Früher war das Internet anders. Wilder, vielfältiger und weniger kommerziell. Wie der Wilde Westen. Viele pilgerten ins Web, um sich eigenständig eine Präsenz aufzubauen. Einen Platz für sich zu beanspruchen und am Rausch der technischen Möglichkeiten Teil zu haben. Dabei ging es mitunter chaotisch zu, es gab kaum Standards und meistens waren die neuen Siedler auf Do-It-Yourself angewiesen. Eben eine Pionierzeit. Doch wie beim echten Wilden Westen der USA im 19. Jahrhundert, werden die frühen Tage des Internets oft romantisiert und es dauerte nicht lange, bis Gesetzgeber und Unternehmen Struktur ins Chaos brachten.
Der wichtigste Player war und ist Google. Als die Suchmaschine Ende der 90er Jahre die vielen kleinen Informationsinseln durchsuchbar machte und das Internet plötzlich als ein Ganzes greifbar wurde, veränderte sich die Netzkultur. Was für den Wilden Westen die transkontinentale Eisenbahn war, ist für das Internet der heranwachsende Gigant Google. Er eint, kommerzialisiert und vertreibt die Anarchie. In den 2000er Jahren hat sich Google zur Heftklammer des offenen Webs entwickelt, sich als Startseite zu einem Informationsimperium durchgesetzt. Doch seitdem hat sich fast alles verändert. Das sogenannte Soziale Netz entstand, die Ära von geschlossenen Plattformen und App-Stores. Hat Google also ein ernsthaftes Problem?
Googles Erfolg ist abhängig von einem einzigen Geschäftsmodell
Das sieht auf dem Papier nicht danach aus. Der Umsatz aus Anzeigenerlösen hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt. Pro Sekunde bearbeitet die Suchmaschine 2,3 Millionen Anfragen und kann dabei Ergebnisse aus 60 Billionen indizierten Webseiten liefern. Insbesondere die Suche auf Mobilgeräten konnte in den letzten Jahren für weiteres Wachstum bei den Anzeigen sorgen. 1,4 Milliarden Nutzer verzeichnet das Google-eigene Betriebssystem Android, das standardmäßig natürlich die Google-Suche nutzt. Das sind Zahlen, die einen schwindelig machen.
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Aber Google ist verwundbar. 90 Prozent des Umsatzes wird durch Werbung gemacht. Die restlichen zehn Prozent – mit Ausnahme der Erlöse aus dem Google Play Store und Google Apps – stammen aus den experimentellen Moonshot-Projekten wie Google Glass oder selbstfahrende Autos. Seit der Umstrukturierung in die Muttergesellschaft „Alphabet“ sind zum ersten Mal detailliertere Zahlen zu den Projekten abseits des Anzeigengeschäfts bekannt geworden. Und sie sind ein Verlustgeschäft. 3,6 Milliarden Dollar Miese hat Google 2015 damit gemacht. Sicher, das ist für Google keine beunruhigende Summe und diese Projekte sollen größtenteils erst in der fernen Zukunft Profit machen, aber es zeigt deutlich, dass Google derzeit kein zweites Standbein besitzt.
Aggressiver Wettbewerb von Google?
Es ist nicht so, als hätte Google diese Entwicklung nicht frühzeitig erkannt. Der Konzern hat sich mit aller Macht dagegengestemmt. Seit dem Bestehen hat Google 170 Unternehmen aufgekauft, darunter große Übernahmen wie Motorola oder Nest Labs. Nur als Vergleich, Apple hat im selben Zeitraum 26 Firmen erworben, Facebook seit 2005 ganze 57. Man könnte das jetzt als DNA von Google sehen – ein aggressiver Wettbewerber. Oder als die Suche nach einem zweiten Standbein und der schwierigen Aufgabe eines Dinosauriers des Internets, den schnellen Entwicklungen standzuhalten.
Schaut man sich das einzige Standbein, die Anzeigenerlöse, genauer an, wird ein weiterer Schwachpunkt deutlich: Google erwirtschaftet den Löwenanteil der Werbeumsätze, 80 Prozent, auf seinen eigenen Seiten und Diensten. Zwar existieren keine genauen Zahlen, wie sich hier die Umsätze aufteilen, aber die mit Abstand populärsten anzeigenfinanzierten Dienste von Google sind die Suche, Gmail und YouTube.
Sowohl die Suche, als auch Gmail, sind tief im offenen Web verankert. Sie setzen auf offene Standards und sind jeweils Marktführer in ihrem Bereich. Zusammengefasst ist Google also ein Anzeigenunternehmen, das das meiste Geld mit Werbung auf seinen eigenen Diensten macht und die beiden erfolgreichsten Dienste sind wiederum abhängig von offenen Standards. Wenn sich geschlossene Plattformen und proprietäre Protokolle durchsetzen, dann hat Google in der Tat ein Problem.
