Grün

Über die Sorgen und Ängste der digitalen Selbstständigen

Digitale Nomaden Angst
geschrieben von Marinela Potor

Marinela Potor ist digitale Nomadin. Kein fester Wohnsitz, immer unterwegs, Leben auf Reisen. Für viele ein Traum, für andere ein Graus. Bei BASIC thinking und auf MeinLeben.digital berichtet Marinela wöchentlich von ihren Reisen, was es mit dem Leben aus dem Rucksack auf sich hat und warum es sich lohnen kann, auch mal über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Diesmal geht es um die Sorgen und Ängste von digitalen Selbstständigen.

Ich habe ja schon öfter angesprochen, dass das Leben als digitaler Nomade nicht nur eitel Sonnenschein über rosaroten Wölkchen ist. Doch warum eigentlich nicht? Was sind die Schattenseiten des Lebens ohne festen Wohnsitz? Während es sicherlich für jeden von uns ganz individuelle Probleme gibt, ist mir doch aufgefallen, dass ortsunabhängige Webworker auch von sehr ähnlichen Sorgen geplagt werden. Vor allem, wenn es um das Arbeiten als digitale Selbständige geht, gibt es einige Ängste, die fast alle digitalen Nomaden haben – und die ihr unbedingt bekämpfen solltet.

Hilfe, ich ertrinke! Die Existenzangst

Egal wie man in sein Leben als digitaler Nomade gestartet ist, die Existenzangst hat uns irgendwann mal sicher alle erwischt. Ganz gleich, ob man alles hingeschmissen hat und sich Hals über Kopf ins digitale Nomadenleben gestürzt hat oder ob es finanzielle Rücklagen gab – die meisten von uns standen mal an dem Punkt, in dem sie Angst um ihre Existenz hatten. Wenn der Blog finanziell nicht so viel einbringt wie erhofft, wenn das Unternehmen erstmal nur rote Zahlen schreibt, wenn sich das Onlineprodukt nur sehr zögerlich verkauft – dann kommt sehr schnell die Angst um die finanzielle Existenz hoch.


Neue Stellenangebote

Growth Marketing Manager:in – Social Media
GOhiring GmbH in Homeoffice
Social Media und PR Specialist (m/w/d)
BeA GmbH in Ahrensburg
Social Media Manager B2B (m/w/d)
WM SE in Osnabrück

Alle Stellenanzeigen


Ich vermute mal, dass jeder Selbständige oder Freiberufler diese Sorgen hat. Man kann sich nun mal nicht mehr auf das geregelte monatliche Einkommen verlassen, sondern ist nun abhängig von Klienten, Kunden und Käufern. Und deren Wünsche und Aufträge können wir leider (in den meisten Fällen) nicht kontrollieren, was unglaublich frustrierend und furchteinflößend ist.

Wichtig ist dabei, dass ihr euch bewusst seid, dass wohl 99,9 Prozent aller digitalen Nomaden diese Angst schon verspürt haben. Es ist einfach etwas, das zum freien Unternehmertum dazu gehört und ich bin nicht sicher, ob dies mit der Zeit weniger Angst macht als am Anfang (es sei denn, ihr habt nach Jahren als digitale Nomaden mittlerweile eine Million Euro auf eurem Bankkonto als Puffer). Das Problem mit der Existenzangst ist, dass sie sehr lähmend ist. Wer nur daran denkt, ob und wie er sich nächsten Monat etwas zu essen kaufen kann oder nicht weiß, wie er seine Miete bezahlen soll, hat kaum einen klaren Kopf für gute Geschäftsentscheidungen. Doch nachdenken hilft!

Diversifizierung statt Eintönigkeit

Denn wir als deutsche Staatsbürger haben das unverschämte Glück in einem verdammt reichen Land zu leben. Die wenigsten von uns werden, selbst wenn sie pleite gehen, auf der Straße landen, genau dafür ist unser soziales Netz ja da. Natürlich sollte das nicht die allgemeine Marschrichtung sein, „wenn es mit der digitalen Selbständigkeit nicht klappt, gibt es ja Hartz IV“, aber es kann euch den Stress ein wenig von der klammen Brust nehmen, wenn ihr euch bewusst macht, dass ihr tatsächlich ein Sicherheitsnetz habt. Damit kann man viel befreiter an finanzielle Entscheidungen herangehen und so wahrscheinlich viel produktiver arbeiten als mit der Existenzangst im Nacken.

