Von Trash-Movies über Gadgets bis hin zu Weltraum-Abenteuern: Zahlreiche Projekte aus unterschiedlichen Genres werden auf Kickstarter angeboten. Wie gut kommt der deutsche Ableger, der genau vor einem halben Jahr startete, an? Sind die deutschen Crowdfunder damit zufrieden? Wir haben uns umgehört. // von Jürgen Kroder
Warum ist das wichtig?
Vor genau einem halben Jahr ist Kickstarter nach Deutschland expandiert. Seither hat man hierzulande nicht mehr viel vom US-Marktführer im Bereich Crowdfunding gehört. Grund genug, nachzufragen, wie es aussieht.
Mehr zu diesem Thema
- Von 0 auf 100: Kickstarter rüttelt die deutsche Crowdfunding-Szene auf
- Brief aus dem Berlin des Jahres 2096: Kickstarter-Kampagne zu „The Future Chronicles“ startet
- Exploding Kittens: Kartenspiel auf dem Weg zum größten Kickstarter-Projekt aller Zeiten
Es geht steil nach oben
Der 11. Oktober 2015 war ein bedeutendes Datum für Kickstarter: An jenem Tag überschritt man die Grenze von zwei Milliarden. So viel US-Dollar gaben die 9,5 Millionen Unterstützer insgesamt für über 260.000 Projekte aus. Dabei wurde die zweite Spenden-Milliarde dreimal schneller erreicht als die erste.
Neue Stellenangebote
Content Creator Social Media (m/w/d) Erlebnisbauernhof Gertrudenhof GmbH in Hürth |
||
Studentisches Praktikum – Video- & Social-Media-Marketing im Bankwesen (m/w/d) Taunus Sparkasse in Bad Homburg vor der Höhe |
||
Social Media Manager (m/w/d) NordwestLotto Schleswig-Holstein GmbH & Co. KG in Kiel |
Wenn man selbst noch etwas nachrecherchiert, sieht man zum Beispiel bei Similarweb.com, dass der Traffic von Kickstarter.com in den letzten Monaten auch einen Sprung nach oben machte: Das Crowdfunding-Portal legte von April bis September bei den Visits um rund 40 Prozent zu. Aktuell tummeln sich laut Similarweb pro Monat knapp 28 Millionen Besucher auf der Webseite.
Kickstarter Deutschland: Mediales Echo
Zusammengefasst klingt das nach einer Erfolgsgeschichte. Eine, die ich dem Team dahinter gönne, denn Kickstarter hat dem Thema Crowdfunding weltweit zum Durchbruch verholfen. Obwohl man in der Vergangenheit in Deutschland dem Thema eher kritisch gegenüber stand, scheint sich das gewandelt zu haben. Zumindest ist das mein subjektiver Eindruck, denn man hört und liest zunehmend über schwarmfinanzierte Projekte.
Das könnte auch am zweiten wichtigen Datum liegen – zumindest aus lokaler Sicht: dem 12. Mai 2015. An diesem Tag startete Kickstarter einen deutschen Ableger unter kickstarter.com/deutschland. Hier werden Projekte „made in Germany“ gebündelt. Zudem riss man eine wichtige Hürde für deutschsprachige Initiatoren ein: Die Abwicklung der Projekte kann nun über ein deutsches Konto erfolgen, als Währung steht auch der Euro zur Auswahl.
Dieses deutliche Entgegenkommen von Kickstarter gegenüber deutschen Erfindern und Unterstützern zog einen Hype nach sich. Viele der damals gestarteten Projekte heimsten stattliche Summen ein: Zum Beispiel kamen für den Wasserkocher „Miito“ rund 818.00 Euro zusammen, für das smarte Schloss „Nuki“ waren es 385.500 Euro.
(Miss-)Erfolge aus Deutschland
Auch in den letzten Monaten gab es ein paar Projekte, die (über)finanziert werden konnten. Von „Nuimo“, einem Smart Home Interface, über den B-Movie „Sky Sharks“ und das Bike-Connecting-System „COBI“ bis hin zu Weltraum-Spiel „Everspace“: Die Bandbreite der erfolgreichen Konzepte ist groß.
