Marinela Potor ist digitale Nomadin. Kein fester Wohnsitz, immer unterwegs, Leben auf Reisen. Für viele ein Traum, für andere ein Graus. Im Tagebuch einer digitalen Nomadin berichtet Marinela wöchentlich auf BASIC thinking von ihren Reisen, was es mit dem Leben aus dem Rucksack auf sich hat und warum es sich lohnen kann, auch mal über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.
Liebes Tagebuch,
wer sich zu einem Leben als digitaler Nomade entscheidet, gilt vielerorts (noch) als relativ exotisch. Die Idee, keinen festen Bürojob zu haben und seinen Lebensunterhalt digital zu bestreiten, findet zwar immer mehr Anhänger, ist aber an den meisten Orten dieser Welt sicherlich nicht die Norm. Da ist es nicht verwunderlich, dass man als digitaler Nomade häufig mit Fragen über seine Lebensform überrannt wird. Diese Fragen, die mir im Laufe meiner Zeit als digitale Nomadin gestellt werden, möchte ich hier nach und nach (versuchen zu) beantworten.
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Eine der häufigsten Fragen, die ich gestellt bekomme, ist:
“Sind alle digitale Nomaden Minimalisten?”
Wenn andere mich mit meinem großen und meinem kleinen Rucksack sehen und ich ihnen erkläre, dass das fast alles ist, was ich besitze, bleiben viele Münder offen. “Wie, du hast nicht mehr als das?” Nun ja, ich bin ganz ehrlich und gestehe, dass meine gesamten, heiß geliebten Bücher (und das sind VIELE) noch bei meinen Eltern auf dem Dachboden stehen, genau so wie einige wenige Kleidungsstücke von denen ich mich nicht trennen mag und die ich nicht immer auf Reisen mitnehme. Doch im Großen und Ganzen besitze ich tatsächlich sehr wenig. Für mich war dieser Minimalismus nie eine bewusste Entscheidung, sondern eher ein Prozess.
Was genau ist Minimalismus?
Minimalismus ist für viele ein Lifestyle, und anders als in meinem Fall, etwas, zu dem sie sich ganz bewusst entschließen:
“Minimalismus bezeichnet einen Lebensstil, der sich als Alternative zur konsumorientierten Überflussgesellschaft sieht. Seine Anhänger versuchen, durch Konsumverzicht Alltagszwängen entgegenzuwirken und dadurch ein selbstbestimmteres, erfüllteres Leben zu führen.”
Viele sehen das „Ausrümpeln” ihres Hab und Guts auch als Äquivalent zum Aufräumen in ihrem Leben. Die Idee, die dahinter steckt, ist eigentlich sehr simpel und wer sich noch an die Geschichte von Hans im Glück erinnert, dem mag das Ganze sehr bekannt vorkommen: Wer wenig hat, hat auch weniger Sorgen und wer sich weniger um seinen Besitz sorgt, kann freier und selbstbestimmter leben.
Ich kann nicht verallgemeinernd sagen, ob Menschen mit oder ohne Besitz glücklicher sind, aber ich halte es für eine gute Idee, sich ab und zu mal hinzusetzen und zu hinterfragen, ob all das was man angeblich haben „muss” auch wirklich notwendig ist. Das heißt nicht, dass alle gleich ihren gesamten Hausrat auflösen sollten. Aber, wer beispielsweise 50 Paar Schuhe im Schrank hat und eigentlich nur 5 davon trägt, kann sicherlich einige davon ausmisten oder spenden. Mein persönlicher Grundsatz beim Minimalisieren ist: Behalte nur die Sachen, die dich wirklich glücklich machen.
Wenn du etwas besitzt, das du eigentlich nicht magst, aber behältst, weil es ein Geschenk von Großtante Frida war, brauchst du es nicht wirklich. Jemand anderes würde sich vielleicht viel mehr darüber freuen. Meine Erfahrung ist auch: Wenn man mal seine Sachen richtig entrümpelt, kann man gleich freier durchatmen und schafft gleichzeitig auch Platz für Neues in seinem Leben – nicht nur unbedingt für Materielles, sondern vor allem auch für neue Erlebnisse.
