Mit Pavlok kann man sich angeblich blöde Angewohnheiten abtrainieren. Klingt gut. Doch die Erziehungsmethode fällt ziemlich krass aus: Starke Schmerzen und laute Flüche gehören zu den Folgen. Für den Test des „Anti-Wearables“ ging ich bis an meine Grenzen.
Machen wir mal eine klitzekleine Zeitreise. Am 9. Juli 2014 berichtete ich hier auf BASIC thinking über Pavlok. Das weckte damals mein Interesse. Auch wenn die Erfindung so aussieht, als wäre es ein typisches Fitness-Armband, so handelt es sich um ein Anti-Wearable. Denn anstatt den Besitzer für seine Taten zu belohnen, soll er bestraft werden, wenn er etwas nicht umsetzt. Und das mit Elektroschocks.
Die Idee klang so kurios und abstrus, dass sie mir schon wieder gefiel. Zudem bezweifelte ich, dass das Konzept wirklich die Marktreife erlangen würde. Ein Armband, das Stromstöße austeilt – wie blödsinnig ist das denn? Also schrieb ich den Erfinder an und bat um ein Pressemuster. Lange Zeit passierte nichts. Dann erhielt ich vor ein paar Wochen eine Mail, dass ein Testmuster auf dem Weg zu mir sei. Und kurz darauf meldete sich das Zollamt: Pavlok war da!
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Der Ersteindruck: Ernüchternd
Mit großer Vorfreude und Spannung öffnete ich den kleinen Karton. Einerseits, weil ich wohl einer der ganz wenigen deutschen Journalisten bin, der das seltsame Gadget erhielt. Andererseits interessiert mich brennend, was in den knapp zwei Jahren aus der seltsam anmutenden Idee wurde.
Der erst Eindruck fiel … nun ja … ernüchternd aus. Das Ding, das vor mir lag, sah nicht wie die interessante Designstudie aus dem Jahr 2014 aus (siehe Bild).
Mein Pavlok ist ein schwarzes, gummiertes Etwas, das ziemlich unscheinbar daherkommt. Nur die große Aussparung in Form eines Blitzes weckt das Interesse.
So funktioniert Pavlok: Die Theorie
Bevor es ans Testen ging, gab es vorher einen wichtigen Schritt zu erledigen: Pavlok muss geladen werden. Hierzu nimmt man die zirka 3,5 Zentimeter lange und 1 Zentimeter hohe Metalleinheit aus dem Armband und schließt sie mittels Micro-USB-Anschluss an den PC oder an eine andere passende Stromquelle an. Drei ständig blinkende LEDs zeigen an, dass der Saft fließt.
Während des Ladevorgangs machte ich mich nochmals mit der Funktionsweise vertraut, indem ich die offizielle Webseite studierte. Der Sinn von Pavlok ist es, den Menschen schlechte Eigenschaften abzutrainieren und sie zu guten Taten zu animieren. Das erfolgt nicht durch das Belohnungsprinzip, welches normalerweise bei Wearables zum Einsatz kommt, sondern durch Bestrafung.
Und das geht so: Immer, wenn man etwas Schlechtes oder Verbotenes tut, setzt es einen Stromschlag. Wieder nicht joggen gewesen? Blitz! Wieder zu viele Chips gemampft? Blitz! Zu lange auf Facebook herumgesurft? Blitz!
NSA am Armband?
So viel zur Theorie. Aber wie gestaltet sich das in der Praxis? Wie erkennt Pavlok, ob man gerade faul ist oder einer anderen Marotte nachgeht? Wertet die Companion-App die Verhaltsmuster aus? Lokalisiert Pavlok meinen Standort oder liest die App mit, wie lange ich auf Facebook unterwegs bin? Steckt eine kleine NSA-Einheit in dem 200 Dollar teuren Wearable?
Nein, Nein und nochmals Nein. Die App fällt in keinster Weise smart aus. Weder analysiert, noch schnüffelt sie. Sie dient lediglich dazu, um ein paar Einstellungen vorzunehmen. Zudem kann man hier nachlesen, wie man Pavlok in seinen Alltag integrieren kann. Schade.
Schmerzen und Schreie beim Testen
Und wie funktioniert Pavlok denn nun? Ganz einfach: Man muss selbst Hand anlegen! Genau: Der User soll aus freier Entscheidung heraus das Blitz-Symbol drücken.
Das tat ich und… AUTSCH!
Der Stromschlag fiel derart heftig aus, dass ich vor lauter Schmerz den Arm hoch riss und laut aufschrie. Darauf hin folgten ein paar üble Schimpfwörter, die ich hier lieber nicht niederschreiben möchte. Kann das wirklich sein? Hat mir Pavlok gerade im ernst einen derart heftigen Stromschlag verpasst? Ist das möglich?
Ich drückte ein zweites Mal… ARGH! Verdammt, das tut weh! Richtig weh!
Das Ding sorgt nicht – wie ich es eigentlich vermutete – für ein Kribbeln oder ein leichtes Blitzen, sondern haut einem einen heftigen Stoß in den Arm. Bis zu 450 Volt sind das laut dem Hersteller. Deswegen wird im Handbuch geraten, dass Kinder, Schwangere, Kranke und Tiere das Gadget lieber nicht nutzen sollten. Aber ich, oder wie? Bin ich denn blöd? Nun ja … zumindest bin ich neugierig und möchte mehr über die seltsame Erfindung und seine Wirkweise erfahren.
Also drückte ich erneut auf den Knopf und… AAAAAAH!
Und gleich wieder… UUUUARGH!
Egal, wie ich oft ich den Auslöser drückte: Bei mir stellte sich kein Gewöhnungseffekt ein. Stets schrie ich vor Schmerzen auf. Selbst, wenn ich über die App die Blitzstärke auf die kleinste Stufe stellte. Schon bald fühlte sich mein Armgelenk ganz taub an. Deswegen wanderte Pavlok in Windeseile dort hin, wo meine meisten Gadgets landen: In einer Schublade. Hier versteckte ich es ganz weit unten, so dass ich hoffentlich nie wieder auf die Idee komme, es noch einmal zu testen.
Fazit
Erziehung durch Bestrafung. Dieses Konzept klingt eigentlich nachvollziehbar, immerhin wenden Eltern das auch bei ihren Kindern an. Doch die Umsetzung ist bei Pavlok mehr als unterirdisch. Da wären zum einen die Stromschläge: Sie fallen derart stark aus, dass ich bezweifle, dass man so etwas frei verkaufen darf. Und noch weniger kann ich mir vorstellen, dass man so einen erzieherischen Effekt hervorruft.
Was mir ebenso nicht gefällt: Pavlok kostet 200 US-Dollar (umgerechnet ca. 175 Euro, zuzüglich Versandkosten und Zoll), doch es besitzt keinerlei smarte Komponente. Ich hätte erwartet, dass über das Smartphone gewisse Verhaltensmuster analysiert werden und so zu den Elektroschocks führen. Das ist aber nicht der Fall. Stattdessen erwirbt man für viel Geld ein Armband, mit dem man sich selbst proaktiv Schaden zufügt. So etwas spricht vielleicht S/M-Liebhaber an, andere Zielgruppen kann ich mir dafür nicht vorstellen.
Kurz: Pavlok kann meiner Meinung dahin verschwinden, woher es kommt – ab in die Hölle damit!