Heute beschäftigen wir uns mit einem Thema, das trotz gerichtlicher Entscheidungen durch den EuGH und den BGH immer noch für Verwirrung sorgt. Es geht um die Frage, ob Streaming erlaubt ist oder nicht. Leider ist die Rechtslage etwas komplizierter als es teilweise in der Presse zu lesen war. Daher nehme ich heute das Thema zum Anlass, um über die Rechtslage aufzuklären. // von Boris Burow
Streaming: Was ist das?
„Streaming ist wie Fernsehschauen, nur am Computer“. So wird Streaming oftmals definiert. Das ist im Prinzip auch richtig. Beim Streaming werden Audio- und Videodateien direkt beim Empfang wiedergegeben, bzw. es findet teilweise eine Zwischenspeicherung statt. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Datenstrom, den ich von einem Server abrufe und an meinem Client empfange. So sehr sich also Streaming und Fernsehschauen für den Laien ähneln, für den Juristen ist es ein himmelweiter Unterschied.
Der Jurist hat nämlich bei dem Thema „Fernsehen“, „Video“, „Musik“, „Film“ sofort das Urheberrechtsgesetz im Kopf. Das Urheberrechtsgesetz ist ein strenges Gesetz und schützt den Urheber erheblich bei der Verwertung seiner Werke. Wenn eine Handlung dem Urheberrechtsgesetz nicht unterfällt ist dies für den Konsumenten meinst positiv, da er weitreichende Möglichkeiten hat. Unterfällt ein Text mangels Schöpfungshöhe nicht dem Urheberrecht, kann ich ihn frei verwenden und muss niemanden um Erlaubnis fragen.
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Ist ein Werk (z.B. ein Buch, ein Film, Musik) urheberrechtlich geschützt, darf ich nur noch sehr wenig in urheberrechtlicher Hinsicht. Das Urheberrecht hat den reinen Konsum von urheberrechtlich geschützten Werken nicht geregelt. Das war auch nicht notwendig. D.h. wenn ich einen Film im Fernsehen anschaue ist das urheberrechtlich unbeachtlich. Höre ich ein Konzert ist dies auch urheberrechtlich nicht relevant. Schleiche ich also in ein Kino ohne zu bezahlen oder sitze ich in einem Konzert ohne eine Eintrittskarte gekauft zu haben, kann der Veranstalter mich vor die Tür setzen oder Schadensersatz verlangen – aber eine Urheberrechtsverletzung liegt nicht vor. Der reine Konsum ist eben urheberrechtlich nicht relevant.
Streaming vs. Fernsehschauen
Die Probleme entstehen aber wenn ich den Konsum nicht praktisch betrachte, sondern technisch. Praktisch gesehen schaue ich Fernsehen entweder mittels eines Fernsehers oder am PC. Hier würde niemand einen großen Unterschied sehen. Technisch gesehen ist Fernsehen nichts weiter als ein Signal, dass direkt am Fernseher angezeigt wird. Die einzelnen Pixel meines Fernsehers zeigen ein Bild direkt an. Beim Streaming wird technisch gesehen eine Kopie des Films in den Arbeitsspeicher geladen und ggf. eine Kopie auf der Festplatte zwischen gespeichert.
Das sind „Vervielfältigungen“ nach dem Urheberrechtsgesetz und beim Fernsehschauen kommen solche Vervielfältigungen eben nicht vor, da die Definition einer Vervielfältigung beim reinen Fernsehschauen nicht erfüllt ist. Plötzlich ist damit rein rechtlich ein himmelweiter Unterschied zwischen Fernsehschauen und Streaming zu machen. Denn ein rechtswidrig ausgestrahlter Film würde mich beim Fernsehschauen rechtlich nicht betreffen – abgesehen davon, dass das auch sehr unwahrscheinlich ist. Beim Streaming dreht sich die Legalität schnell um. Die meisten kostenlosen Angebote aktueller Filme und Serien werden wohl rechtswidrig im Netz sein. Wenn aber Streaming wie Fernsehschauen wäre, hätte ich nichts zu befürchten.