Bei mir war es vor einiger Zeit so, dass ich wirklich nur einen Kunden hatte, bei dem es zwischendurch so aussah, als würde er in naher Zukunft keine Aufträge mehr für mich haben. Anstatt in Panik zu geraten (na gut, nachdem ich mich nach meiner Panikattacke wieder eingekriegt hatte), habe ich mir einen konkreten Plan zurechtgelegt: Meine Arbeit diversifizieren. Neue Kunden mussten her. Dabei habe ich relativ wild meinen Lebenslauf herumgemailt, Freunde nach Aufträgen gefragt und täglich mindestens eine Bewerbung herausgeschickt. Ich habe auch angefangen, mir alternative Publikationen anzuschauen, denen ich Themenvorschläge schicken konnte.

Innerhalb von drei Monaten hatte ich zwei neue Kunden (mit denen ich jetzt noch zusammen arbeite) und zwei neue Zeitschriften, die seitdem regelmäßig meine Artikel drucken. Hätte ich den Kopf in den Sand gesteckt, wäre ich wahrscheinlich heute joblos. Denn klar ist auch: Von nichts kommt nichts. Existenzängste können daher nicht nur alles lahmlegen, sondern auch eine gute Motivation sein, um sich selbst in den Hintern zu treten. Daher mein Tipp: Wenn die Existenzangst anklopft, ruhig bleiben, einen Marschplan ausarbeiten und dann mit Vollgas voraus schreiten!

Hilfe, ich pack’s nicht! Die Versagensangst

Diese Angst steckt meiner Meinung nach oft hinter unseren Existenzängsten. Denn die Angst, ohne Geld dazustehen, ist sicher nicht so ausgeprägt wie die Angst zu versagen. Natürlich ist es nicht angenehm pleite zu sein, aber es ist viel beschämender vor aller Welt zugeben zu müssen, dass man es nicht gepackt hat. Gerade da unser Lebensstil von vielen skeptisch beäugt wird, wollen wir es natürlich allen zeigen. Wie stehen wir denn da, wenn unsere hochtrabenden Worte bedeutungslos waren und unsere ehrgeizigen Pläne zerbrechen? Ich habe den Eindruck, dass diese Angst in Deutschland ausgeprägter ist als beispielsweise in den USA. Dort sehen die meisten Unternehmer und Freiberufler das Versagen als einen natürlichen Prozess. Nur wer auch mal scheitert, kann auch daraus lernen.

Ich glaube davon sollten sich alle, die von Versagensangst geplagt sind, eine große Scheibe abschneiden. Es gibt ein tolles Sprichwort: „Manchmal gewinnst du und manchmal lernst du!“. Das sollten sich viele wirklich zu Herzen nehmen. Denn mit einer Idee zu versagen ist nie so schlimm, wie nie etwas auszuprobieren. Dann klappt es eben nicht mit der ersten Idee, na und? Der zweite Versuch kann nur besser werden. Natürlich setzt das voraus, dass man ganz ehrlich und selbstkritisch mit sich selbst ins Gericht geht und sich fragt, woran man gescheitert ist. Lag es daran, dass man versucht hat, alles alleine zu erledigen? Hat man ein unattraktives Produkt entwickelt, ohne vorher eine Marktanalyse zu machen? Hat man eine Dienstleistung angeboten, die einfach in der Form nicht gefragt ist? All das sind wertvolle Lektionen, aus denen man beim nächsten Versuch viel lernen und verbessern kann.

Übrigens sind auch nicht alle bekannten Unternehmer gleich mit ihrer ersten Idee erfolgreich gewesen. Henry Ford ist beispielsweise fünfmal (!!!) pleite gegangen, bis er die geniale Fließband-Idee hatte, die ihn zum Millionär gemacht hat. Auch der Autogigant Soichiro Honda begann seine erfolgreiche Karriere nach einer brutalen Ablehnung. Er wurde für seinen Traumjob als Ingenieur bei Toyota abgelehnt, und war danach erstmal eine Weile arbeitslos. So begann er aber seine eigenen Motorräder zu bauen und an Freunde und Nachbarn zu verkaufen – und startete so schließlich sein Imperium. Genau das gleiche gilt auch für digitale Nomaden: Versagensängste sind nicht ungewöhnlich, aber völlig unnötig. Versagen heißt nicht scheitern, sondern lernen und es beim nächsten Mal besser machen.

