Wer mit den Inhalten sozialer Netzwerke unzufrieden ist, sollte eine Zeitung zusammenrollen, am Ende festhalten, weit ausholen und sich vor die Stirn patschen. Mehrmals. Denn jeder sieht den Cocktail, den er sich selbst gemixt hat. Wer keine Zeitung besitzt: Mit einem Pizza-Karton geht es auch. Warum es meine Aufgabe ist, mich von Freunden zu trennen.
Soziale Netzwerke zeigen die Beiträge von Menschen und Unternehmen, denen ich mein Vertrauen geschenkt habe – wenigstens ein bisschen davon. Ausgeklügelte Algorithmen filtern und priorisieren, nehmen uns einen Teil der Wahl ab. Dazu kommen bezahlte Beiträge, von denen Werbetreibende glauben, dass sie mich interessieren müssten – das schlussfolgern sie aus den Daten, die ich hier und da aktiv und passiv hinterlassen habe.
Hier möchte ich mich mit den Freundesinhalten beschäftigen. Die unbequeme Wahrheit lautet: Wer jammert, dass auf Facebook & Co. nur Müll gepostet wird, der hat beim Netzwerk-Aufbau Fehler gemacht. Die gute Nachricht: Solche Fehler muss nicht ewig sühnen, wer bereit ist, seine Freundesliste aufzuräumen. Denn es gibt keinen Grund, eine Facebook-Freundschaft oder eine andere Verbindung auf sozialen Netzwerken aufrecht zu erhalten, wenn man von den Beiträgen einer Person genervt ist oder sie einen nicht interessieren.
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„Gute Freunde kann niemand trennen“?
Im „richtigen Leben“ ist das ungleich schwieriger. Spätestens nach der Grundschule ist das kinderleichte „dann bist du nicht mehr mein Freund“ gesellschaftlich kaum mehr umsetzbar. Wer eine Freundschaft aufkündigen will, muss je nach Alter, Sozialisation oder Charakter des Verlassenen mit durchheulten Nächten, schwerem Kater oder Mobbing-Angriffen rechnen.
1967 sang der einzig wahre Kaiser für die Fernseh-Lotterie „Gute Freunde kann niemand trennen“ – ein Highlight analoger Zeiten, als der Status „Freund“ eine andere Qualität hatte. Wir ahnen mittlerweile, wie der heutige Spitzenfunktionär Franz Beckenbauer das gemeint haben könnte und wer weiß, ob sich der Sepp und der Franz noch ganz woanders wiedersehen. Doch hier geht es nicht um Fußball. Hier geht es um Social-Freunde, von denen jeder sich trennen kann.
Digitales Bürgersteigwechseln
Wie oft höre ich Klagen über die Oberflächlichkeit und Idiotie sozialer Netze. Häufig richten sich die Beschwerden dann auf einzelne Personen: Was dieser oder jener doch für Unsinn poste: Katzenbilder, Spaßvideos, Sinnsprüche. Gerade in Zeiten „politischer“ Debatten, die von beiden Seiten ebenso angsterfüllt wie verbissen geführt werden, stößt vielen Menschen bitter auf, was durch ihre Timeline schwappt.
Das muss niemand ertragen.
Ich bemühe da gerne eine Analogie aus dem richtigen Leben: Wenn mir auf der Straße jemand entgegenkommt, der mir unheimlich ist, dessen Hund mir Angst macht oder mit dem ich aus sonstwelchen Gründen nicht den Bürgersteig teilen möchte, wechsle ich die Straßenseite. Ganz einfach. Noch nie musste ich mich dafür rechtfertigen.
Entfreunden is not a crime
Und so ist es bei Facebook auch. „Als FreundIn entfernen“ auswählen. Geht bei anderen ähnlich und schon herrscht Ruhe. Niemand kann das sehen, zumindest gibt es keinen Hinweis. Bei Facebook gibt es sogar noch eine Light-Version des Liebesentzugs, da kann ich nämlich auf der Profilseite „nicht mehr abonnieren“ auswählen. Die Stummschaltung 2.0 lässt die Verbindung zu jemandem bestehen, bringt ihn aber – aus eigener Sicht – zum Schweigen.
Ich könnte aus dem Stehgreif und ohne zu atmen mindestens 50 Namen listen, die ich im echten Leben gerne stummschalten möchte, aber auch da genügt es zum Glück, bestimmte Kanäle einfach nicht anzusteuern, um nicht zu wissen, dass die Katzenberger eine Schwester hat, wer nach Stoiber bayerische Petitessen verantwortet oder wessen Trompete gerade alpentümliche Schlagersternchen betört.
Jeder ist für sein Netzwerk selbst verantwortlich. Es ist meine Aufgabe, mein Netzwerk zu gestalten. Sollte das bisher nicht geklappt haben, bei wem beschwere ich mich am besten, wenn nicht bei mir selbst?
Facebook-Freundesliste: Mach’s dir selbst
Ich habe in meinem Facebook-Freundeskreis einen Philosophie-Professor, einen hohen Würdenträger des Mainzer Bistums und eine nigerianische Politikerin. Da sind Oberbürgermeister, Abgeordnete und Minister. Da sind Wirtschaftskapitäne, Spitzensportler, Redner. Da sind Millionäre, Musiker, Handwerker und (Überschneidungen nicht ausgeschlossen) viele, viele nette Menschen. Und all das hat einen guten Grund: Weil ich das so will (und die anderen selbstredend auch).
Viele meiner aktuell 1.858 „Freunde“ auf Facebook kenne ich persönlich. Manche aus anderen Leben, einige sehe ich regelmäßig. Viele kenne ich nur virtuell – und doch habe ich eine Verbindung mit ihnen, weil wir mal die Klingen gekreuzt, über die gleichen Witze gelacht, den Beitrag eines gemeinsamen Freundes debattiert haben oder uns aus einem andere Grund interessant fanden.
Schutz vor zu viel Dummheit
Stolpere ich über einen „Freund“, den ich nicht erkenne, ist er nach einer ganz kurzen Prüfung weg. Wenn ich von einem Freund mehr als einmal zu einem Spiel eingeladen werde, ist er weg. Wenn ich Beiträge unerträglich finde, ist er spätestens beim zweiten Mal weg.
Das tut so unglaublich gut. Nicht in dem Moment, es sei denn, eine solche Aktion soll ein persönliches Defizit in Selbstwert kompensieren. Nein, es tut über die Zeit gut. Weil ich mir jede Menge Ärger erspare. Weil mein digitales Leben nicht vor Schwachsinn und Dummheit überquillt – und zwar nach meiner ganz persönlichen Definition, die ich mit niemandem teilen muss. Und weil nach einer Weile konsequenter Anwendung dieses Prinzips mir mein Netzwerk Kraft, Mut und Inspiration spendet – und mich nicht deprimiert, ärgert und ermüdet.
Der Autor: Für „Guidos Wochenpost“ schreibt Guido Augustin über tolle Texte, mehr Geschäft und ein schöneres Leben.