Marinela Potor ist digitale Nomadin. Kein fester Wohnsitz, immer unterwegs, Leben auf Reisen. Für viele ein Traum, für andere ein Graus. Im Tagebuch einer digitalen Nomadin berichtet Marinela wöchentlich auf BASIC thinking von ihren Reisen, was es mit dem Leben aus dem Rucksack auf sich hat und warum es sich lohnen kann, auch mal über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Diesmal stellt sie euch einen Hotspot für digitale Nomaden vor, der stark im Kommen ist: Sucre, Bolivien.
Liebes Tagebuch,
Oft frage ich mich, was ist wohl der beste Ort der Welt für digitale Nomaden? Ich glaube, dass es darauf nicht eine Antwort gibt, sondern wahrscheinlich Tausende. Jeder digitale Nomade hat sicher mehr als einen Ort, an den er immer wieder zurückkehrt. Den perfekten Standort für digitale Nomaden gibt es einfach nicht. Barcelona hat Flair und einen tollen Strand, Berlin eine hippe Szene, Buenos Aires bietet Kultur pur und auf Bali kann man am Strand entspannen.
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Das Beste an all dieser Vielfalt: als digitaler Nomade kann man an all diese Orte reisen und sie für sich entdecken. Es gibt natürlich einige Faktoren, die fast allen digitalen Nomaden wichtig sind: gute Internetanbindung, ein innovatives Umfeld und ein gutes Verhältnis zwischen angenehmem Lebensstandard und niedrigen Lebenshaltungskosten. Alles andere, von der perfekten Welle bis zur Stadt mit den schönsten Mädchen, hängt von individuellen Vorlieben und Interessen ab.
Gemütliches Flair, Pudezucker-Häuser, spannende Menschen
Deswegen möchte ich euch auch nicht eine Liste der „besten Hotspots für digitale Nomaden” liefern, sondern euch nach und nach Orte vorstellen, die mich auf meinen Reisen verzaubert haben und die ich ganz persönlich anderen digitalen Nomaden empfehlen kann. Den Anfang macht Sucre in Bolivien. Sucre war einst die Hauptstadt von Bolivien und das spürt man auch heute noch an jeder Ecke. Auch wenn Sucre und La Paz sich offiziell den Hauptstadt-Posten teilen, wird La Paz von den meisten als die Kapitale des Landes gesehen. Das zeigt sich bereits in der Atmosphäre: Während La Paz laut, turbulent und stressig ist, kommt Sucre eher gemütlich und entspannt daher. Sucre ist zwar keine Kleinstadt, mit ca. 250.000 Einwohnern geht es hier aber deutlich relaxter zu als in La Paz, einer Stadt mit über 740.000 Bewohnern. Mit vielen bunten Cafés, kulturellen Veranstaltungen und einem durchgehend angenehmen Klima bietet Sucre eine ideale Mischung zwischen Gemütlichkeit und Lebendigkeit.
Ich war 2011 das erste Mal in Sucre und dann erneut in 2012. Ein französisches Ehepaar hatte mir von der Stadt vorgeschwärmt: vom guten Klima, von der kolonialen Architektur, von der angenehmen Stimmung in der Stadt. Ich hatte damals bereits angefangen, sporadisch als digitale Nomadin zu arbeiten und beschloss, mir die Stadt einen Monat lang anzuschauen. Das erste was mir auffiel: Sucre ist eine wunderschöne Stadt (zumindest die koloniale Altstadt). Das ist für Bolivien eher eine Seltenheit, wo oft das Geld fehlt, in Infrastruktur, geschweige denn Ambiente oder Dekor zu investieren. Doch Sucre macht ihrem Namen alle Ehre. Sucre bedeutet „Zucker“ auf französisch und beschreibt die weiß getünchten Kolonialgebäude, die wirklich wie mit Puderzucker übergossen wirken.
Sprache lernen? In Sucre kein Problem
Ich habe es nie geschafft, mich in den engen, verschlungenen Gassen so ganz zurechtzufinden und selbst nach einem Monat verlief ich mich noch im Zentrum. Ich glaube, ich habe mich auch nie so wirklich bemüht, mich zu orientieren, weil ich so jedes Mal ganz überraschend vor einem neuen kleinen Naturladen landete oder mich plötzlich im kühlen Garten eines Cafés fand. Einheimische, aber auch viele Expats, die es seit Jahren in die Zuckerstadt zieht, bemühen sich redlich darum, das malerische Ansehen von Sucre zu erhalten.
