Immer mehr digitale Nomaden entdecken Medellín für sich: Die romantische Lage im grünen Ayurá-Tal, jeden Tag konstante Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad und eine gute digitale Infrastruktur sorgen dafür, dass immer mehr digitale Nomaden in Kolumbiens zweigrößte Stadt kommen. Während Medellín in den 80er und 90er Jahren vor allem als gefährliche Stadt unter Drogenbaron Pablo Escobar bekannt war, ist Medellín mittlerweile zur Vorzeigestadt des Landes geworden. 2013 gewann Medellín sogar den Preis als innovativste Stadt der Welt.
Vorgestellt: Die Spots für Coworking in Medellín
Auch wenn einige schon jetzt Medellín als neues Silicon Valley sehen, ist die Stadt davon sicherlich noch weit entfernt. Trotzdem zeigt die Stadt mit Programmen wie Ruta N, die digitale Start-ups unterstützen, dass sie fest entschlossen ist, die digitale Entwicklung nicht zu verschlafen. Ganz im Gegenteil, wenn man in Medellín unterwegs ist, hat man eher das Gefühl, dass die Paisas (wie die Einwohner hier liebevoll genannt werden) fest entschlossen sind, die digitale Revolution ihres Landes anzuführen.
Ein Zeichen dafür sind die vielen neuen Coworking-Möglichkeiten in der Stadt. Als ich vor drei Jahren das erste Mal nach Medellín kam, hatte noch nie jemand das Wort gehört. Jetzt schießen die Coworking Spaces wie Pilze aus dem Boden. Ich habe mir vier davon einmal genauer angeschaut.
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Epicentro
Mit fast drei Jahren auf dem Buckel ist das Epicentro die älteste Coworking-Räumlichkeit in Medellín. Geleitet wird sie von Mateo Robledo und Maria Castaño. Die beiden haben nicht nur sämtliche Ersparnisse, sondern auch Leib und Seele ins Epicentro gesteckt. Sie werden zwar von einigen Unternehmen in der Region unterstützt, sowie von der Universität EAFIT, aber das Geld für ihr Unternehmen hat Mateo fast ganz alleine aufbringen müssen. So ist auch fast alles im Epicentro in Eigenarbeit entstanden. Als industrieller Designer hat Mateo etwa nahezu sämtliche Möbel im Epicentro selbst gebaut.
Es fällt auf, wie offen und einladend der Raum ist. Und tatsächlich, als ich ins Epicentro komme, kann ich einen regen Austausch beobachten. Man schaut einander über die Schulter, tauscht sich über neue Projekte aus und im Epicentro sind schon mehrere völlig neue Kooperationen entstanden. Maria Castaño spricht daher auch lieber von einer „Familie” als von einem Geschäft. Derzeit arbeiten zwischen 40 und 50 Firmen im Epicentro, von Call-Centern über Architekten bis hin zu Künstlern, die im Epicentro ihren eigenen Raum haben. Diese Kombination von Onlinejobs und „handfesten Jobs“, wie Maria Castaño sie nennt, ist für das Epicentro sehr wichtig. So werden oft Ausstellungen im Epicentro gezeigt, Künstler werden eingeladen und das Epicentro veranstaltet auch Kinoabende im Garten. Während die Firmen hier tagsüber konzentriert arbeiten, gibt es abends oft gemütliche Runden. Bei meinem Besuch zum Beispiel, schmeißt Mateo etwa gerade den Grill für eine Abschiedsparty an.
Der freundliche Raum, die familiäre Atmosphäre und die fairen Preise ziehen viele Coworker an. Die meisten von ihnen sind Kolumbianer und kommen hier her, weil Freunde ihnen den Ort empfohlen haben. „Wir haben noch nie Werbung für das Epicentro gemacht und sind trotzdem immer komplett ausgebucht.“ Vor allem seitdem die anfänglichen Internetprobleme behoben wurden, arbeitet das Epicentro jetzt mit einem aufwendigen, aber reibungslosen WLAN-System. Für die Zukunft ist geplant, das Epicentro weiter auszubauen, um noch mehr Raum für Kunst und Technik zu schaffen.
Fazit: Egal, ob man sich im Epicentro als Coworker mit seiner ganzen Firma ansiedelt oder als einzelner digitaler Nomade mal einige Tage lang arbeiten möchte – das Epicentro bietet einen freundlichen Raum dafür.
AtomHouse
Das AtomHouse ist eins der beliebtesten Coworking-Orte unter ausländischen und reisenden digitalen Nomaden. Während das Epicentro vor allem etablierte kolumbianische Unternehmen bedient, ist das AtomHouse der Ort für Start-ups. Hier wimmelt es geradezu von kreativen jungen Köpfen. „Da hinten arbeitet ein Team an neuen Robotern und das ist einer der Mitgründer von Grooveshark, er hat das AtomHouse gegründet,“ erklärt mir Edgard Duque vom AtomHouse bei einem Rundgang. Ich kann kaum mithalten mit all den Namen, Personen und verschiedenen Start-ups, die im Coworking Space von AtomHouse arbeiten. Während das Epicentro eher ein Ort der Ruhe ist, komme ich mir hier ein wenig vor wie im Bienenstich. Manche digitale Nomaden arbeiten, indem sie mit ihren Laptops von einem Ort zum anderen wandern. Andere hüpfen wild von einem Büro ins nächste, im Obergeschoss wird gerade eine Modenschau für den Abend vorbereitet.
