Marinela Potor ist digitale Nomadin. Kein fester Wohnsitz, immer unterwegs, Leben auf Reisen. Für viele ein Traum, für andere ein Graus. Bei BASIC thinking und auf MeinLeben.digital berichtet Marinela wöchentlich von ihren Reisen, was es mit dem Leben aus dem Rucksack auf sich hat und warum es sich lohnen kann, auch mal über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.
Ich bin kein Herdentier. Noch nie gewesen. Ich hasse Massenveranstaltungen und bei Konzerten stehe ich immer in dritter Reihe – schön weit weg vom Moshpit. Doch seitdem ich angefangen habe, über meinen Lebensstil als Reisende mit Onlinejobs zu schreiben, habe ich mich recht plötzlich und ungewollt in einer gefühlt riesigen Gemeinschaft wiedergefunden. Digitale Nomaden. So nennen sie sich – und ich mich ja seit Neuestem offensichtlich auch.
Was für mich eigentlich nur ein griffiger Ausdruck ist, um eine Lebensweise auf den Punkt zu bringen, scheint aber für viele Menschen sehr, sehr viel mehr zu sein. Je mehr ich mich in der Szene umschaue, umso klarer wird mir: Dieser so individualistisch wirkende Lebensentwurf wird hip. Immer mehr Menschen fühlen sich von diesem Lebensstil angezogen und wollen auch „digitale Nomaden” werden (was auch immer das für sie heißen mag).
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Immer mehr Ortsunabhängige fragen sich daher: Erzeugen wir hier eigentlich eine riesige Bubble? Wann platzt sie? Und ist das überhaupt schlimm?
Leben digitale Nomaden in der Blase?
Wer, wie ich, häufig auf den zahlreichen Facebook-Gruppen für digitale Nomaden unterwegs ist, wird sicher diesen Eindruck haben. Da gibt es die erfahrenen und „betagteren“ Nomaden sowie die junge Riege der Möchtegern-Nomaden. Sie alle tauschen sich ganz begeistert über die besten „Locations“ in Südostasien aus, diskutieren über Coworking Spaces und erfolgreiche Online-Businessmodelle oder planen gerade ihre nächste Workation. Das mag ja noch in die Kategorie „Austausch von Gleichgesinnten“ fallen, aber damit hört es ja nicht auf. Die digitale Nomadenkonferenz hat riesigen Zulauf und wird jetzt schon mehrmals im Jahr in mehreren Sprachen veranstaltet. Blogcamps ziehen Massen von Teilnehmern an und können anscheinend so ziemlich jeden Preis verlangen.
Klar ist: Die digitalen Nomaden sind längst nicht mehr eine kleine Gruppe, die keiner so richtig versteht oder beachtet, digitale Nomaden sind ein Trend. Bereits im Dezember 2015 schrieb DNX-Mitgründer Marcus Meurer über die wachsende Beliebtheit des Begriffs.
Was passiert also, wenn eine ehemals kleine, eingeschworene Gemeinschaft plötzlich durch die Decke geht? Genau! Es entsteht eine große rosafarbene Bubble.
Schöne neue Welt oder Realitätsverlust?
Aktuell führt das zu hauptsächlich zwei Resultaten: Viele Digitale Nomaden bleiben in einem selbstreferentiellem System stecken und der Trendbegriff digitale Nomaden wird an allen Ecken voll ausgeschlachtet.
Die rosa Blase umfasst erstmal die Gemeinschaft der Ortsunabhängigen selbst. Bei vielen gibt es nur noch direkten Austausch mit ihresgleichen. Sie reden nur noch mit digitalen Nomaden, über Themen, die nur digitale Nomaden interessieren. Sie reisen mit anderen digitalen Nomaden und arbeiten auch ständig mit anderen digitalen Nomaden. Das ist immer dann problematisch, wenn man den Blick für alles andere verliert. Wenn plötzlich auf Reisen kein Kontakt mehr zu Einheimischen besteht, wenn sich alles nur noch um das Leben und Arbeiten im Netz dreht. Wenn man glaubt, man habe den Stein der Weisen gefunden und müsse Nicht-Nomaden ihre Lebensweise vorwerfen. Das sind sicherlich Extrem-Beispiele, doch diese Entwicklung zeichnet sich ab.