Das Katastrophenszenario für Google
Sucht man nach einem Wort, das die Entwicklung des Internets heute bezeichnet, würde Zentralisierung passen. Weg von Hunderten von Lesezeichen für einzelne Webseiten, zusammengesuchten RSS-Feeds und hin zu wenigen, mächtigen Anlaufstellen für Besucher. Diese Knotenpunkte horten riesige Mengen an Inhalten und sind zentral kontrolliert. Das populärste Beispiel ist Facebook, das nicht nur an Nutzern wachsen möchte, sondern eigentlich das ganze offene Internet durch einen riesigen Trichter in die eigenen, kontrollierten vier Wände schütten möchte.
Evan Williams ist jemand, der sicherlich weiß wovon er spricht. Er hat Blogger und Twitter mitbegründet und ist nun CEO von Medium. In einem Interview mit Forbes sagte er den Tod der individuellen Webseite voraus:
„The idea won’t be to start a website. That will be dead. The individual website won’t matter. The Internet is not going to be about billions of people going to millions of websites. It will be about getting it from centralized websites.“
Überleben werden geschlossene Plattformen, die die Tür für Mitbewerber jederzeit schließen oder öffnen können. Die beste Suche nutzt nichts ohne eine große Menge an Inhalten. Facebook beheimatet mittlerweile über zwei Billionen Posts und die Suche wird rege genutzt, letztes Jahr vermeldete der Konzern 1,5 Milliarden Suchanfragen täglich. Google kann mit fünf bis sechs Milliarden Suchanfragen dagegenhalten. Allerdings hat Facebook seine Suchfunktion erst letztes Jahr wirklich nutzbar gemacht und indexiert nun alle Inhalte im Netzwerk. Eine beeindruckende Aufholjagd von Facebook. Und das Soziale Netzwerk ist dabei nicht auf den Zugang zu den Inhalten von Drittanbietern angewiesen.
Ist heute noch die Google Suche der Startpunkt für die meisten Recherchen, könnte Facebook bald die erste Adresse für das Aufstöbern von Informationen sein. Facebooken statt Googlen.
Ähnlich sieht es bei der proprietären Konkurrenz für Gmail aus. Geschlossene Systeme sind auf dem Vormarsch, bieten ein besseres Nutzererlebnis und passen sich schneller aktuellen Trends an. Sie sind direkter, effizienter und so mancher Teenager sieht keine Notwendigkeit mehr darin, überhaupt eine zu besitzen. Auch im Unternehmensbereich hat der Erfolg von Slack und Konsorten gezeigt: Der offene Standard der Email, der es ermöglicht, dass jeder einen Email-Server im Wohnzimmer aufsetzen kann, ist auf dem Rückmarsch. Messenger ersetzen Emails bereits in weiten Teilen und wieder ist ein Spieler Google Meilenweit voraus: Facebook.
Googles weitgehend erfolgloser Versuch: Google+
Google ist ein Meister der Informationen. Kein Unternehmen kann auf ein vergleichbares Repertoire zurückgreifen. Auch Technik kann der Konzern. Die Produkte sind stabil und man ist Qualität gewohnt. Aber kann Google auch social?
Man versucht es jedenfalls. Vielleicht ist Orkut ein Begriff? Wohl eher nicht, denn das Netzwerk lief in Deutschland weitgehend unter dem Radar, war allerdings bis zu seiner Einstellung vor zwei Jahren ein recht populäres Netzwerk in Indien und Brasilien. Bis Facebook es langsam aber sicher verdrängte und das obwohl Orkut bereits länger am Markt war. Und Google Wave? Ein kurzweiliger Versuch, die Email sozialer zu machen. Und dann natürlich Google+.
Ist Google+ tot, am sterben oder lebendig? Das fragen sich Techanalysten seit etwa zwei Jahren. Google+ war immer ein künstliches Produkt ohne natürliches Wachstum. In den Markt gedrückt mit der Reichweite, die eben nur Google besitzt. Den Nutzern wurde das Plus fast aufgezwungen – das Netzwerk sollte der alles vereinende Dienst bei Google werden. Die Nutzer waren und sind in großen Scharen auch da. 2,2 Milliarden Profile. Aber sie sind nicht aktiv. Beziehungsweise nur ein Prozent davon, Tendenz sinkend. Sie haben keine Lust, ihre Klarnamen, Geburtstage oder Fotos zu teilen und für einen regen Nachrichtenstrom zu sorgen. Sie fühlen sich nicht heimelig und der als Datenkrake verschriene Konzern kann sich das social offensichtlich nicht aufschminken.
Google: Schwere Zeiten ziehen auf
Was von Google+ mittlerweile noch bleibt, ist kein Soziales Netzwerk mehr. Es sind hervorragende Einzeldienste, die eben technisch toll sind, wie Google Photos oder Hangout, aber Google kann nicht social. Das sozialste was der Durschnittsnutzer bei Google macht – ist sich selbst zu googlen.
Google ist ein Unternehmen, das seinen Ursprung im Wilden Westen des Internets hat. Es liegt in dessen DNA, den Profit aus dem chaotischen Informationshaufen zu ziehen. Facebook hingegen hat sich sein eigenes Reich geschaffen. Umzäunt und kontrolliert mit einem begnadeten CEO. Es ziehen schwere Zeiten für Google auf – oder zumindest für deren Brot-und-Butter-Geschäft, den Anzeigen. Man darf bereits leise sagen: Google ist etwas aus der Zeit gefallen.