Zur Abgrenzung sei gesagt, dass im Gegensatz zum Streaming beim Filesharing (P2P-Netzwerke, Tauschbörsen) nicht nur ein Download stattfindet (ebenfalls eine Vervielfältigung) sondern auch ein Upload (ein Bereitstellen und damit Öffentliches Zugänglichmachen); dieser ist jedenfalls immer rechtswidrig, wenn ich nicht das Recht habe, den Inhalt in einem Filesharingnetzwerk zu veröffentlichen – dies dürfte bei aktueller Musik, Filmen und Software stets der Fall sein.
Streaming und die Rechtsprobleme
Wenn ich eine Webseite finde, die mir aktuelle Serien und Filme im Rahmen des Streaming anbietet, stellt sich die Frage, ob ich hier eine Urheberrechtsverletzung begehe, wenn ich den Stream starte. Das Gesetz gibt dem Urheber das alleinige Recht zu entscheiden, wer Vervielfältigungen durchführen darf und wer nicht. Wenn ich eine Software kaufe, erwerbe ich vom Urheber das Recht, die Software zu vervielfältigen, sofern dies für die Nutzung notwendig ist. Beim Streaming erlaubt mir der Urheber aber gerade nicht eine rechtswidrige Vervielfältigung vorzunehmen. Daher scheitert beim Streaming oftmals eine legale Nutzung daran, dass der Urheber gerade keine Erlaubnis erteilt, das Werk kostenfrei im Internet anzuschauen.
Privatkopie?
Der Gesetzgeber hat aber einige Ausnahmen geschaffen bei denen ich nicht den Urheber fragen muss. Das hört sich gut an, also ist zu prüfen, ob die Ausnahmen nach dem Gesetz vorliegen. In Frage kommt die sog. Privatkopie nach § 53 UrhG (Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch). Demnach darf ich für private Zwecke eine Vervielfältigung eines geschützten Werkes (z.B. des Films, den ich streame) herstellen. Die Einschränkung, dass diese Vervielfältigung keinem Erwerbszweck dienen darf, ist unproblematisch.
Allerdings gibt es eine weitere Einschränkung, die Probleme mit sich bringt. Ich darf keine Vorlage für die Kopie verwenden, die „offensichtlich rechtswidrig“ ist. Gerde die interessanten Streamingangebote sind aber als offensichtlich rechtswidrig einzustufen. Aktuelle Filme und Serien kostenfrei im Internet? Das darf ich nicht für rechtmäßig halten, da sind sich die Gerichte einig. Die Privatkopie ist also kein Ausweg aus der Situation.
Dann müssen wir den zweiten Joker ziehen, in der Hoffnung, dass dieser weiterhilft. § 44a UrhG erlaubt unter gewissen Bedingungen temporäre Kopien. Das hört sich vielversprechend an, geht es doch technisch beim Streaming um temporäre Vervielfältigungen. Allerdings verlangt § 44a UrhG neben weiteren Voraussetzungen auch eine „rechtmäßige Nutzung“. Damit scheidet § 44a UrhG auch wiederum aus.
EuGH: Streaming ist legal, aber . . .
Aber der EuGH hat doch Streaming für legal erklärt. Der EuGH hatte in der Sache AZ: C-360/13 zu entscheiden, ob das Anschauen eines Zeitungsartikels auf einer Webseite vereinfacht ausgedrückt unter § 44a UrhG fällt. Im Streitfall ging es um eine englische Webseite, aber da das Urheberrechtsgesetz weitgehend europäisch harmonisiert ist, kann man die Entscheidungen auch in Deutschland 1:1 anwenden. Der EuGH stellt fest:
Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass die von einem Endnutzer bei der Betrachtung einer Internetseite erstellten Kopien auf dem Bildschirm seines Computers und im „Cache“ der Festplatte dieses Computers den Voraussetzungen, wonach diese Kopien vorübergehend, flüchtig oder begleitend und ein integraler und wesentlicher Teil eines technischen Verfahrens sein müssen, sowie den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie genügen und daher ohne die Zustimmung der Urheberrechtsinhaber erstellt werden können.
… nur bei legaler Quelle
Nächste Woche besprechen wir dann das Thema „Framing“ (embedded content). Darf ich z.B. Youtube-Videos in meine Webseite einbinden oder kann das rechtliche Probleme mit sich bringen?
In der wöchentlichen Kolumne Boris berät beantwortet euch Rechtsanwalt Boris Burow eure Fragen zum Thema Internet-, IT- und Social-Media-Recht. Fragen? Immer her damit!