Social Media Technologie

Die Geschichte von Blogs, Teil 3: 8 ausführliche Gedanken zur Zukunft der Blogs

Blogs Robert Basic
geschrieben von Robert Basic

BASIC thinking-Gründer Robert Basic ist zurück an seiner alter Wirkungsstätte und schreibt in einer dreiteiligen Serie über die Anfänge und die Geschichte von Blogs, Bloggern und einer sich wandelnden Technologie. // von Robert Basic


 Inhaltsverzeichnis


Der Dreiteiler neigt sich dem Ende zu und ich verspreche, ich werde euch mit dramatischen “ihr werdet alle sterben”-Szenarien verschonen. Blogs werden überleben, der Drang nach Selbstausdruck mit ihnen sowieso, doch die technischen Werkzeuge werden sich verändern. Mit der Aussage werde ich nicht falsch liegen, mutig ist das nicht. Versuchen wir uns in mehr Details. Folgen wir dabei einer Logik, die das Vergangene und das Heute mit einbezieht, um auf das Morgen abzuleiten. In anderen Bereichen nennt man dieses Vorausprojizieren Kunst, hier sagen wir einfach unaufgeregt Ausblick dazu. Beginnen wir zunächst mit zeitnahen Aussagen und wagen uns bis in ferne Zukunften vor.

1. Die Blogtechnik wird zum dominierenden Webseitenfundament

Ein Blick auf die mit Abstand populärste Blog-Software WordPress enthüllt eine unfassbare Zahl: Über 41.000 auf WordPress.org zur Verfügung stehende Plugins wurden rund 1,1 Milliarden mal heruntergeladen. Was die Anzahl verfügbarer Design-Templates angeht, reden wir von knapp 3.200 (Stand April 2015). Wovon die Hälfte Einstellungsoptionen anbieten, um das Design im Handumdrehen zu verändern.  Und dies sind nur die Plugins und Templates auf WordPress.org. Im Netz finden sich zahlreiche, weitere Stellen, die Designs und Erweiterungen kostenfrei oder für ein Entgelt anbieten.


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Diese Vielzahl an Design-Templates und Erweiterungen aka Plugins basiert auf einem Wettbewerb unter den zahlreichen Anbietern. Die wiederum von der großen Menge an Blog-Installationen angezogen werden. Wir kommen gleich dazu, wie populär Blog-Software geworden ist und nennen Zahlen. Unter dem Strich ermöglicht diese nicht zu unterschätzende Weiterentwicklung den Bloggern eine wachsende Wahlfreiheit beim Aufsetzen, Gestalten und Individualisieren ihrer Blogs. Zudem entdecken immer mehr Blogger, dass die chronologische Anordnung “das Neueste zuerst” keine Lösung für alles ist. Das war bis dato das optische Kernmerkmal der typischen Weblogs und wurde immer wieder imitiert. Das beliebige Arrangieren und Sortieren der Artikel wird zukünftig eher zum Standard werden. Resultat dieser Entwicklung? Ihr werdet sicherlich die eher magazinig aussehenden Blogs kennen.

Was leitet sich noch daraus ab?

  • In der Summe werden Blogs immer weniger als solche erkennbar sein. Das ist heute besonders bei größeren Blog-Projekten bereits zu sehen: Würdet Ihr sagen, dass Mashable oder MobileGeeks als Weblogs erkennbar sind? Es wird auch vermehrt kleineren Projekten angesichts dem Fortschritt in der Gestaltungstechnik zu eigen sein.
  • Es kann im Zuge der generellen Nutzung von Blog-Software sein, dass der Begriff “Blog” in Zukunft weniger als Ausdruck von “Ich”-Projekten verstanden wird (also dem Betrieb eines Blogs, wie wir es uns vorstellen), sondern zunehmend als ein flexibles Werkzeug, das den schnellen Aufbau von beliebigen Webseitenprojekten ermöglicht. Der Blogger bleibt begrifflich der Pilot eines Blogs, weitaus mehr User werden eben Seitenbetreiber aka Webmaster sein, eben nicht Blogger, nur weil sie eine Blog-Software nutzen. Es ist in der Tat nicht unwichtig, wie sich ein Werkzeug bei den Usern herumspricht und als was es verstanden wird. Warum? Siehe da:
  • Willkommen im Heute, denn es hat sich herumgesprochen, wozu Blog-Software gut ist, und wie : 25 Prozent aller Webseiten werden mit WordPress betrieben, also einem Blog-Tool! Insgesamt basieren knapp 27 Prozent aller Webseiten auf einer Blog-Software. Das zweitbeliebteste CMS („Content Management System„) ist übrigens Joomla, mit 2,8 Prozent. Was für ein gigantischer Abstand! Das ist eine unglaubliche Entwicklung, angesichts der schieren Anzahl von Webseiten und in der Kürze der Zeit, seitdem Blogs überhaupt populär geworden sind. Wer sich die einzelnen Innovationsschritte vor Augen hält, der weiß zum Beispiel, dass WordPress im Jahre 2003 erschien. Erst nach 2003 wurde dieser „Open Source„-Software in wenigen Jahren die notwendige Flexibilität eingehaucht, die es für Webseitenarchitekten und nicht nur für Blogger spannend machte. Wir können demnach von weniger als 10 Jahren sprechen, in der WordPress mehr oder minder den gesamten Markt für Webseitenbauer radikal aufmischte. Wenn man so will, haben nicht Blogs das Web erobert, sondern die Blog-Software wurde der klammheimliche Sieger. Wäre die Blog-Software sagen wir mal starr und unflexibel geblieben, wäre sie nie zur Gestaltung üblicher Webseiten herangezogen worden.
  • Damit ist eine Weiterentwicklung der Möglichkeiten ein Faktum, betrachten wir die immense Basis und die Größenordnung an Installationen. Sowohl Templates wie auch Plugins werden immer ausgefeilter. Die Nachfrage nach immer besseren Lösungen wird zunehmen und entsprechend abgedeckt. Letztlich ist es für die Bloggerwelt nur föderlich, dass wir ausgefeiltere Werkzeuge in die Hand bekommen. Zusätzlich wird es den Ruf nach schlanker Blog-Software verstärken, um Bloggern eben keine All-in-One Lösungen, sondern alternative Tools in die Hand zu geben. So oder so, unsere technische Basis und die Weiterentwicklungen im Rahmen moderner Anforderungen erscheinen damit mehr als gesichert.