Wer braucht schon High Heels im Dschungel?
Meine Reise zum Minimalismus war wie fast alles in meinem Dasein als digitale Nomadin – eher zufällig. Als ich mich damals nach Chile aufmachte, hatte ich einem großen Rucksack, eine Reisetasche, einen kleinen Rucksack, eine Laptoptasche und eine Handtasche im Gepäck. Ich habe dann relativ schnell gemerkt, dass ich das erstens nicht alles ständig schleppen will und zweitens vieles davon gar nicht brauche. Ganz ehrlich: Ich liebe meine hochhackigen Schuhe, aber auf Wanderungen in den Anden oder mitten im Dschungel kann ich damit nichts anfangen.
Und so wird bei jeder neuen Reise mein Gepäck kleiner und handlicher. Da ich keinen festen Wohnsitz habe, besitze ich auch weder ein Bett noch ein Auto oder einen Kühlschrank. Ich gebe ehrlich zu, dass ich mich ab und zu doch nach meinen eigenen vier Wänden sehne, in denen mein Bett und mein Kleiderschrank stehen, und zwar genau so wie ich es will und nicht, wie es jemand anderes eingerichtet hat. Aber ich empfinde es auch als sehr befreiend, sich von allerhand Krimskrams (denn mehr ist es im Endeffekt nicht) zu lösen und festzustellen, dass man all das nicht wirklich braucht. Wie viele reisende digitale Nomaden bevorzuge ich es, schöne Erinnerungen und Erlebnisse zu haben als eine Wohnung.
Minimalismus ist kein Muss
Doch natürlich reist nicht jeder digitale Nomade durch die Weltgeschichte und ich sage ganz klar: Müssen muss man auch als digitaler Nomade gar nichts! Dementsprechend gibt es digitale Nomaden, die minimalistisch leben und andere, die es nicht tun.
Es gibt keine festen Regeln für diese Lebensweise, denn jeder digitale Nomade baut sich seine Welt widewide wie sie ihm gefällt. Genau deshalb möchte ich an dieser Stelle auch andere digitale Nomaden zu Wort kommen lassen, die erklären, wie sie es denn so mit dem Minimalismus in ihrem Leben halten.
Conni von Planet Backpack
Conni hilft Menschen ortsunabhängig zu leben und zu arbeiten und gleichzeitig einen bewussten, gesunden und spirituellen Lebensstil zu führen. Sie ist die Gründerin von Deutschlands größtem Reiseblog Planet Backpack und Mitgründerin von Blog Camp, der Onlineschule für professionelles Bloggen. Conni ist außerdem zertifizierte Yogalehrerin, sie liebt das Surfen und lebt vegan.
„Als klassischer Digitaler Nomade, der um die Welt tingelt, kommt man nicht daran vorbei, sein Hab und Gut auf einen Rucksack oder Koffer herunterzuschrauben. Ich selbst reise nur mit Handgepäck und habe bei meiner Mutter in Bayern noch zwei kleine Kisten, das war’s. Wer Teilzeitnomade ist und seine Homebase in Deutschland behält, muss sich natürlich nicht komplett auf ein solches minimalistisches Niveau beschränken.
Für mich macht es aber wenig Sinn so viel zu besitzen, weil ich das ganze Zeug ja nicht um die Welt schleppen kann und auch nicht möchte. Für mich sind Erfahrungen mehr wert als Besitztümer, daher habe ich mir diesen Lifestyle ausgesucht. Ich möchte kein unnötiges Gewicht an materiellen Dingen in meinem Leben, das lenkt mich nur ab vom Wesentlichen: Dem Leben an sich.”