Das schöne Ambiente zieht nämlich nicht nur Touristen an, sondern auch viele Auswanderer und digitale Nomaden, die die Stadt mit neuen Ideen bereichern. So gibt es in Sucre einige internationale Restaurants, alternative Filmabende, Tanzschulen und Sprachaustausche. Es fällt so nicht schwer, andere Reisende oder digitale Nomaden kennen zu lernen, doch auch viele Bolivianer mischen sich begeistert in die kulturelle Szene, sodass man oft in kunterbunt gemischter Runde sitzt. So hat die Stadt auf mich nie zu touristisch gewirkt, aber immer offen und einladend für Neuankömmlinge. Wer Spanisch (oder auch Quechua) lernen möchte, wird hier darüber hinaus auch an jeder Ecke eine gute Sprachschule finden. Auch die Gegend um Sucre herum bietet viele interessante Ausflugsziele, wie den sonntäglichen Handwerkermarkt in Tarabuco sowie die Minenstadt Potosí oder auch die unglaublich beeindruckende Salzwüste von Uyuni.
Sucre macht es digitalen Nomaden sehr leicht
Sucre hat aber neben seiner einladenden Atmosphäre auch noch andere Aspekte, die die Stadt interessant für digitale Nomaden machen. Dazu gehört zum Beispiel der gute Transport und die niedrigen Lebenshaltungskosten. In der Stadtmitte kann man alles problemlos zu Fuß erreichen. Wer etwas weiter außerhalb wohnt, kommt mit den örtlichen Mini-Bussen, die an jeder Ecke halten, sicher und bequem fast überall hin. Eine Fahrt kostete 2012 umgerechnet etwa 10 Cent. Taxis sind ebenfalls sehr günstig. Zu meiner WG, die etwas weiter vom Zentrum gelegen war, habe ich umgerechnet 50 Cent bezahlt.
Nicht nur was den Transport angeht, auch wenn es um das Essen, Unterkünfte oder allgemeine Lebenshaltungskosten geht, ist Sucre wirklich spottbillig aus deutscher Sicht. Wer sein Gehalt in Euro oder Dollar verdient, kann hier entspannt leben. Ein Pärchen beispielsweise braucht schätzungsweise gut 700 Euro pro Monat.
Auch das Wetter macht Sucre zu einem einladenden Ort für digitale Nomaden. Dazu muss man sagen, dass Sucre eine Regenzeit (Oktober bis März) sowie eine Trockenzeit (April bis September) hat. Ich war in beiden Saisons in der Stadt und habe beides sehr genossen. Die Regenzeit brachte immer wieder erfrischende, kurze Schauer – die sich manchmal zu recht spektakulären Stürmen entwickeln konnten. Das war aber meist sehr kurzlebig und eine halbe Stunde nach dem Sturm schien schon wieder die Sonne. Kalt war es aber eigentlich nie. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt zwischen 18 und 21 Grad, die auch das ganze Jahr über konstant bleiben. Sucre liegt dabei relativ hoch, auf einer Höhe von 2800 Metern, wodurch die Sonne aber oft viel stärker wirkt als die Temperaturen vermuten lassen. Gerade die Höhe macht dem ein oder anderen anfangs zu schaffen, aber man gewöhnt sich schnell daran und wer Berge mag, wird Sucre lieben.
Internet? Es wird!
Die relativ unstabile Internetanbindung in Bolivien war fast der Grund, warum ich Sucre gar nicht erst als Hotspot für digitale Nomaden erwähnt hätte. Um die Dinge beim Namen zu nennen: Das Internet in Bolivien ist einfach nicht vergleichbar mit dem High-Speed-Internet in Europa oder den USA. Trotzdem ist Sucre eine unglaublich WLAN-freundliche Stadt. Fast jedes Café hat eine gute und stabile Internetverbindung, mit der man konstant Surfen kann. Auch mein WG-Modem hat damals gute Dietnste geleistet. Nur, und das ist das große Aber: Das Internet fällt in Bolivien immer wieder einfach mal ganz ohne Vorwarnung komplett aus. Mir ist es selbst in Sucre passiert, dass ein Anbieter einen Tag lang komplett kein Internet hatte. Digitale Nomadenfreunde aus Sucre haben mir auch bestätigt, dass sie mitunter große Probleme hatten, weil es immer wieder landesweite Internetausfälle gab.
Aber: In diesem Monat hat Boliviens Präsident Edu Morales seinen Entwicklungsplan für das Land vorgestellt, in dem auch das Internet massiv verbessert werden soll. Auch in Sucre sieht man bereits erste Zeichen: Mit der Installation eines Tupac Katari Satelliten und dem neuen 4G LTE Internet könnte die Stadt so bald zum neuen Mekka für digitale Nomaden werden.