Wir brauchen autoritäre Systeme in der IT, sonst fliegt uns unsere Gesellschaft um die Ohren. Schon jetzt wundern sich viele über die Verrohung der Sitten – im digitalen Dialog, aber auch im richtigen Leben. Das wird noch schlimmer, wenn die Systeme mit künstlicher Intelligenz zunehmen. Anti-Autoritäre Systeme mit Künstlicher Intelligenz (AAKI) sind eine unterschätzte Gefahr!
Hotlines von Telefon-Anbietern gehören ganz sicher nicht zur Kategorie „künstliche Intelligenz“ – ganz im Gegenteil. Aber daran lässt es sich gut erklären. Während ich diese Zeilen schreibe, hänge ich in einer O2-Warteschleife, angeblich beträgt die Wartezeit Fünf-und-vierzig-Mi-nu-ten, aber das ist es mir wert. Denn ich will weg mit dem Familienhandy. Wir waren bei Base und wurden jetzt zwangsumgesiedelt, ich bin also die Erika Steinbach der Mobiltelefonie und verstehe, warum diese schreckliche Person immer so schlecht gelaunt wirkt. Schön ist das nicht.
Permafreundliche Telefonladys
Die O2-Hotline fragt ab, wegen welcher Rufnummer ich anrufe. Welch ein Vergnügen mit dieser Computer-Lady, die stoisch, freundlich, unverbindlich fragt, was sie wissen will. „Haben wir das richtig verstanden?“ Und selbst wenn ich sie mittlerweile latent entnervt beschimpfe, bleibt sie cool: „Dann haben wir da wohl etwas falsch verstanden, Entschuldigung!“
Neue Stellenangebote
Content Creator Social Media (m/w/d) Erlebnisbauernhof Gertrudenhof GmbH in Hürth |
||
Studentisches Praktikum – Video- & Social-Media-Marketing im Bankwesen (m/w/d) Taunus Sparkasse in Bad Homburg vor der Höhe |
||
Social Media Manager (m/w/d) NordwestLotto Schleswig-Holstein GmbH & Co. KG in Kiel |
Jetzt halte ich mich für charakterlich einigermaßen gefestigt – doch was macht so eine Grinsepudding gewordene Telefonstimme mit einem jungen Menschen, der sich noch finden muss? Ich fühle mich an die unsäglichen Zeiten antiautoritärer Erziehung erinnert, als Kinder ohne Grenzen, ohne Regeln, ohne Konsequenzen ihres Handelns aufwachsen mussten. Nicht gut.
Erziehung heißt Grenzen setzen
Als Kind wie auch als Erwachsener habe ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen – und ganz besonders junge Menschen – genau wissen müssen, wo Grenzen gezogen sind. Sie müssen wissen, was von ihnen erwartet wird und was geschieht, wenn sie diese Erwartungen nicht erfüllen, wenn sie Grenzen einreißen. Sie müssen die Verantwortung spüren, Regeln zu verletzen und so tapfer werden, die Folgen ihrer Entscheidung anzunehmen und auszuhalten, wenn es ihnen das wert ist. Sie müssen Stabilität spüren, an die sie sich anlehnen oder an denen sie sich reiben können. Einer meiner liebsten Erziehungssprüche lautet: „Ich zeige Euch die Regeln. Wie ihr sie brecht, müsst ihr selbst herausfinden!“
Doch nun dringen immer mehr digitale Assistenten in unser Leben ein. Ich möchte nicht wissen, was Apple alles an üblen Beschimpfungen, Obszönitäten und Dummheiten im Siri-Giftschrank liegen hat – wenn sie denn mitschneiden. Vielleicht wird der Konzern uns alle eines Tages damit erpressen, Siri-Aufzeichnungen zu veröffentlichen, wenn die Gewinne aus iPhone-Verkäufen einbrechen sollten.
Ähnliche Erfahrungen macht Amazon mit „Alexa“, die in dem kleinen Zylinder namens Amazon Echo steckt. Alexa steht im Wohnzimmer und hört immer zu. Ihre Aufgabe ist es, anhand der Gespräche zu verstehen, was ihre Mitbewohner wünschen. Wenn mich also beispielsweise meine Frau mit einem schelmischen „A lexam Hut!“ belustigt fragt, ob ich denn noch alle Tassen im Schrank hätte, wenn ich Selfies im Froschkostüm poste, mischt sich Alexa ein und bietet, da sie ja ihren Namen gehört hat, an, Geschirr zu bestellen.
Einerseits praktisch, andererseits, nun ja, spooky. Erinnert mich an die omnipräsenten Computer-Systeme in Science-Fiction-Serien oder -Filmen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich will. Nein, ich bin mir sicher: Ich will das nicht.
Kinder werden zu Grobianen
Jetzt kommt’s: Besitzer von Amazon Echo berichten, dass ihre Kinder das Gerät grob behandeln, es fester schubsen als sie dies mit einem Menschen tun würden. Und weil diese Alexa eigentlich nur verkaufen will, lässt sie sich das alles gefallen. Keine Grenze, keine Sanktion, die antiautoritäre Dummbratze. Schade, ein möglicher Textvorschlag wäre doch: „Du übergewichtiger Schmalspur-Prolet, glaubst Du, weil Deine Mutti einen Firmenwagen hat, kannst Du mich hier rumschubsen? ich schalte mich jetzt bis morgen ab – und Dein Smartphone auch. So!“ Genauso wie Siri sagen könnte: „Was ist denn das für ein Ton? Solange Du die Füße unter meinen Tisch steckst, redest Du nicht so mit mir, Freundchen!“ Es wäre ein bisschen wie bei Geldautomaten, wenn die Geheimzahl zwei Mal falsch eingegeben wurde. Das erhöht die Spannung ungemein, auch wenn sie weder dem pädagogischen Sendungsbewusstsein meiner Hausbank, sondern einem hohen Sicherheitsstandard entspringt.
Damit nicht genug warnen Wissenschaftler, dass seelenlose Hilfsautomaten Kinder verführen, sämtliche Formen sozialer Interaktionen auf ein Minimum zu reduzieren. Selbstredend sind sprachgesteuerte Systeme für Kinder ein Segen. Sie müssen keine komplexen Gesten lernen, pfeifen auf Orthografie und Interpunktion – doch besorgniserregenderweise braucht es auch keinen Anstand, keine Höflichkeit und keinen Respekt. „Hör mir gefälligst zu, schließlich lebst Du Dank der Kreditkarte meines Daddys!“ Wer sagt schon „bitte“, „danke“ und nutzt andere Höflichkeitsfloskeln, wenn er mit einem Automaten spricht, dessen sklavische Pflicht es ist, seine Nutzer zufrieden zu stellen? Ein bisschen kann man das auch bei Zugschaffnern alter Schule beobachten. Und so fordern bereits erste Eltern einen Kinder-Modus, in dem Alexa nur noch reagiert, wenn sie höflich zuvorkommend angesprochen wird.
Ich würde noch weiter gehen und den Aufbau eines feinen Regelsystems ermöglichen. Vorbild: C3PO, der Protokolldruide aus Star Wars, der war nämlich so herrlich beleidigt und in der Folge bockig, wenn seine Master nicht den richtigen Ton trafen …