Sebastian von Off The Path
Sebastian ist auf der ganzen Welt zuhause, und liebt es, immer wieder neue Länder und Orte für seine Leser zu entdecken. Momentan lebt und arbeitet er mit seiner Freundin Line in Kapstadt, Südafrika. Auf seinem Blog teilt er seine Erfahrungen, gibt Reisetipps fern der gängigen Touristenpfade und regt andere dazu an, aus jedem Tag zu einem Abenteuer zu machen.
„Nein, man muss auf keinen Fall minimalist sein. Ich habe viele Jahre lang mein Zeug gehortet und habe viel zu viele Sachen zu Hause in Berlin gehabt. Meine Freundin Line und ich haben vor einigen Monaten in Deutschland alles aufgegeben und unsere ganzen Klamotten verkauft. Was übrig geblieben ist, sind drei Kisten und zwei Handgepäck-Rucksäcke!
Es ist von Vorteil, egal ob digitaler Nomade oder nicht, wenn man minimalistisch lebt. Weniger Sachen, bedeutet fast automatisch weniger Stress und mehr Freiheit, weil man sich über die ganzen Besitztümer keine Gedanken machen muss. Obwohl ich jahrelang nur mit Handgepäck gereist bin, habe ich auf dieser Reise auch ein Dufflebag dabei, weil wir viele Abenteuer vorhaben und etwas mehr Klamotten brauchen!
Egal ob Handgepäck, 70 Liter Rucksack oder Koffer, man muss nicht als Minimalist leben, um digitaler Nomade zu sein!“
Pia von MalMini
Pia Mester lebt und arbeitet als freie Journalistin und Autorin im Sauerland. Seit drei Jahren beschäftigt sie sich auf ihrem Blog und in ihren Büchern mit Minimalismus, Selbstverwirklichung, Persönlichkeitsentwicklung und moderner Lebenskunst. Gerade ist ihr neuestes Buch, Minimalismus trifft Kleidung, erschienen.
“Man muss als digitaler Nomade nicht unbedingt Minimalist sein, aber es macht die Sache wesentlich einfacher. Besonders, wenn man vorhat, viel zu reisen. Denn viel Besitz behindert da nur. In dieser Hinsicht müsste ich eigentlich nicht minimalistisch leben, weil ich zwar größtenteils ortsunabhängig und digital arbeite, aber das von zuhause aus. Wenn ich arbeite, dann arbeite ich. Und wenn ich reise, dann reise ich. Ich komme besser klar, wenn ich beides voneinander trennen kann. Wäre ich aber wirklich ständig auf Reisen, würde ich mich bemühen, seeeeeehr viel weniger zu besitzen als jetzt.
Minimalistisch zu leben und zu denken – vor allem mit Hinblick auf die Frage: „Was brauche ich wirklich?“ – macht einem den Start in die Selbstständigkeit auf jeden Fall leichter. Denn wer wenig (Geld) braucht, der kann sich mehr Zeit lassen, mehr ausprobieren und fällt nicht so tief, wenn es doch nicht klappen sollte. Und wenn ich eins gelernt habe in meinen vier Jahren als Freiberuflerin, dann dieses: Mit finanziellem Druck im Nacken trifft man schlechtere Entscheidungen. Es lebt sich viel gelassener, wenn man schon mit wenig zufrieden sein kann.”
Felicia, Gründerin der Digitalen Nomaden Konferenz, DNX
Feli hat als Backpacker, Globetrotter und digitale Nomadin über 45 Länder weltweit bereist. Ihr Wissen teilt sie auf ihrem Backpacking & Adventure Travel Blog. Darüber hinaus ist sie die Gründerin der DNX – Digitale Nomaden Konferenz und der DNX CAMPS – Coliving & Coworking für digitale Nomaden weltweit.
“Als digitaler Nomade muss man nicht minimalistisch leben. Viele digitale Nomaden sind aber in der Tat Minimalisten. Wer viel in der Welt unterwegs ist, merkt oft früher oder später, dass es lästig ist, zu viel Balast mit sich herum zu schleppen. Außerdem kann man fast überall alles besorgen wenn man doch mal etwas vermisst.