„Viele übernachten hier auch einfach“, sagt Edgard während er mir die Gemeinschaftsküche, die Hängematten und die Dusche im AtomHoue zeigt. Viele der Coworker hier fühlen sich offensichtlich zu Hause – sprichwörtlich. Wer auf der Suche nach kreativem Input ist, ist hier sicher genau richtig. Wer wiederum einen ruhigeren Ort zum Arbeiten sucht, mag da vielleicht Schwierigkeiten haben, auch wenn das AtomHouse natürlich neben den vielen offenen Arbeitsräumen auch geschlossene Räume anbietet. Neben den Start-ups arbeiten hier vor allem ausländische Unternehmen mit Sitz in Medellín. „In Kolumbien ist es unglaublich kompliziert als Ausländer Eigentum zu mieten oder zu kaufen. Kaum ein Start-up oder ein junges Unternehmen, das neu in ein Land investiert, hat das Geld und die Geduld dieses ganze Prozedere mitzumachen.“ Coworking-Räumlichkeiten wie das AtomHouse bieten hier eine kostengünstige Alternative.
Während ich von einigen gehört habe, dass das AtomHouse Schwierigkeiten mit seiner WLAN Verbindung haben soll, funktioniert die Verbindung bei meinem Besuch einwandfrei. „Es stimmt, ab und zu bricht unser System auch mal zusammen, aber es wird auch immer innerhalb von Minuten repariert – unser Ruf und unser Geschäftsmodell hängen schließlich auch davon ab.“
Das AtomHouse ist eindeutig darum bemüht, sich den Bedürfnissen seiner Coworker anzupassen. Sogar Hunde sind hier willkommen. Wer sich also von dieser lebendigen Atmosphäre und den Ideen anderer inspirieren lassen möchte, ist im AtomHouse definitiv am besten aufgehoben.
Fazit: Wer auf der Suche nach einem brummenden Coworking Space ist, sollte auf jeden Fall im AtomHouse vorbeischauen. Ein idealer Ort, um andere kreative digitale Nomaden kennenzulernen.
Laneros
Laneros ist zwar erst seit 6 Monaten als Coworking Space in Medellín geöffnet und hat noch nicht mal ein Schild an die Tür angebracht, ist aber jetzt schon komplett ausgebucht. Sebastián Osorio, einer der Gründer, erklärt, dass Laneros jetzt schon anfängt Gewinne abzuwerfen. Und tatsächlich, wer hier spontan mit seinem Laptop vorbeikommt, muss erstmal nach einem Platz suchen. Wer also gerne hier arbeiten möchte, ist gut beraten, vorher bei Laneros durchzuklingeln oder kurz eine E-Mail zu schicken, um abzuklären, ob noch ein Eckchen frei ist (Übrigens: Alle vorgestellten Coworking Spaces sind rasend schnell im Beantworten von Anfragen – eine absolute Seltenheit in Kolumbien). Wer gerne im Freien arbeitet, wird hier aber garantiert immer etwas finden, entweder in der Sitzecke im Garten oder auf den Hängematten im hinteren Teil des Gartens.
Laneros bietet seinen Coworkern Duschen, eine Gemeinschaftsküche und sogar eine Süßigkeiten-Ecke, wenn es mal wieder Zeit wird den Zuckerspiegel anzuheben.
Im Laneros gibt es keinen Wunsch, dem die Betreiber ihren Coworkern nicht erfüllen. Es gibt ein Hundekörbchen für Vierbeiner, eine Playstation für ein schnelles Spiel zwischendurch und ruhige Räume für alle, die konzentriert arbeiten wollen. Und auch auf ungewöhnliche Kundenwünsche gehen Sebastián und sein Team ein: „Seit neuestem arbeiten bei uns auch einige Programmierer, und die haben uns darum gebeten, ihre Tische so zu drehen, dass sie alle die Wand anschauen. Das haben wir dann sofort gemacht.“
Nicht nur der Kundenservice, auch ihre bestehenden Kontakte zur digitalen Gemeinschaft in Kolumbien haben Laneros in kürzester Zeit einen hervorragenden Ruf eingebracht. Die Laneros stammen noch aus Zeiten der LAN-Parties (daher der Name) und haben sich so bereits in Vor-Internetzeiten als Organisatoren von digitalen Veranstaltungen einen Namen gemacht. Was mich am meisten im Laneros beeindruckt, ist aber das wohl am feinsten ausgetüftelte WLAN der Stadt (Das Epicentro hat sich sein WLAN übrigens auch von Laneros neu installieren lassen). Laneros arbeitet nicht nur mit verschiedenen Routern, sondern auch mit einem Backup-System, das das Signal sofort auffängt, falls ein Modem mal versagt. Für Nutzer gibt es so nie Ausfälle – zumindest bis jetzt nicht. Das erklärt vielleicht auch die Atmosphäre von rauchenden Köpfen im Laneros.
