M, Facebooks Antwort auf Siri, Google Now und Cortana, will Nutzern innerhalb des Facebook Messengers diverse Fragen beantworten und dabei seine drei größten Konkurrenten locker in die Tasche stecken. Aber wie viel künstliche Intelligenz ist dabei wirklich im Spiel? Oder anders: „Are you human, M?“ // von Tobias Gillen
Warum ist das wichtig?
Künstliche Intelligenz findet längst nicht mehr in Science-Fiction-Filmen statt. Die persönlichen Assistenten Siri, Google Now und Cortana sowie diverse wissenschaftliche Experimente beweisen zunehmend, was heute schon möglich ist. Facebook M gibt dabei vor, besser zu sein – scheitert aber am „Anti-Turing-Test“ eines Entwicklers.
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Facebook hat von vorne herein angekündigt, dass M nicht – wie etwa Apples Siri, Google Now oder Microsofts Cortana – autonom handelt. Klar war, dass Menschen unterstützen und M so in einer kleinen Beta nach und nach verbessert werden sollte. Verkauft und medienwirksam beworben wurde M trotzdem als große Entwicklung im Bereich künstliche Intelligenz. Das hat der Software-Entwickler Arik Sosman nun als Anlass genommen, M einer Art „Anti-Turing-Test“ zu unterziehen.
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Der Turing Test wurde 1950 von Alan Turing entwickelt mit dem Ziel, festzustellen, ob eine Maschine ein dem Menschen ebenbürtiges Denkvermögen besitzt. Dazu führt ein Mensch (C) eine Unterhaltung mit zwei ihm unbekannten Gesprächspartnern, davon ist einer ein Mensch (B) und einer eine Maschine (A). Kann der Fragensteller am Ende nicht eindeutig bestimmen, wer von beiden Mensch und wer Maschine ist, hat der Computer den Test bestanden. Damit wird ihm unterstellt, dass er „denken kann“ wie ein Mensch.
Der Anti-Turing-Test
Im Fall von Facebook M und Arik Sosman ist es etwas anders: Facebook M verkauft sich eben nicht als Mensch, sondern als künstliche Intelligenz. Dabei ist es für Menschen wesentlich einfacher, sich als künstliche Intelligenz zu verkaufen als umgekehrt. Entsprechend schwieriger dürfte es sein, zu enttarnen, ob hinter M nun Mensch oder Maschine sitzt. Arik Sosman hat es mit dem „Anti-Turing-Test“ versucht, den man in Zügen bereits als „Reverse Turing Test“ kennt. Dabei liegt bei Sosman wohl alles andere als ein wissenschaftliches Experiment zugrunde, vielmehr versucht er es mit Hartnäckigkeit, um M seine Menschlichkeit nachzuweisen.
Zunächst versucht er in wachsenden Aufgaben, M aus der Reserve zu locken. Anfangs noch mit der recht harmlosen Frage, ob dahinter ein Mensch steckt. Facebook M verneint das und gibt zu, was wir schon wussten, nämlich dass Menschen helfen, es zu trainieren. Diese Aussage und der immer wiederkehrende Hinweis auf die künstliche Intelligenz scheinen Sosman anzuspornen. Er glaubt daran nicht, aus mehreren Gründen:
- Die Zeit zwischen Frage und Antwort ist teils sehr lang
- M macht nicht selten Tippfehler
- M kann diverse Fragen beantworten, an denen die Konkurrenz (noch) scheitert
Facebook M scheint alles beantworten zu können
Also erhöht Sosman die Anforderungen und stellt M immer kompliziertere Fragen. „Um M an sein Limit zu bringen, habe ich ihm eine Reihe von komplizierten Aufgaben gestellt, die keine andere künstliche Intelligenz leisten könnte“, schreibt Sosman in seinem Versuchsprotokoll. So fragt er nach Wegbeschreibungen, Wetter, Tankstellen, Erinnerungen, Verkehr und vielem mehr in einer Frage. Die Antwort überrascht ihn:
Facebook M scheint absolut keine Probleme zu haben, jegliche Herausforderungen zu meistern, die man ihm stellt. Doch dann kommt Arik Sosman eine Idee: Er bittet M darum, eine Autowerkstatt zu kontaktieren. Den Namen wisse er nicht mehr, aber die Nummer habe er sich notiert. Er gibt seine eigene Nummer durch, wenig später klingelt es tatsächlich, doch es wird wieder aufgelegt, bevor ein Gespräch zustande kommt.
Der entscheidende Anruf
M klärt sofort auf, warum. Es liege daran, dass es eine Mobilnummer gewesen sei. Ob Sosman eine andere (Festnetz-)Nummer hätte, wird gefragt.
Sosman muss ausweichen, weil er keine Festnetznummer hat. Wenige Tage später, dann in seiner Firma, fragt er erneut nach einem Anruf, diesmal auf eine Festnetznummer. M solle herausfinden, ob die Firma Essenslieferungen akzeptiere. Das Telefon klingelt, die Nummer +1 (650) 796–2402 erscheint auf dem Display und wird Facebook zugeordnet. Es kommt ein seltsamer kurzer Dialog mit schlechtem Empfang und ruckeliger Qualität zustande, wie ein Video belegt. Trotzdem wird deutlich: Hier ist ein Mensch an der anderen Leitung.
Fazit: Mehr Mensch als künstliche Intelligenz?
Klar ist damit: Facebook M ist nicht so viel künstliche Intelligenz wie es vorgibt zu sein und wird offenbar mehr von Menschen unterstützt als es Facebook zugeben möchte. Das zeigen die Indizien (lange Antwortzeiten, Tippfehler), die unfassbare Zuverlässigkeit im Beantworten von hochkomplexen Aufgaben und letztlich die Anrufe. Dagegen wäre grundsätzlich auch nichts einzuwenden, wenn Facebook damit offener umgehen würde.
Die Idee, ein Langzeitprojekt wie M zunächst an einer kleinen Gruppe Beta-Tester auszuprobieren und Schritt-für-Schritt zur Perfektion zu entwickeln, ist ja vollkommen richtig. So erfährt Facebook am besten, vor welche Aufgaben M später mal gestellt werden wird. Aber M als künstliche Intelligenz zu verkaufen, die am Ende nur von Menschen „trainiert“ werde, ist in dem Fall wohl mittelschwer übertrieben.
Die Frage, die nicht beantwortet wird, ist allerdings, wie groß der Anteil an künstlicher Intelligenz heute schon ist und an welchen Punkten M eben schon ohne menschliche Hilfe auskommt. In jedem Fall dürfte M ein spannender Player bei den persönlichen Assistenten werden und den Wettbewerb zwischen Siri, Cortana und Google Now erneut ankurbeln.