Wenn man sich nur diese Erfolge betrachtet, könnte man meinen, alles würde bestens laufen. Doch wie so oft gilt: Nicht alles was glänzt, ist Gold. Betrachtet man die Liste der deutschen Kickstarter-Projekte, sieht man gleich, dass es im letzten halben Jahr auch zahlreiche Flops gab. Wo es Licht gibt, fällt eben auch Schatten. Doch wie groß ist das Licht, wie groß der Schatten?
Kickstarter lebt durch sein US-amerikanisches Publikum
Schauen wir uns mal die Zahlen an. Nun ja, da stoßen wir schon an die erste Hürde: Kickstarter kommuniziert selbst auf seiner deutschen Presseseite nur die kumulierten, internationalen Daten. Die „deutschen“ Zahlen scheint man nicht gerne preis zu geben. Selbst auf unser Nachfragen bei der Pressestelle gab es keine Antwort.
Update: Die Pressestelle hat uns die Zahlen für deutsche Kickstarter-Projekte nachgereicht. Demnach sind 7,56 Millionen Euro als Pledges eingegangen, 158 Projekte wurden erfolgreich finanziert.
Dann muss man eben andere Quellen befragen. Zum Beispiel wieder Similarweb. Laut dem Datenaggregator stammen 45 Prozent der Kickstarter.com-Besucher aus den Vereinigten Staaten. Dagegen kommen nur drei Prozent aus Deutschland. Das ist nicht gerade viel, zumal nicht klar ist, ob sie sich auch auf der „Made in Germany“-Seite tummeln.
Woran liegt das? „Das Bewusstsein für Crowdfunding und dessen Power ist hierzulande noch nicht so angekommen wie zum Beispiel in Amerika, Australien oder Asien“, sagen Mina und Nemo von Meshable Watches. „Es wird sich viel zu wenig mit dem Thema auseinander gesetzt“, meinen die beiden Crowdfunding-Initiatoren weiter. „Wenn wir uns mit jungen Leuten (Mitte 20) unterhalten, merken wir, dass diese noch nie von Kickstarter gehört haben.“
Besitzt Kickstarter Deutschland wirklich keine Relevanz?
Ein weiterer Grund könnte sein, dass es bei Kickstarter Deutschland noch recht wenig Projekte gibt. Zumindest wenige, die aus meiner Sicht wirklich attraktiv erscheinen.
Doch das ist kein Nachteil, sondern eher ein Vorteil – sagt zumindest Adrian Geiger von Multiholz.de auf BASIC thinking-Nachfrage. Aufgrund der mittelprächtigen Konkurrenz hofft er, mehr Aufmerksamkeit bzw. Geld für sein Schreibtisch-Projekt zu erhalten. Aber eigentlich spielen die deutschen Kickstarter-Fans laut Geiger keine Rolle. Bei ihm kommen die meisten Interessierten über andere Wege auf seine Crowdfunding-Seite.
Hat Similarweb also recht? Gibt es wirklich so wenige Besucher aus der Bundesrepublik? Für unsere Recherche sprachen wir mit mehreren Leuten, die auf Kickstarter Projekte starteten. Der Tenor fiel stets gleich aus: Dass Kickstarter vor ein paar Monaten eine deutschsprachige Seite launchte, spiele fast keine Rolle. Das meiste Geld komme von Unterstützern aus der ganzen Welt zusammen.
Mangelhafter Support aus Übersee
Was wir auch immer wieder hörten: Kickstarter besäße kein deutsches Support-Team. Die Kommunikation und Abwicklung laufe weiterhin über die USA. Dementsprechend sind viele Informationen und Hilfetexte nur in Englisch verfügbar. Nicht nur das: Der Support scheint seinem Namen nicht gerecht zu werden. „Insgesamt ist der Kontakt zu Kickstarter eher schwierig“, erklärt Jan Theysen von King Art Games gegenüber BASIC thinking. „Es scheint dort kein allzu großes Team im Service-Bereich aktiv zu sein.“
Mangelnder oder kein Support – das ist das, was wir immer wieder hörten. Und das erlebte ich auch bei meiner Recherche. Es fehlt ein deutsches Impressum, eine Telefonnummer für Presseanfragen sucht man vergeblich. Stattdessen landete meine E-Mail in den USA, die Antwort erfolgte mit rund zwei Wochen Verzögerung. Nur Yazid Benfeghoul äußerte sich uns gegenüber positiv. Seine Kampagne von „Sky Sharks“ wäre von einem Projektmanager betreut worden. Ob das zufälligerweise daran lass, dass sein Projekt im Zeitraum des deutschen Kickstarter-Launches lag? Wir wissen es nicht.