Hilfe, ich kann nicht mehr! Die Überforderungsangst

Digitale Selbständige, gerade wenn sie ortsunabhängig arbeiten, sind oft ganz auf sich alleine gestellt. In einem neuen Land, in einer unbekannten Kultur haben viele von uns das Gefühl, komplett ohne Hilfe zu sein. Das gewohnte soziale Netzwerk ist nicht um uns herum, die Freunde, die uns anspornen, die Familie, die uns unterstützt, sind weit weg. Gerade wenn es dann mal nicht so rosig im Geschäft läuft, fühlt man sich schnell überfordert.

Das ist etwas, dass man meiner Meinung nach sofort und ganz direkt angehen muss. Wenn ihr euch überfordert fühlt, dann seid ihr das wahrscheinlich auch. Dabei ist es ganz egal, dass andere digitale Nomaden so viel alleine zu schaffen scheinen (was übrigens bei den ganz erfolgreichen auch nie wahr ist). Wenn ihr denkt, ihr kommt hier nicht weiter, holt euch Hilfe! Investiert in einen guten Coach, geht zu lokalen Meetups, arbeitet in Coworking-Spaces, wo ihr nicht nur Inspiration, sondern auch Kooperation findet. Findet für die Aufgaben, die ihr nicht aufgeben wollt oder könnt bei Onlinejobbörsen Freelancer, die euch dabei helfen können, und sortiert kategorisch die Arbeiten aus, die euch nicht weiterbringen. Überforderung schnürt einem den Hals zu und lässt weder Raum für Kreativität noch für Produktivität. Deswegen finde ich, dass man hier nicht lange fackeln sollte, und das Problem direkt definieren und dann lösen muss.

So weit weg ihr auch von eurem vertrauten Umfeld seid, umgebt euch mit Menschen, die ähnliche Ziele und Projekte haben wie ihr selbst. Fragt um Rat und lasst euch helfen! Oft werden dann Probleme und Hindernisse, die unüberwindbar schienen, dann schon viel kleiner und ihr könnt mit frischem Mut und neuen Ideen an eure Projekte herangehen.

Hilfe, ich bin nicht gut genug! Die Kompetenzangst

Gerade für neue digitale Nomaden ist die Angst, nicht kompetent genug zu sein, oft sehr groß. Einige starten ein Business in einem Bereich, in dem sie noch nie gearbeitet haben oder sie müssen sich plötzlich selbst als erfolgreiche Freelancer vermarkten, wenn sie noch nicht mal sicher sind, ob sie die Wünsche ihrer Kunden überhaupt erfüllen können. Andere wiederum vergleichen sich mit den absoluten Top-Größen einer Branche oder glauben grundsätzlich nicht, ihr Wissen überhaupt jemandem helfen kann.

Auch hier kann es helfen, die eigenen Sorgen mit etwas Abstand zu betrachten. Neulinge haben oft einen unverfälschten Blick auf eine Branche, der mit ganz neuen Ideen einher kommt und euch so auch viele Vorteile gegenüber alten Hasen verschaffen. Darüber hinaus hilft es, wenn ihr euch bewusst macht, was ihr mitbringt, und was sonst niemand hat. Wenn ihr beispielsweise im vorigen Leben Klempner wart und nun als Businesscoach Geld verdienen möchtet, bringt ihr eine bodenständige Haltung, Geschäftserfahrung und ein Wissen um harte Arbeit mit, das andere so nicht haben. Kompetenz hat auch viel mit dem Glauben an sich selbst zu tun.

Wenn ich glaube, dass ich eine ausgezeichnete Journalistin bin, dann trete ich ganz anders auf als wenn ich voller Selbstzweifel bin – und überzeuge so letztendlich einen Kunden auch viel eher. JEDER von uns kann meist nicht nur eine, sondern viele Sachen besser als andere. Es ist nicht nur wichtig, diese Talente zu entdecken, sondern auch an sich selbst zu glauben. Schließlich hat jeder einmal angefangen und ich bin überzeugt, dass Erfolg zu denen kommt, die an sich glauben.

