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Football Leaks: Die Whistleblower im internationalen Fußball

Football Leaks
geschrieben von Philipp Ostsieker

“Der digitale Wandel wird den Fußball-Transfermarkt durch einen simpleren Zugang zu Kommunikation und Informationen demokratisieren.” Diese These habe ich vor genau zwei Wochen im Rahmen der Reihe zur digitalen Transformation im Fußball geprüft. Während hier eher die aktive Nutzung neuer Chancen im Vordergrund stand, ist das Phänomen Football-Leaks relativ neu und für keinen der Beteiligten steuerbar.

500 Gigabyte an Dokumenten, erst ein Prozent veröffentlicht

Seit November 2015 werden auf Football-Leaks regelmäßig geheime Unterlagen aus der Fußball-Branche veröffentlicht. Das jüngste “Opfer” ist David De Gea von Manchester United, das bekannteste Gareth Bale bzw. dessen Klub Real Madrid. Prominenteste Fälle aus deutscher Sicht sind derzeit Toni Kroos, Mesut Özil oder Xabi Alonso. Im Fall Mesut Özil wurde der Vertrag von dessen Wechsel von Real Madrid zu Arsenal London veröffentlicht. Insgesamt fließen vermutlich ca. 50 Millionen Euro an den spanischen Top-Klub. Interessante Besonderheit: Sobald Arsenal London die Möglichkeit hat, Mesut Özil an einen anderen spanischen Klub zu verkaufen, besteht eine Informationspflicht gegenüber Real Madrid, damit diese ggf. mit einem Angebot gleichziehen können

„Solche Enthüllungen können auf Dauer das Verhältnis zwischen Vereinen, Verband und Beratern nachhaltig stören. Es kann zu einem Vertrauensverlust führen.“ – Bruno Hübner, Manager Eintracht Frankfurt

Seit Beginn dieses Jahres präsentieren sich nun auch die Macher hinter der Enthüllungsplattform den deutschen Medien, wie z.B. 11Freunde oder dem Spiegel – Interviews in Form von E-Mails. Die Identitäten sollen weiterhin geheim bleiben, über die Quellen wird nicht gesprochen, die Steuerung erfolgt über einen russischen Server. Aus dem Dunklen heraus möchte man wiederum “Licht in die Deals aus den Hinterzimmern” bringen.

Doyen Sports im Fokus

Als Konsequenz der Enthüllungen von Football Leaks wurde beispielsweise der niederländische Verein Twente Enschede wegen Verstößen gegen die Fifa-Richtlinien für drei Jahre für den Europapokal gesperrt. Dem Klub wurde ein Deal zum Verhängnis, den er mit der Investorengruppe Doyen Sports vereinbart hatte. In aller Kürze: Twente Enschede konnte seitens der Investorengruppe dazu gezwungen werden, Spieler zu verkaufen und verheimlichte dies dem niederländischen Verband.

Ohnehin scheint vor allem Doyen Sports als sogenannte “Third Party Ownership” im Fokus von Football Leaks zu stehen. Diese stellen eine neue Art Marktteilnehmer dar und sind vor allem darauf bedacht, statt traditioneller Methoden in Spieler zu investieren, diese schnellstmöglich zu verkaufen und eine entsprechende Rendite aus Ihrer “Investition” zu ziehen. Um nur einige Nachteile zu nennen: Schwächeren Vereinen werden unfaire Bedingungen aufgezwungen, die (ohnehin lose) vertragliche Stabilität zwischen Vereinen und Spielern leidet und die Spieler selbst werden zunehmend in ihren Freiheiten eingeschränkt.

Wer profitiert auf Dauer von den Enthüllungen?

Das Whistleblowing scheint kurzfristig erst einmal niemandem zu helfen. Die Neugier einiger Fans wird befriedigt, aber im Prinzip kann die Parallelwelt Fußball mit ihren astronomischen Summen keinen Fußballinteressierten mehr nachhaltig schocken. Dazu kann die bekannte Kritik an ähnlichen Portalen wie WikiLeaks herangezogen werden. Bei aller vermeintlichen Aufklärung zeichnet sich Football Leaks ebenfalls durch Anonymität und fehlende Kontrolle aus. Häufige Frage: Sind also nun die Geschäfte illegal oder die Veröffentlichungen?

Ein Offizieller, der sich mit den gleichen Themen auseinandersetzt, ist Mark Goddard. Als Geschäftsführer der FIFA Transfer Matching System GmbH, äußerte er sich gegenüber der Agentur AP folgendermaßen: „Für uns sind alle Arten von Informationen nützlich. Die Typen sind Abtrünnige. Es wäre besser, wenn wir eine nachprüfbare und transparente Quelle hätten.“ Das Ziel von FIFA TMS dabei ist es, die Integrität, Rechenschaft und Innovation auf dem globalen Transfermarkt zu fördern. Themen, die derzeit nur so mittelschwer mit dem Weltverband verbunden werden.

Football Leaks ist Teil einer Bewegung

Und dennoch: Football Leaks ist mit seinen Enthüllungen Teil eines Trends, der sich im professionellen Sport, insbesondere im Fußball, breit macht. Bei aller Begeisterung für die großen Events und ihren Stars steigt die Skepsis hinsichtlich Werten und Moralvorstellungen. Schon nach der Handball-EM schienen sich viele Sport-Fans statt ehrlichen, weniger populären Sportlern oder alternativ nach “der guten alten Zeit” zu sehnen. Ob früher im Sport alles besser war, sei dahin gestellt. Die Möglichkeiten, gezielt Informationen zu streuen, die sich über soziale Medien selbstständig verbreiten, sind zumindest eine große Möglichkeit für einen Weckruf an alle Beteiligten. Für Klubs geht es also durch seriöse und transparente Arbeit eher um Risiko-Vermeidung als um die Wahrnehmung von Chancen.

Spannend könnte es laut Ex-Profi Christoph Metzelder aber für die Fußballprofis selbst werden – zumindest perspektivisch. Die Spielervereinigung FIFPro forciert das Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit und visiert die Abschaffung von Transfersummen an. Zurück zur Eingangsthese: Auch wenn der Ansatz sicherlich etwas anders gemeint war, die Demokratisierung des Transfermarktes wäre mit dieser Entwicklung sicherlich vollständig erreicht.

Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.