Update: Laut Julie Wood, Director of Communications bei Kickstarter, handele es sich bei der Crowdfunding-Plattform um eine kleine Firma (118 Mitarbeiter). Alle würden ihr Bestes geben und die meiste Zeit darauf verwenden, die Erfinder zu unterstützen. Sie bestätigt, dass alles zentral aus Brooklyn (USA) koordiniert wird.
Reichweite ist das Wichtigste
Neben der geringen bis nicht vorhandenen Unterstützung hörten wir auch andere Kritikpunkte. So sei das Bezahlsystem noch alles andere als perfekt und eine Möglichkeit, ein Projekt in mehreren Sprachen anzubieten, fehle auch.
Trotzdem sind alle Befragten unterm Strich zufrieden. Immerhin sei Kickstarter die wichtigste und beliebteste Crowdfunding-Seite der Welt. Das waren für alle die wichtigsten Argumente. Worte, welche in Berlin nicht gerne gehört werden. Hier hat Startnext.com seinen Sitz. Der deutsche Konkurrent ist der Überzeugung, dass auch andere Aspekte wichtig seien – zum Beispiel ein guter Service und die passende Zielgruppe.
Kontrastprogramm: Service und Kultur aus Deutschland
Deswegen sei laut Anna Theil, Leitung der Kommunikation bei Startnext, der Deutschland-Start von Kickstarter kein großer Angriff gewesen. Man begrüße es eher, dass so das Thema Crowdfunding im Allgemeinen noch stärker in die Öffentlichkeit gerückt sei.
Und die Berliner schlagen – verständlicherweise – in die gleiche Kerbe, die ich vorhin schon erwähnte: „Wir beobachten, dass die Erfolgsquote der deutschen Projekte, die auf Kickstarter starten, relativ gering ist und nur recht wenige Projekte erfolgreich finanziert werden“, so Theil.
Kickstarter Deutschland ist also kein wirklicher Konkurrent für Startnext, so das Feedback aus Berlin. Nichtsdestotrotz setzt die Crowdfunding-Plattform „made in Germany“ auf eine andere Positionierung: Während man bei Kickstarter eher technische Spielereien vorfindet, engagiert sich Startnext mehr im sozialen und kulturellen Bereich.
Fazit: Nur Reichweite reicht nicht
Dass Kickstarter vor ein paar Monaten seine Fühler nach Deutschland austreckte, mag zwar ein paar Verbesserungen gebracht haben, richtig rund fällt das Angebot aber noch nicht aus. Besonders die fehlende Unterstützung und die geringe Relevanz der deutschen Community stoßen sauer auf.
Doch gleichgültig wie viel Negativpunkte ich auch hörte, die Conclusio fällt überall gleich aus: Kickstarter ist die größte und wichtigste Crowdfunding-Seite. Deswegen starteten alle aus Überzeugung hier ihre Kampagnen, um die größtmögliche Reichweite zu erhalten. Dass das aber nicht alles ist, beleuchteten wir ja bereits vor ein paar Monaten im Artikel „Das braucht man für ein erfolgreiches Crowdfunding-Projekt“.
Deswegen rät Jan Theysen, der mit „Battle Worlds: Kronos“, „The Dwarves“ und „The Book of Unwritten Tales 2“ schon drei Kickstarter-Kampagnen hinter sich hat: „Wer heute eine Kampagne macht, muss sich im Klaren sein, dass er selber die Unterstützer mobilisieren muss.“ Zusammenfassend kann man sagen: Kickstarter Deutschland scheint zwar ein guter Schritt für alle Beteiligten gewesen zu sein, aber es ist definitiv kein Garant für einen Crowdfunding-Erfolg.