Trotz der Niederlage gegen Frankreich: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft steht nun seit 2006 jedes Mal mindestens im Halbfinale eines großen Turniers. Und auch wenn es kurz nach so einem Ereignis ein schwacher Trost aus deutscher Sicht ist: das große Ganze stimmt seit einem Jahrzehnt. Dies liegt vor allem an der kontinuierlichen Professionalisierung in verschiedenen Bereichen.
Ein aus deutscher Sicht, trotz zweier gegnerischer Handelfmeter bei diesem Turnier, meist positives Beispiel: Elfmeterschießen. Die Elfmeter waren nicht nur bei dieser Euro 2016 ein großes Thema. Denn wir erinnern uns zurück: bei der WM 2006 in Deutschland brachte DFB-Torhüter Jens Lehmann vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien ein zerknülltes Stück Papier mit auf den Platz. Darauf abgebildet: eine Übersicht aller argentinischen Elfmeterschützen und ihren jeweiligen Schussgewohnheiten. Deutschland gewann das Elfmeterschießen mit 4:2.
Zehn Jahre später: Deutschland trifft im Viertelfinale der Euro 2016 auf Italien und bezwingt den Gegner in einem knappen 6:5, inklusive diverser Fehlschüsse. Mittlerweile steht nicht mehr Jens Lehmann, sondern Manuel Neuer im Tor. Und abseits des, durchaus erfolgreichen, Papierzettels, haben er und seine Mannschaftskameraden zahlreiche neue und umfangreichere Mittel zur Analyse der Stärken und Schwächen ihrer Gegner.
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Mit Software von SAP zum Erfolg
Der Deutsche Fußball Bund (DFB) arbeitet mit dem Software-Anbieter SAP zusammen und hat u.a. zwei neue Technologien heraus gebracht, die mindestens im Ansatz das Potenzial von Big-Data-Analysen zeigen, um Stärken und Schwächen gegnerischer Teams vor Spielen und Wettbewerben heraus zu filtern.
Die erste Applikation, SAP “Challenger Insights”, bietet Informationen zu den Charakteristika des Gegners, ihrer Fähigkeiten in der Offensive und Defensive sowie ihrer Formation. Die zweite Funktion namens “Penalty Insights” ist dazu gedacht, Torhütern zu helfen und Trainern Beispiele aufzuzeigen, wie die Gegner bei Elfmetern auftreten. Auf beide Applikationen konnten Spieler und Trainer in der Umkleidekabine mit iPad Pros zugreifen.
Taktik-Analyse in Echtzeit
Stefan Wagner, Global General Manager Sports & Entertainment, im Interview mit CNBC:
Sie können in Echtzeit sehen, wie die Aufstellung des Gegners aussehen wird und helfen den Spielern, sich wirklich zu fokussieren.
Wenn zum Beispiel Thomas Müller sich den nächsten Gegner in der “Challenger Insights”-Applikation anschauen möchte, findet er die persönlichen Daten eines Spielers, seine Stärken, Schwächen und bis zu sechs Video-Clips, die seine Fähigkeiten auf dem Platz demonstrieren.
Aufstellung in letzter Sekunde geändert
Um einen taktischen Vorteil zu ermöglichen, haben in der Vergangenheit viele Teams darauf gesetzt, ihre Aufstellung in letzter Sekunde zu ändern, um den Gegner vermeintlich auf dem falschen Fuß zu erwischen. “Normalerweise bereiten alle Teams Handouts mit der Aufstellung und Taktik des Gegners vor – und wenn der Gegner diese wechselt, ist das Handout nutzlos”, sagt Wagner. Für die “Challenger Insights”-Applikation hat SAP zusammen mit der Deutschen Sporthochschule in Köln zusammen gearbeitet, um Daten zu allen gegnerischen Spielern und Teams der Euro 2016 zu sammeln und zu analysieren. Sobald auf der Gegenseite etwas geändert wird, kann der Trainer die Veränderungen direkt in der App per Drag-and-Drop nachziehen.
Als es darum ging, die “Penalty Insights”-Funktion zu entwickeln, hatte das deutsche Team eine Kernanforderung: Die Applikation müsste so simpel sein, dass die Spieler selbst in der Lage wären, die Daten ohne weitere Hilfe zu analysieren. Zum Beispiel könnte Manuel Neuer potenzielle Gegner finden, die Elfmeter-affin sind, die gut unter Druck schießen können, ob sie den Ball eher in die rechte obere oder die linkere untere schießen möchten, ihre Anlaufgeschwindigkeit und andere Szenarien.
Die Millenials als Wegbereiter neuer Technologien
“Die neue Generation von Sportlern ist komplett auf Daten fokussiert und will entsprechende Reports sehen. Sie sind neuen Technologien gegenüber offen”, sagt Wagner. Der Großteil der deutschen Nationalspieler besteht aus Millenials, die mit modernen Technologien aufgewachsen sind. Der DFB arbeitet schon seit Jahrzehnten mit SAP zusammen, allerdings vornehmlich beim Thema Backend-Lösungen. Nach der WM hat SAP diese in eine kommerzielle Lösung namens “SAP Sports One” umgewandelt, die sie primär an Profifußballklubs verkaufen.
Vielen Technologien für Datenanalysen halten tendenziell viele Optionen bereit, um den Nutzern als Output konkrete Handlungsempfehlungen zu bieten. Laut Wagner könnte die Technologie zur Entwicklung der DFB-Apps sogar dafür genutzt werden, um Trainer-Entscheidungen zu Taktik und Strategie anzubieten. Aber keine der beiden Parteien war daran interessiert. “Unsere gemeinsame Philosophie mit der Fußball-Nationalmannschaft: sie haben den Trainer, sie haben ein Trainerteam, sie treffen die Entscheidungen. Wir unterstützen ihre Entscheidungen lediglich mit Fakten.”