Was macht man als TV-Medium nun eigentlich mit diesen Livestreaming-Möglichkeiten á la Periscope, Snapchat oder Facebook Live? Diese Frage stellen sich dieser Tage offenbar viele Medienmacher, experimentiert wird schließlich viel. Das RTL-Magazin stern TV beantwortet sie am Mittwoch gegen Mitternacht aber mit Bravour.
Zu Gast ist Philip Häusser, Physik-Student und Betreiber des YouTube-Kanals Phil’s Physics. Er soll live in der Sendung zeigen, wie man Getränke binnen weniger Minuten von Zimmer- auf eine genießbare Temperatur runterkühlen kann. Der Trick: Einen ordentlichen Schuss Salz zum Eiswasser hinzugeben – dann klappt’s schneller.
Das machen Steffen Hallaschka und Philip Häusser kurz vor der Werbepause, übergeben dann während der Werbung an Facebook Live – Facebooks Antwort auf Twitters Periscope – und bieten den interessierten Nutzern an, das Geschehen während der Pause dort mitzuverfolgen. Binnen Sekunden hat der Stream mehrere Zehntausend Zuschauer, die sich das Experiment anschauen – hautnah dran.
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Sendeschluss? Gibt’s nicht mehr!
Das war ein cooler Move für den Zuschauer, stern TV macht es aber noch besser. Denn wenn man an die Unterschiede zwischen linearem Fernsehen und den neuen Möglichkeiten geht, fällt immer das „Egal wo, egal wann“-Argument zugunsten des Livestreamings. Es gibt keinen Sendeschluss mehr, keine festen Termine, an denen jemand auf Sendung gehen muss, an denen Zuschauer vor dem Gerät sitzen müssen.
Und genau das bestätigt stern TV an diesem Abend, indem es die Flexibilität des Neuen mit dem Planbaren des Alten verknüpft. Nicht nur vor der Sendung, als per Facebook-Live geprobt wurde, sondern auch weiterhin während der Sendung. Wir sind inzwischen bei einem anderen Experiment. Eine Wasserflasche soll durch flüssigen Stickstoff explodieren. Die Flasche liegt in einer Tonne, darauf ein Beutel Tischtennisbälle, um die Explosion auch wirksam zu inszenieren. Blöd nur: Der Stickstoff lässt sich mit dem Ausdehnen reichlich Zeit – und das RTL Nachtmagazin wartet.
Flasche explodiert – Zuschauerzahlen auch
Um Punkt Mitternacht ist die Sendung rum, Hallaschka bekommt aus der Regie den Hinweis auf Facebook Live und schickt seine Zuschauer in die Nacht – und eben zu Facebook. Dort explodiert nicht nur wenige Minuten später die Flasche, sondern auch die Zuschauerzahlen. Eine halbe Minute nach Sendeschluss von stern TV auf RTL hat der Facebook-Stream 19.000 Zuschauer, eine halbe Stunde später haben das Video über 30.000 Menschen aufgerufen.
In den Kommentaren hagelt es daraufhin Lob und Zuspruch der Zuschauer. Verständlich, denn stern TV löst hier vorbildlich ein entscheidendes Problem: Was mache ich sinnvollerweise mit diesen neuen Livestreaming-Apps? Früher wäre die stern TV-Sendung ohne den Knall zu Ende gegangen. Sicher, nur eine Kleinigkeit, aber die Sendung wäre eben unfertig geblieben, die Zuschauer mit unbefriedigter Neugier zurückgelassen worden.
Heute können alle Interessierten umschwenken, den Knall, ein paar auf seltsame Weise intimer wirkendere Worte des Moderators und die Verabschiedung noch mitnehmen. Alle Nicht-Interessierten oder RTL Nachtmagazin-Zuschauer bekommen hingegen ihre Ruhe bzw. ihre Nachrichten. Win-win, auch für stern TV, das natürlich von der gesteigerten Aufmerksamkeit für die Fanseite auch langfristiger an Reichweite und Sichtbarkeit profitiert.
Community wunderbar einbezogen
Der Nachteil hieran ist natürlich: Längst nicht jeder hat Facebook. Und stern TV ist ein Format, das auch viele ältere Zuschauer anspricht, die den Stream entsprechend nicht anschauen können. Zudem gibt man seine Inhalte an Facebook ab und hat sie nicht mehr auf seiner eigenen Seite und unter seiner eigenen Kontrolle.
Aber: Der Großteil der Community ist nun mal da – und stern TV bezieht sie wunderbar mit ein. Wenn man für die restlichen Zuschauer zu Beginn der nächsten Sendung einen Zweiminüter einspielt, was nach Sendeschluss passiert ist, sind alle Zielgruppen bedient.