den die Klägerin gegen die Beklagte durch einen rechtswidrigen Werbeanruf erlangt habe. Es sei hierbei nicht von Bedeutung, dass der Vertrag erst im zweiten Anruf, der definitiv mit Einwilligung erfolgt sei abgeschlossen wurde. Der Vertragsschluss beruhe nämlich auf einer gezielt geschaffen und rechtswidrigen Überrumpelungssituation durch den ersten Anruf. Hiergegen wollte der Gesetzgeber den Adressaten einer solchen Werbemaßnahme schützen und folglich bestünde der Schadensersatzanspruch. Diese klare Aussage hat der BGH nun verneint. Der BGH kommt grundsätzlich zu einem anderen Ergebnis, musste aber den Fall zur endgültigen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen, da noch weitere Details des Falls offen waren.
Der BGH führt aber im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch, den die Beklagte eingewandt hat aus, dass ein solcher nicht vorliegen würde. Der BGH stellt fest, dass die Überrumpelungssituation im Hinblick auf den ersten Werbeanruf und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit nicht zum Bereich der Gefahren gehört, die § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG (rechtswidriger Werbeanruf) verhindern will. Es sei nicht ersichtlich, dass der Vertragsschluss zwischen den Parteien als eine Folge der Störung der Betriebsabläufe der Beklagten durch den ersten Telefonanruf anzusehen ist. Der BGH sieht im vorliegenden Fall keine Schäden, die der Beklagten in Folge eines belästigen Eindringens in ihre geschäftliche Sphäre durch den Einsatz von Ressourcen entstanden sind und der Klageforderung entgegen gehalten werden können. Auch ein Eingriff in die Entscheidungsfreiheit würde nicht vorliegen.
Der BGH sieht zwar in dem ersten Anruf auch einen rechtswidrigen Werbeanruf und damit eine nach dem Gesetz vorliegende Belästigung des Unternehmens aber die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit sei nicht beeinträchtigt gewesen. Die Beklagte hat nämlich im ersten Telefonat sodann einem zweiten Telefonat zugestimmt, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wurde. Das Berufungsgericht hatte auch die Aufnahme des Telefonats angehört und dort konnte festgestellt werden, dass die Beklagte sehr genau gewusst habe worum es geht und auch auf die vielen Nachfragen der Klägerin immer wieder konkret geantwortet hatte. Eine Situation, in der man annehmen könnte, dass die Beklagte hier völlig überrumpelt wurde oder eingeschüchtert wurde lag nicht vor.
BGH: rechtswidriger Anruf berechtigt grundsätzlich nicht zum Schadensersatz
Demnach kommt der BGH zumindest für die Frage des Schadensersatzanspruches wegen eines ersten rechtswidrigen Werbeanrufes zu dem Ergebnis, dass ein solcher nicht vorliegt.
Das Urteil lässt sich auch auf den privaten Bereich übertragen. Wenn ich als Verbraucher Anrufe z. B. von einem Telekommunikationsunternehmen erhalte, die mir einen neuen Tarif anbieten oder eine Vertragsverlängerung bzw. wenn generell ein Vertrag abgeschlossen wird, so ist ein solcher Vertrag grundsätzlich rechtswirksam auch wenn ein rechtswidriger Werbeanruf oder eine rechtswidrige Werbeemail dem vorausging. Der Gesetzgeber schützt mich vor rechtswidrigen Werbeemails und rechtswidrigen Werbeanrufen der Gestalt, dass mir ein Unterlassungsanspruch zusteht und ein Schadensersatzanspruch für die Schäden, die mir direkt durch den rechtswidrigen Werbeanruf oder die rechtswidrige Werbeemail entstanden sind. Folgeschäden wie ein Vertragsabschluss sind regelmäßig von dem Schadensersatzanspruch nicht umfasst.
Wenn mich also der Vertragsabschluss reut, so bin ich zunächst an den Vertrag gebunden wobei Verbrauchern teilweise ein Widerrufsrecht zusteht, sodass hier binnen der gesetzlichen Fristen ein Widerruf zu erklären wäre. Etwas anders ist die Situation, wenn ich am Telefon unter Druck gesetzt werde und wenn der Vertragsabschluss auch gleich in dem ersten Telefonat erfolgt. Wesentliches Kriterium ist aber, dass vom anrufenden Unternehmen eine Drucksituation aufgebaut wird bei der ich bedingt durch diesen Druck einen entsprechenden Vertrag abschließe. Eine solche Drucksituation wäre aber auch entsprechend nachzuweisen, was nur dann möglich ist, wenn das Gespräch aufgezeichnet worden ist. Andernfalls wird es schwierig einen entsprechenden Nachweis zu führen.
Ausführungen des BGH gelten sowohl für Unternehmer als auch für Verbraucher
So ärgerlich ungebetene Werbeanrufe oder Werbeemails auch sind. Selbst wenn eine rechtswidrige Werbemaßnahme vorliegt kann ich nicht automatisch einen daraufhin abgeschlossenen Vertrag ignorieren sondern bin grundsätzlich verpflichtet, meine vertraglichen Pflichten einzuhalten. Etwas anderes kann gelten, wenn ein Vertragsabschluss durch massiven Druck oder Drohungen herbeigeführt worden ist. Wenn ich einen Vertrag abgeschlossen habe, ohne Druck oder Drohung sollte ich dennoch schleunigst prüfen, ob mir entsprechende Bestätigungen und Details des Vertrages per E-Mail zugesandt wurden und ich sollte prüfen ob mir ein Widerrufsrecht zusteht und bei vorliegender Voraussetzung umgehend einen Widerruf erklären.