Doch auch hier entsteht so langsam eine familiäre Atmosphäre. Einige haben ihre eigenen Stühle mitgebracht, im Garten hat eine Co-Workerin einen gemeinsamen Kräutergarten angelegt und im Laneros finden auch viele Veranstaltungen statt, vom Expertenforum bis zum Fußballabend. Doch eins fehlt Sebastián noch:„Wir hatten noch keine Zeit, die Räumlichkeiten zu dekorieren. Alles ist noch so weiß und kahl. Das wollen wir auf jeden Fall ändern, damit Laneros so richtig bunt wird.Und natürlich muss auch endlich ein Schild ans Haus!“
Fazit: Wer nach einem ruhigen Ort zum konzentrierten Arbeiten in freundlicher und entspannter Atmosphäre sucht, ist im Laneros bestens aufgehoben.
Cafe Ondas
Cafe Ondas hebt sich von anderen Coworking Spaces in Medellín vor allem durch zwei Dinge ab: Es ist der einzige Coworking Space, den ich gefunden habe, der nicht in den Stadtteilen Poblado oder Envigado ist (den Stadtteilen, in denen die meisten Unternehmen und Expats leben) und die Atmosphäre ist hier eindeutig mehr Café und weniger Business. Geleitet wird Cafe Ondas vom Australier Kit, der erst vor einem Jahr nach Medellín gezogen ist: „Ich wusste direkt, dass ich ein Geschäft hier aufbauen wollte. Erst dachte ich an Fitness, aber dann habe ich gesehen, wie toll die Stadt in dem Bereich aufgestellt ist. Da kam eine Freundin auf die Idee mit dem Coworking Space. Cafe Ondas ist dreigeteilt: Unten Café, im ersten Stock der Coworking Space und auf dem Dach ein improvisiertes Yoga-Studio.
Wer hier ein ganz seriöses Geschäftstreffen abhalten will, wird möglicherweise enttäuscht. Denn Cafe Ondas hat wirklich keinen einzigen geschlossenen Raum. Mit vielen plüschigen Sofas, einer Terrasse mit Aussicht auf die Hügel von Medellín und vielen Räucherstäbchen in der Luft, ist Cafe Ondas eher ein Raum für digitale Nomaden, die gerade nicht in Büro-Atmosphäre arbeiten wollen. Doch es gibt hier durchaus viele Annehmlichkeiten, mit denen man sich von einem langen Tag am PC erholen kann. Neben dem Coworking Space gibt es ein Fitnessstudio, die Gemeinschaftsküche lädt zum Kochen ein, wenn auch die meisten lieber direkt im Café ihr Essen bestellen, und jeden Mittwoch gibt es hier Yoga-Stunden. „Für mich ist das alles noch sehr neu und ich war erst unsicher, ob das alles so klappt“, erklärt der für einen Australier recht besonnene Kit. „Vor allem, weil die Lage hier so ungewöhnlich ist, wusste ich nicht, ob überhaupt jemand den Coworking Space nutzen möchte.“
Doch tatsächlich ist der Stadtteil Floresta und insbesondere Kits Cafe Ondas bei vielen Ausländern beliebt, die etwas Ruhe vorm geschäftigen Treiben in Poblado suchen. Er hofft, dass sich das schnell herumspricht, denn ihn begeistert die Kreativität und die Gemeinschaft, die vom Coworking ausgeht: „Einmal war es so, dass hier ein Holländer und ein paar Kolumbianer saßen und anfingen, über ihre Arbeit zu sprechen und auf einmal ganz neue Ideen für ihre eigenen Projekte bekamen. Davon würde ich gerne mehr hier sehen.“ Da Kit nur ein einziges WLAN-Modem nutzt, ist aber der Raum für Coworker begrenzt, da er allen eine gute Verbindung garantieren möchte.
Wer nicht für den Coworking Space bezahlen will, kann sich auch einfach mit seinem Laptop ins Café setzen und von hier aus arbeiten – mit nicht ganz so schneller, aber immer noch sehr guter Verbindung.
Kit möchte erst mal sehen, wie sein Coworking Space so anläuft, bevor er ans Erweitern denken will. Doch eine Idee hat er schon: Einen Retreat, nicht nur – aber auch, für digitale Nomaden. Fazit: Wer als digitaler Nomade etwas Abwechslung in seinen Bürotrott bringen will und nach einer relaxten Umgebung zum Arbeiten und Wohlfühlen sucht, dem sei das Cafe Ondas wärmstens empfohlen.
Wie sieht’s bei euch aus, habt ihr diese oder andere Coworking Spaces in Medellín schon mal selbst ausprobiert? Was haltet ihr generell von Coworking? Erzählt uns mehr über eure Erfahrungen!
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