In der heutigen Kolumne beschäftigen wir uns mit der Frage, was rechtlich eigentlich passiert, wenn ich jemanden beleidige. Aufhänger ist dabei ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.05.2016 (Az. VI ZR 496/15). In dem Verfahren hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu befassen, ob Beleidigungen per SMS zu einem Schmerzensgeldanspruch führen. Im konkreten Fall hat der Bundesgerichtshof dies verneint.
Der Streit war zwischen einem Vermieter und einem Mieter entstanden. Im Sommer 2012 erhielt der Mieter von seinem Vermieter mehrere Kurznachrichten in denen er beleidigt wurde. Es fielen u.a. Beleidigungen wie: „Lusche aller ersten Grades“, „arrogante rotzige große asoziale Fresse“, „Schweinebacke“, „feiges Schwein“, „feige Sau“, „feiger Pisser“ „asozialer Abschaum“, und „kleiner Bastard“. Der Mieter wollte diese Beleidigungen nicht hinnehmen und erwirkte letztlich gegen den Vermieter eine einstweilige Verfügung.
Der Vermieter erkannte diese einstweilige Verfügung an, sodass diese rechtskräftig wurde. Bedingt durch das Anerkenntnis verpflichtete sich der Vermieter zur Zahlung einer Strafe, wenn er in Zukunft noch einmal den Mieter beleidigen würde. Da es nicht mehr zu weiteren Beleidigungen kam, musste der Vermieter folglich aber auch keine Strafe bezahlen. Die einstweilige Verfügung dient nämlich nur dazu, ein Verhalten für die Zukunft zu sanktionieren. Es findet aber keine Sanktionierung für den eigentlichen Verstoß selbst statt.
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Der Mieter erstattete aber auch Strafanzeige, um strafrechtlich gegen seinen Vermieter vorzugehen. Die Staatsanwaltschaft sah zwar grundsätzlich den Tatbestand der Beleidigung als gegeben an, verwies den Mieter aber auf den Privatklageweg. Von diesem Recht hat der Mieter keinen Gebrauch gemacht, sodass eine strafrechtliche Aufarbeitung des Falles unterblieb.
Unterlassung ja, Schmerzensgeld nein?
Letztlich wollte es der Mieter aber nicht einfach hinnehmen, dass er im Sommer 2012 von seinem Vermieter massiv per SMS beleidigt worden war und verlangte vom Vermieter noch Schmerzensgeld. Das Schmerzensgeld hat das Ziel, als Kompensation zu dienen. Werde ich bei einem Autounfall schwer verletzt, so sind als Schadensersatz zum einen Krankenhauskosten, Behandlungskosten und ggf. ein Verdienstausfall zu ersetzen. Im Rahmen des Schmerzensgeldes soll eine Erstattung für die mir entstandenen Unannehmlichkeiten, Schmerzen und Einschränkungen erfolgen. Es ist anerkannt, dass aber nicht nur eine körperliche Verletzung zu einem Schmerzensgeldanspruch führen kann, sondern auch eine verbale Verletzung in Form z.B. einer Beleidigung.
Der Mieter blieb in allen Instanzen ohne Erfolg und letztlich hat auch der Bundesgerichtshof dem Mieter eine Abfuhr erteilt. Der Bundesgerichtshof erkennt zwar an, dass auch bei der Verletzung der menschlichen Würde und Ehre ein Schmerzensgeld in Betracht komme, aber ein solches sei an eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geknüpft. Im vorliegenden Fall würde es sich zwar durchaus um heftige Beleidigungen handeln, die der Vermieter auch mehrfach geäußert habe, aber, so der Bundesgerichtshof, die Beleidigungen wurden nur über einen sehr kurzen Zeitraum ausgesprochen und zu einer Zeit, als Mieter und Vermieter in Streitigkeiten verwickelt waren.
Dies soll zwar keine Rechtfertigung sein, spielt für den BGH aber dennoch eine Rolle. Weiterhin stellt der BGH fest, dass die Beleidigungen nicht etwa in einer breiten Öffentlichkeit geäußert worden seien, sondern nur in direktem Kontakt zwischen Vermieter und Mieter per SMS. Der BGH wertet auch zugunsten des Vermieters den Umstand, dass es sich ausnahmslos um schlichte und primitive Beleidigungen ohne Tatsachenkern gehandelt hat. Dies sei entsprechend auch zu berücksichtigen. Aus diesen Gründen sieht der Bundesgerichtshof keine Notwendigkeit für ein gesondertes Schmerzensgeld. Der BGH führte weiterhin aus, dass der Mieter einen Unterlassungstitel erwirkt habe, sodass bei weiteren Beleidigungen in Zukunft eine Strafe zu zahlen ist. Daher sei der Mieter umfassend abgesichert und es bedürfe keines Schmerzensgeldes.