Hilfe, die anderen können alles besser! Die Konkurrenzangst

Auch wenn das Phänomen der digitalen Nomaden noch relativ neu ist, es gibt schon viele erfolgreiche digitale Selbständige in fast allen Bereichen. Das macht vielen Einsteigern Angst, denn wie soll man selbst erfolgreich in etwas sein, dass so viele andere schon viel länger und wahrscheinlich auch besser machen? Dazu kann ich nur sagen: Diese Angst ist absolut unbegründet. Schaut mal in euren Kleiderschrank. Habt ihr mehr als ein Paar Schuhe? Natürlich! Denn nur weil jemand schon ganz tolle Wanderschuhe erfunden hat, heißt das doch nicht, dass ihr zum Joggen und für den eleganten Abend die gleichen Schuhe anziehen werdet! Selbst wenn ihr ein Lieblingsrestaurant habt, esst ihr nur dort? Natürlich nicht! Konkurrenz belebt nicht nur das Geschäft, sondern schafft auch Raum für Vielfalt, und damit auch viel Raum für eure Ideen.

Viele denken auch immer, dass sie das Rad neu erfinden müssen, um erfolgreich zu sein. Das ist Unsinn! Wer erkennt, was am Markt erfolgreich sein kann, dem Ganzen aber seinen eigenen Dreh gibt, kann damit viel erfolgreicher als der eigentliche Erfinder sein. Vielleicht sprecht ihr mit eurer Persönlichkeit ganz andere Menschen an oder könnt eine ganz neue Marktgruppe erschließen. Ich finde, es ist sogar von Vorteil, wenn ihr euch das ein oder andere bei den bereits erfolgreichen Mitbewerbern abguckt. Schließlich kann man davon viel lernen und warum solltet ihr nicht das nachmachen, was diese erfolgreich macht? Habt keine Angst vor der Konkurrenz!

Ihr werdet sowieso keinen Bereich finden, wo ihr die absolute und alleinige Marktherrschaft habt. Es kommt also nicht so sehr darauf an, dass ihr konkurrenzlos seid oder völlige Panik vor der Konkurrenz habt, sondern dass ihr diese als Antrieb und Inspiration für euren eigenen Erfolgsweg versteht.

Wie sieht das bei euch aus? Was sind eure größten Ängste und Sorgen als digitale Selbständige und wie seid geht ihr damit um? Ich freue mich wie immer auf eure Kommentare!

Bis nächste Woche, dann wieder aus irgendeinem Winkel der Welt,

Eure Marinela

P.S.: Kennst du schon unser Online-Magazin für digitale Nomaden, Reisende, Webworker und Querdenker? Nein? Dann aber schnell!

Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

2 Kommentare

  • Guter Artikel, der mir und wahrscheinlich auch vielen anderen Selbstständigen – nicht nur den digitalen Nomaden – aus der Seele spricht!

    Was ich noch zum Absatz „Diversifizierung statt Eintönigkeit“ sagen möchte: Freelancer, die nur 1,2 oder 3 Auftraggeber haben, sind nicht selbstständig, sondern nur ausgelagerte Festangestellte! Wer also selbstständig ist und nur so wenig Kunden hat, sollte sein Treiben nochmals _deutlich_ überdenken!

    Klar, als Neuling ist man über jeden Kunden froh und es gibt schlechte Zeiten. Aber dazwischen sollte IMHO _jeder_ mind. 4-5 Kunden haben und mind. 2 Standbeine. Ansonsten wird man nicht lange überleben können!

    • Gut, dass du das ansprichst. Was ich meinte mit einem Kunden war, dass ich nur einen „festen“ Kunden hatte, von dem regelmässig Aufträge kamen. Denn wer nur einen Kunden insgesamt hat, ist natürlich scheinselbständig, das muss man auch klar sagen!

      Zwei Standbeine ist auch ein gutes Stichwort. Ich finde das auch ganz schön, dann wird die Arbeit nicht so eintönig, aber man hat dann eigentlich auch fast nie eine Auftragsflaute.