Innerhalb dieses selbstbezogenen Systems passiert dann noch Folgendes: Ich verkaufe dir etwas, damit du das machst, was ich mache, damit du das verkaufst was ich verkaufe, damit andere Leute das kaufen, damit diese das verkaufen, was du verkaufst … und so weiter und so fort. Die Webworker erzeugen Begehrlichkeiten für andere Webworker, die wiederum ihr Geld damit verdienen, bei anderen die gleichen Begehrlichkeiten zu wecken. Sebastian Kühn hat genau diesen Vorwurf bei sich im Blog vor einigen Monaten thematisiert.
Verkauft ihr nicht hauptsächlich “Produkte” die einem zeigen wie man ähnliche “Produkte” wie ihr verkaufen kann, nämlich “Produkte” die einem zeigen wie…. ad infinitum… Kurz: viele verkaufen doch mehr oder weniger eine Art Kurs, Seminar, E-Book, etc. die einem zeigen wie man genau das selbe machen kann… aber muss nicht irgendjemand auch etwas erschaffen? Sei es der Kaffee den ich gerne auf Sri-Lanka schlürfe, oder ein digitaler Programmcode, den ich beim Mailen nutze, oder… Wo liegt da die “reale” Wertschöpfung, wie sie z.B. auch ein Töpfer im Prozess des Töpferns hat?
Genau dieser Prozess führt dann zur zweiten Entwicklung, die ich angesprochen habe: Das Ausschlachten eines Konzepts. Ich habe mich ja bereits schon darüber aufgeregt, wie naive oder einfach nur hoffnungsvolle Menschen darauf hereinfallen, dass ihnen das hohe Lied vom ach-so-perfekten digitalen Nomadenleben gesungen wird – und sie dafür dann auch gleich kräftig zur Kasse gebeten werden.
Bei all diesen Entwicklungen stellt sich natürlich die Frage: Wann ist dieser Traum ausgeträumt?
Wann platzt die Blase?
Die Kritik am digitalen Nomadenleben wird stärker, in dem Maße wie auch diese Lebensweise stärker in den Mainstream rückt. Wie alles, was irgendwann mal populär wird, hat unser Lebensstil viele Freunde und ebenfalls viele Neider. Im Scheinwerferlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit sind natürlich alle Aufgen auf einen selbst gerichtet und auch sind dort die Nachteile und Probleme besser sichtbar.
Doch ist das schlimm? Ich finde nicht! Mark Twain hat einmal gesagt:
Whenever you find yourself on the side of the majority, it is time to pause and reflect.
Ich glaube, genau das ist es, was den digitalen Nomaden in naher Zukunft bevorsteht (und bei vielen auch schon eingesetzt hat). Denn wer sich nur permanent selbst feiert, aber nie kritsch hinterfragt, tut sich damit langfristig keinen Gefallen. Noch wächst die Blase, noch sind digitale Nomaden „total trendy“, doch es wird der Punkt kommen, an dem dieser Hype aufhört.
Und das ist gar nicht schlimm! Denn dieser Punkt ist wahrscheinlich der Moment, in dem der Lebensstil als etwas so Alltägliches angesehen wird, dass sich alle Rattenfänger und Trendjäger und Modern-Sein-Woller dann wahrscheinlich schon dem neuesten In-Produkt zugewandt haben. Übrig bleiben dann diejenigen, die nicht digitale Nomaden geworden sind, weil es cool schien, sondern weil dieses Modell zu ihnen passte und es sie überzeugt hat.
Übrig bleiben diejenigen, die einfach nur ihr Leben gelebt haben und von anderen digitale Nomaden genannt wurden. Übrig bleiben dann diejenigen, die ein seriöses, langfristig angesetztes Geschäftsmodell aufgebaut haben.
Unser Lebensstil wird dann nicht mehr im Feuilleton als merkwürdiges Gewächs beschrieben, sondern wahrscheinlich im Wirtschaftsteil mit Anlegetipps für Ortsungebundene. Das typische Gespräch wird dann so lauten: „Was machst du beruflich?“ – „Ich bin digitaler Nomade, und du?“ „Ich bin Schreiner. Wollen wir noch ins Kino?“
Das ist der Moment, an dem wir wissen, dass digitale Nomaden im Alltag angekommen sind – und darauf freue ich mich jetzt schon!