Bleiben Beleidigungen folgenlos?
Ist diese Entscheidung nun ein Freifahrtschein, im direkten Kontakt Personen zu beleidigen ohne befürchten zu müssen, dass man Schmerzensgeld bezahlt? So ist es sicherlich nicht. Denn nach wie vor handelt es sich strafrechtlich gesehen um den Tatbestand der Beleidigung, der durchaus auf dem Privatklagweg verfolgt werden kann mit entsprechender Verurteilung. Des Weiteren hat der Mieter auch eine einstweilige Verfügung gegen den Vermieter erwirkt, sodass auch hier die Gefahr tatsächlich zunächst gebannt ist, dass der Vermieter weiterhin ausfällig wird
Dennoch halte ich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für falsch, weil sie auch ein falsches Signal sendet. Gerade wenn ich eine einstweilige Verfügung erwirke, ist zwar im Falle eines Verstoßes ein Ordnungsgeld zu zahlen, dieses Ordnungsgeld wird aber an die Staatskasse geleistet und nicht an den Betroffenen. Anders wäre der Sachverhalt, wenn ich außergerichtlich eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgebe. In diesem Fall muss ich die Vertragsstrafe direkt an den Betroffenen bezahlen. Im vorliegenden Fall ist die Angelegenheit gerichtlich ausgefochten worden, sodass im Wiederholungsfalle ein Ordnungsgeld beantragt werden muss, welches dann in die Staatskasse fliest.
Zu viele Beleidigungen in kurzem Zeitraum
Wenn weitere Beleidigungen fallen, hat der Mieter also hier keine Chance auf Erhalt einer Geldzahlung. Die Argumente des BGH überzeugen meines Erachtens nicht. Es handelt sich bei den Beleidigungen zwar sicherlich nicht um die der schlimmsten Art, aber dennoch weichen sie definitiv von dem unteren Grad dessen ab, was gerade noch als Beleidigung wahrgenommen wird. Hätte der Vermieter den Mieter als „Lusche“ bezeichnet oder ihm eine „arrogante Fresse“ unterstellt, so hätte man in der Tat von einem Schmerzensgeld absehen können.
Im vorliegenden Fall halte ich aber die Vielzahl von Beleidigungen, die gerade in einem kurzen Zeitraum versendet werden, insbesondere in einem Mieter-Vermieter-Verhältnis, durchaus für geeignet, ein Schmerzensgeldanspruch zu begründen. Sicherlich wäre ein solches Schmerzensgeld nicht sehr hoch festzusetzen, aber um auch zu zeigen, dass solche Beleidigungen in direktem Kontakt nicht zu dulden sind, hätte man hier durchaus mal 200 bis 300 Euro verhängen können. Obwohl es sich um eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs handelt, ist sie im Prinzip nur für den konkreten Sachverhalt ergangen. Daher sollte man auch in Zukunft darauf achten, was man per SMS, WhatsApp oder in Chats von sich gibt. Eine Beleidigung kann sehr schnell vorliegen, sodass zumindest ein Anspruch auf Unterlassung droht und ggf. ein Strafverfahren.
Auch wenn der Bundesgerichtshof die Verhängung eines Schmerzensgeldes an weitere Kriterien knüpft, ist nicht ausgeschlossen, dass er in anderen Fällen anders entscheidet. Insbesondere dann, wenn die Kommunikation nicht mehr zwischen zwei Personen stattfindet, sondern auch an mehrere Personen gesendet wird, wie z.B. einem Gruppenchat. Es zeigt sich also, dass es teilweise durchaus sinnvoll sein kann, auch wenn formal eine Beleidigung vorliegt, über die Folgen zu streiten. Generell gilt aber, dass ein Schmerzensgeld durchaus bei Beleidigungen in Betracht kommt, die einen größeren Empfängerkreis haben oder schwerwiegender formuliert werden.
Dazu auch: „Alles freie Meinung im Netz?„