Ich bin ein wenig sauer. Wobei, „sauer” ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, eher genervt. Das aber so richtig! Je mehr ich über digitale Nomaden schreibe, umso mehr Facebook-Gruppen ich beitrete und umso mehr Blogs ich lese, umso mehr fühle ich mich an das Topmodel-Syndrom erinnert. Ein paar Worte dazu.
Für diejenigen unter euch, die diese Shows nicht so regelmäßig schauen wie ich (hüstel): Man könnte es auch das „Deutschland-sucht-den-Superstar Syndrom“ oder das „Popstar-Syndrom“ nennen. Gemeint ist damit ein Phänomen, in denen Menschen ein Traum verkauft wird, und zwar für so richtig viel Geld. Genau dasselbe scheint mir im Moment in der digitalen Nomadenszene zu passieren. Digitale Nomaden der ersten Generation, die durch Glück oder Zufall in dieses Leben gerutscht sind, verdienen nun richtig viel Geld damit, indem sie anderen den tropischen Traum verkaufen. Und das nervt!
Neulinge werden mit Halbwahrheiten ins Netz gelockt
Versteht mich nicht falsch, ich bin die Erste, die von diesem Lebensstil begeistert ist und jeden, der diesen Traum hat, auch dazu ermuntern wird. Ich schreibe gerne über mein Leben auf Achse und gebe meine Erfahrungen weiter, versuche eure Fragen zu beantworten und euch so viele hilfreiche Tipps zu geben, die ich auf Lager habe. Deswegen bin ich auch erstmal recht begeistert von allen Slack-Gruppen, Facebook-Gemeinschaften und Meetups, wo alle, die es interessiert, so viele Informationen wie möglich bekommen können. Wovon ich allerdings weniger begeistert bin, sind Websites, auf denen die Betreiber sich als Digitale-Nomaden-Experten darstellen und eigentlich nur sinnlosen Inhalt posten, der dann natürlich noch zu irgendwelchen E-Books, Blogcamps oder Produkten verlinkt, die man für viel Geld erstehen kann.
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Diese Blogger machen, rational betrachtet, alles richtig: Sie haben einen Markt erkannt, und monetarisieren ihn. Was sie dabei verkaufen, ist weniger ein Produkt als ein Lebenstraum – und damit kann man momentan anscheinend so richtig viel Geld verdienen. Deshalb springen wahrscheinlich auch derzeit so viele auf diesen Zug mit auf. Während dies einerseits natürlich sehr clever ist, hadere ich hier mit meinem Verständnis. Es ist eine Sache, mit seinem Wissen Geld zu verdienen oder sich einen Markt aufzubauen, weil man clever ist. Das andere ist, Versprechen zu verkaufen, die man nicht unbedingt erfüllen kann und mit Halbwahrheiten andere in das Netz der digitalen Nomaden zu locken.
Topmodel-Shows als Beispiel
Verzeiht mir hier nochmal die Parallele zu den Topmodel-Shows. In diesen Shows passiert nämlich seit Jahren genau das gleiche, wenn auch natürlich auf höherem Niveau. Diese Shows ziehen Tausende von jungen Mädchen (und mittlerweile auch Jungen) magisch an, mit dem Traum des glamourösen Jetsetter-Lebens als Supermodel, das die ganze Welt bereist, von allen angehimmelt und dabei reich wird. Wer sich aber die Realität anschaut, erkennt schnell, dass dieser Traum nur für die wenigsten wahr wird (und zwar hauptsächlich für die Models, die wie Heidi Klum, Tyra Banks oder Tyson Beckford auch noch clevere Geschäftsleute sind).
Die meisten Models dagegen hadern mit sich und ihrem Aussehen, Magersucht und Drogenkonsum sind altbekannte Probleme in der Szene. Models leben nicht in tollen Villen in L.A., sondern vorwiegend in vollgestopften Model-WGs (wo der Konkurrenzdruck so groß ist, dass man entweder darunter zusammenbricht oder in ungesundes Verhalten abrutscht). Viel Geld verdienen die wenigsten dabei, es sind eher die Agenturen, die groß abräumen, oder – im Fall der TV-Shows – die Produzenten und Fernsehanstalten sowie sämtliche Werbepartner.
Mit Luftschlössern das große Geld abräumen
Ganz so extrem ist es mit dem Traum der digitalen Nomaden (noch) nicht, aber wenn ich digitale Nomadencamps in Thailand sehe, für die Teilnehmer Tausende von Euro zahlen müssen und die nur in sehr vagen Worten beschreiben, was man als Endprodukt mitnimmt, außer wahrscheinlich einer netten, wenn auch teuren Urlaubserfahrung, dann fange ich an, an der Ehrlichkeit dieser digitalen Nomaden zu zweifeln. Was kann man wirklich auf so einem Camp lernen, was man sich nicht selbst beibringen oder sich mit ein wenig Recherche oder Networking aneignen kann? Gerade wenn man als Psychologe oder Anwalt online arbeitet oder arbeiten möchte, wie können solche teuren Events einem beruflich helfen? Wird hier zum x-ten Mal wiedergekäut, wie man Geld mit einem Blog verdienen kann? Oder werden hier weitere Merchandise-Produkte verkauft, die euch erfolgreich machen sollen, aber in Wahrheit nur den Betreibern Geld einbringen?