Je mehr Dinge und Verträge du besitzt um so mehr musst du dich auch darum kümmern. Besitz macht unfrei und Freiheit ist das größte Gut des digitalen Nomaden.
Viele Menschen haben die Illusion dass es sie glücklich macht viele Dinge zu besitzen. Die wichtigsten Dinge im Leben kann man sich aber eh nicht erkaufen. Digitale Nomaden haben in der Regel ein sehr cooles Mindset und ihnen ist es ziemlich egal, ob der Nachbar ein größeres Auto hat. Sie hinterfragen den Status Quo immer wieder. Im Zweifelsfall haben sie eben noch nicht mal mehr eine feste Wohnung.
Mich macht es auch im Kopf freier und kreativer nicht viel zu haben. Ich fühle mich einfach leicht und schwerelos. Fehlt mir etwas? Überhaupt nicht, der fehlende Platz wird durch neue Erlebnisse ersetzt. Statt viel zu konsumieren macht es mir viel mehr Spaß selber Sachen zu kreieren!”
Andrea und Chris von weggedacht
Andrea und Chris sind seit sechs bzw. zwei Jahren glücklich ohne 9 to 5 Job und bauen sich ihre Online-Existenz auf. Gerade haben sie ihr erstes gemeinsames Buch herausgegeben: Trotzdem Vegan.
„Das kommt vielleicht darauf an, wie man „digitaler Nomade“ definiert. Wenn es bedeutet, dass man mit all seinem Hab und Gut umherzieht, wie nomadische Hirtenvölker, dann ja. Für uns ist der Kern von „digitaler Nomade“ aber das ortsunabhängige Arbeiten – und das kann man natürlich auch, wenn man eine Homebase mit jeder Menge Kram hat. Minimalismus hilft aber sicherlich beim ortsunabhängigen Arbeiten. Als digitaler Nomade muss man seinen Tag und seine Arbeit selbst strukturieren. Da ist es von Vorteil, wenn man nicht so viel Kram, Ablenkung und andere Verpflichtungen hat. Minimalismus hilft uns dabei, einen klaren Kopf zu bekommen (und zu behalten) und fokussiert zu arbeiten.
Wir persönlich legen den Schwerpunkt nicht auf das Reisen, weil wir auch sehr gerne zuhause sind, sondern auf das ortsunabhängige Arbeiten. Das heißt, dass wir mit unserem Laptop oft vom Café oder der Bibliothek aus arbeiten, oder im Sommer damit auf der Terrasse sitzen. Der Minimalismus ist bei uns noch „work in progress“. Wir haben unseren Besitz schon sehr reduziert, sehen aber immer noch Ausräum-Potential in unserer Wohnung. Dabei bezieht sich „Minimalismus“ für uns aber nicht nur auf physische Dinge. Auch bei alten Ideen, unvollendeten Projekten etc. tut aussortieren gut. Es ist sicher schwer (das geht auch uns noch so), sich von einem unvollendeten, ehemaligen Herzensprojekt zu verabschieden. Aber wenn Du es HEUTE nicht mehr anfangen würdest, weil andere Sachen im Vordergrund stehen, dann weg damit!
Im Grunde bedeutet Minimalismus für uns, uns nur mit dem zu umgeben, was für uns aktuell wichtig ist und zu unserem glücklichen Leben beiträgt.“
Minimalismus ist also kein Muss, aber von vielen digitalen Nomaden die bevorzugte Daseinsform. Wie steht ihr zum Thema “Minimalismus”? Findet ihr diese Lebensweise befreiend oder könnt ihr damit nichts anfangen? Ich freue mich auf eure Kommentare!
Dann bis nächste Woche – aus irgendeinem Winkel dieser Welt,
Eure Marinela
P.S.: Kennst du schon unser neues Online-Magazin für digitale Nomaden, Reisende, Webworker und Querdenker? Nein? Dann aber schnell!