Wir schreiben das Jahr 2014. Ich sitze mit einigen Freunden in einem iranischen Restaurant in Doha, Katar. Vielleicht ist es nicht ganz zufällig, dass mir mitten in der Wüste eines traditionell nomadischen Volkes zum ersten Mal bewusst wird, dass das Dasein als digitale Nomadin eine globale Lebensform ist.
Entweder kriminell oder plemplem
Wir sind eine bunt gemischte Truppe, die hier am Tisch sitzt: Eine Kanadierin, zwei US-Amerikaner, ein Däne und ich. Wie das so ist unter Weltreisenden, fangen wir irgendwann an über verschiedene Reiseerlebnisse zu sprechen und landen schließlich beim Thema „Einreise in die USA”. Interessanterweise haben fast alle von uns (einschließlich der Amerikaner) beinahe jedes Mal bei der Einreise Schwierigkeiten mit dem Grenzpersonal. Der Däne, der mit einer Amerikanerin verheiratet ist, hat jedes Mal Probleme, da er seinen Wohnsitz nicht mehr in den USA, sondern in Qatar gemeldet hat, aber trotzdem mit einem US-Resident-Pass einreist. Bei den beiden Amerikanern kommen stets viele Fragen aufgrund der vielen Stempel in ihren Pässen auf („Was hast du im Iran gemacht?“, „Warum reist du so viel in der Welt herum?“)
Bei mir ist es die Frage, warum ich jedes Jahr für drei Monate in die Staaten reise (obwohl es gesetzlich erlaubt und auch ohne Visum möglich ist). Meine verschiedensten Erklärversuche haben mich bisher jedes Mal unter Generalverdacht gestellt und ich kenne mittlerweile den speziellen Verhörraum im Flughafen von Fort Lauderdale wie meine Westentasche. Ich habe es erst mit der Wahrheit probiert: „Mein Freund kommt aus den USA, aber er lebt nicht mehr hier, deshalb besuchen wir ein Mal im Jahr seine Familie.“
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Das ging nach hinten los und ich wurde verdächtigt, ich wolle ich mir einen US-Pass über einen Mann angeln (warum die Amerikaner so paranoid sind, dass eine Deutsche ihre Staatsbürgerschaft für den ehrlich gesagt viel weniger attraktiven US-Ausweis aufgeben möchte, ist mir nicht ganz klar). Mein zweiter Versuch: „Ich arbeite online und reise durch die Welt“ war fast noch schlimmer. Hier stürzten gleich drei Beamte auf mich ein, um mich mit Fragen über meine Arbeit zu löchern und kamen schließlich zu der Schlussfolgerung, dass ich entweder illegal in den USA arbeiten möchte oder schlichtweg plemplem sei.
Selbst Facebook will, dass ich meinen festen Wohnsitz eintrage
Während wir so alle über unsere unterschliedlichen Geschichten sprachen, sagte mein dänischer Freund plötzlich: „Es ist komisch. Es gibt so viele Nomaden wie uns, die durch die Welt reisen und an anderen Orten arbeiten. Das ist fast schon der neue Standard für globale Bürger. Aber irgendwie scheint die Bürokratie der Staaten da nicht hinterher zu kommen.“
Hier begriff ich zum ersten Mal, dass nicht ich das Problem bei meiner Einreise in die USA bin, sondern die Beamten – beziehungsweise eine veraltete Bürokratie. Obwohl es tatsächlich mittlerweile eine beachtliche Weltgemeinschaft von digitalen Nomaden gibt, haben die meisten Staaten dies noch nicht verstanden. Alte, sesshafte Strukturen machen es digitalen Nomaden daher manchmal nicht so leicht, die Welt zu bereisen. Da wäre etwa die Frage nach mehreren oder gar keinem Wohnsitz, der Möglichkeit bürokratische Angelegenheiten digital abzuwickeln oder auch Themen wie Renteneinzahlungen oder der internationalen Anerkennung von Studienabschlüssen – um nur mal einige Themen zu nennen, die – so trocken sie auch sind – für viele Weltreisende (noch) große Hindernisse darstellen. Ist die Welt also noch nicht bereit für digitale Nomaden?
Dabei betrifft das nicht nur die langsam mahlenden Mühlen der Bürokratie. Selbst in so flexiblen und angeblich modernen sozialen Netzwerken wie Facebook, werde ich seit Jahren dazu aufgefordert, doch endlich bitte meinen Wohnsitz einzutragen. Die Option, mehrere Wohnsitze oder einfach eine nomadische Lebensform einzugeben, bietet Facebook gar nicht an. Einige wenige Länder wie Estland begreifen aber so langsam, dass Menschen immer mobiler werden, Wohnsitze keine feste Einheit mehr sind und ein Arbeitsplatz kein starrer Ort sein muss. Doch viele Länder sind von einer so flexiblen Einstellung noch sehr weit entfernt.
Erklären statt abschotten
Es ist natürlich auch nachvollziehbar, dass in einem relativ strikten (und auf seine eigene Weise doch von der Welt sehr abgeschottetem) Einwanderungsland wie den USA mobile Lebensformen, wie sie in der EU Gang und Gäbe sind, noch viel Misstrauen auslösen. Doch es ist eher das Unverständnis und der Unglaube der Grenzbeamten, die mir zeigen, dass die Lebensform der digitalen Nomaden noch nicht bei Otto Normalbürger angekommen ist.
Wer in der Gemeinschaft der digitalen Nomaden unterwegs ist, vergisst oft, dass die meisten Menschen immer noch sesshaft sind und unsere Lebensform für sie sehr exotisch und sogar verrückt erscheinen mag. Daher ist es entscheidend, dass wir uns nicht nur untereinander vernetzen und austauschen (so wichtig dies auch sein mag), sondern dass wir diese Lebensform, die uns alle so frei und unabhängig und glücklich macht, auch Nicht-Nomaden erklären, zeigen, und mit ihnen teilen.
Natürlich ist damit kein Missionierungsauftrag gemeint – nicht jeder muss und soll ein digitaler Nomade werden. Und es wird sicherlich noch viel Zeit vergehen, bis wir elektronische Visa im Internet beantragen können oder es so etwas wie einen Weltbürgerpass geben wird. Doch wenn wir wollen, dass die Welt mehr Verständnis für digitale Nomaden aufbringt und diese Lebensform als etwas „Normales“ begreift, müssen wir auch selbst etwas dafür tun. Je mehr die breite Öffentlichkeit über uns Digitalnomaden erfährt und versteht, umso mehr Freiheiten werden auch wir genießen.