Während ich fest glaube, dass Expertenwissen gut bezahlt werden sollte, frage ich mich bei vielen dieser Traumfänger, ob das Wissen hinter ihren Angeboten tatsächlich so fundiert ist. Ja, sie hatten das Glück mit ihren Geschäftsideen erfolgreich zu sein. Aber macht sie das gleich zu Experten für alle digitale Nomaden? Viele dieser so genannten Experten haben inhaltsleere, schlecht geschriebene Blogs, auf denen ich nur Affiliate-Links und Eigenwerbung finde – und das ist für mich ein Problem. Wenn ihr jemand seid, der Frauen, die sich selbständig machen wollen großartige Tipps gebt, oder wenn ihr eure Themen sehr gut recherchiert, dann ist es mehr als berechtigt, dafür Geld zu verlangen. Wenn aber Luftschlösser verkauft werden, dann finde ich das schlicht und einfach mies. Schön, wenn andere damit Geld verdienen, aber unterstützt werden muss das noch lange nicht!
Glaubt den Märchenerzählern nicht alles!
Denn, was die wenigsten erwähnen, in all dem Lob für das tolle Nomadenleben, sind die harten Seiten des Lebens. Natürlich nehmen wir das gerne in Kauf, dennoch sollte man hier ehrlich sein. Die meisten digitalen Nomaden leben in Südostasien nicht weil es dort so paradiesisch ist (wobei das natürlich nicht stört), sondern weil sie es sich mit ihrem Gehalt als Copywriter oder Blogger einfach nicht leisten könnten, in Deutschland oder Kanada zu leben. Mit diesem Leben verdient man nicht das große Geld, zumindest nicht am Anfang. Und in stickigen Hostelzimmern zu arbeiten, während andere am Strand liegen, ist auch nicht immer das Gelbe vom Ei. Würde ich lieber reisen wie die Backpacker, die ein Jahr lang auf Weltreise gehen und keinen Finger rühren? Natürlich! Würde ich gerne ein deutsches Gehalt verdienen? Klar!
Ich arbeite hart daran und jedes Jahr wird einfacher und erfolgreicher, doch ein Zuckerschlecken und faules In-der-Sonne-Liegen ist das nicht. Das sollte man Möchtegern-Nomaden auch klar sagen. Diejenigen, die tatsächlich viel Geld mit ihren Websites, Konferenzen und Seminaren verdienen, die verraten wiederum selten, wie sie das genau tun und wie viel Geld sie eigentlich verdienen. Das ergibt ja auch Sinn: Man will nicht zu viel Hilfe und Unterstützung geben, damit andere es einem nicht nachmachen – und dann plötzlich feststellen, dass man nur heiße Luft verkauft hat.
Lasst die Rattenfänger reden
Digitale Nomaden ist ein Schlagwort geworden, unter dem man so ziemlich alles verkaufen kann: E-Books, Videoseminare, teure Urlaube in „exotischen“ Orten. Ich habe auf einer Facebook-Gruppe für digitale Nomaden ein „Angebot“ gesehen, in dem ein Pärchen eine Kajüte für digitale Nomaden auf einem Katamaran für sage und schreibe 400 US-Dollar pro Woche anbietet, ohne Mahlzeiten oder Hafengebühr. Mal abgesehen von der Frage, wer sich das leisten kann und will und wie gut dieses Angebot wirklich ist, fällt auf, wie mit dem Modewort „digital nomad“ auf einmal alles versehen wird, was irgendwie mit Reisen zu tun hat und mit dem man viel Geld verdienen möchte.
Natürlich gibt es viele tolle Ideen, interessante Projekte und viele ehrliche Nomaden, die tatsächlich fachkundig sind oder auch einfach ohne großes Eigenmarketing ein tolles Leben auf Reisen führen. Und natürlich bleibt es jedem selbst überlassen, für welche Events er wie viel Geld ausgeben möchte. Doch tut mir einen Gefallen: Fallt nicht auf jeden Rattenfänger herein und überlegt euch gut, in was ihr investieren möchtet, bevor ihr viel Zeit und Geld in etwas steckt. Lebt und folgt eurem Traum vom digitalen Nomadenleben, aber vergesst nicht, dabei alle Angebote und Versprechen auch kritisch zu hinterfragen!