Wait, ist das nicht etwas lahm und lame? Das soll eine Zukunft sein, weil Blog-Werkzeuge mehr Freiheiten bieten, eine Art Hammer für alles sind? Das Blog als olles und dröges „CMS“ aka Content Management System? Hey, niemand hat gesagt, dass alle Zukunften super aufregend sind. Technisch betrachtet kommen Blogs nicht im Batman-Kostüm daher und machen einen auf dicke Hose. Ich habe euch im ersten Artikel nicht umsonst davon erzählt, was Blogs auszeichnet. Primär die einfache Bedienbarkeit mitsamt Content-Pflege. Das war und bleibt der technische Clou an der ganzen Kiste, der absolut zu einem der Milestones im Internet gehört. Erst etwas später kam die Flexibilität hinzu, die riesige Auswahl an Templates und Erweiterungen, was zu dem besagten Siegeszug im Bereich Webseitenbau führte. Das Ökosystem Blog ist schon lange keine Nische mehr und ganz sicher kein Reservat ausschließlich für Blogger. Selbstverständlich bleiben damit der Aufbau und die Pflege von Webseiten auch weiterhin von diesem anwachsenden Ökosystem nicht unberührt! Diesen zentralen Aspekt galt es bei Trend-Aussagen nicht zu vergessen.

Kommen wir zu einem anderen, mir persönlich etwas drögen Thema:

2. Business-Blogs bleiben weiterhin Webseitenprojekte

Firmenblogs? Was wird mit denen? Hm… heute ist Content „King“, morgen wird Content „King“ bleiben. So suggeriert es uns die zunehmende Menge an Content-Marketing-Predigern. Ganz so, als gäbe es neue Erkenntnisse, dass gute Inhalte irgendwas mit Google und den Menschen machen. Bestenfalls bekommen sie  – die Leser – sogar einen persönlichen Bezug zu der Firma, die einen hochemotionalen, gar geilen Content erschafft. Meine Damen und Herren, wenn das alles an Erkenntnissen sein soll, wozu unternehmensorientierte Blog-Publizistik in den letzten zehn Jahren in der Lage war, kann ich dieses Kapitel kurz abhandeln.

Angesichts der weiterhin vorherrschenden Beratungstrends gehe ich nicht davon aus, dass sich Firmen trauen werden, mehr Persönlichkeit, neue Stile oder Formate zu wagen. Bei größeren Unternehmen liegt es auf der Hand, dass die Marke vor Mensch als Mitarbeiter geht. Also wird die Marke weiterhin zu uns Lesern „sprechen“, das klingt dann schon mal sperrig und wie durch 30 Abteilungshände durchgeschliffen. Oder von PR-Agenturen realisierten Content-is-King-Glattschliff-Artikeln, die niemandem wehtun, aber auch niemanden sonderlich erregen. Zudem werden bis heute Unternehmen nach hierarchischen, fast schon militärischen Maßstäben organisiert, die keinen kreativen Freiraum zur Entfaltung im publizistischen Sinne bieten.

Ich beklage das nicht, weil ich den Archetypus Blogger im Kopf habe, sondern stelle lediglich fest, dass wir aus Unternehmenssicht keine innovativen Blog-Konzepte erwarten können. Ich sehe in diesem Segment keine Veränderungen mit Leuchtturm-Charakter. Es gab keine Innovationen und es wird keine geben. Insofern bleibt es an den Einzelunternehmern wie bisher, die durchaus sehr erfolgreich ihre Blogs betreiben. Großunternehmen betreiben im Grunde Webseitenprojekte mit Super-Branded-Cool-And-King-Content. Eine spürbare Zunahme an Firmenblogs sehe ich zudem nicht wirklich. Dafür ist die Beschäftigung mit Social Media noch viel zu groß, was meistens mit „wir machen was auf Facebook“ endet.

Wer mich diesbezüglich zu der Zukunft von Firmenblogs challengen will, gerne, nur zu. Dann kommt aber bitte nicht mit ausgelutschten Beispielen wie dem Daimler-Blog. Wir erzählen uns seit 2007, dass dies ein Vorbild sei. Stimmt. Aber es gab seitdem nix, was dem nahekommt.

3. Wirtschaftliche Aussichten der Blogger

Wenn wir schon bei Firmen und Wirtschaft sind: Der Anteil der bloggenden Weblogger, die mit Gewinnerzielungsabsichten ins Netz schreiben, ist bei allen sporadischen Umfragen immer wieder recht hoch. Ich kann nur vermuten – mangels Studienmaterial –, dass die Menge an Bloggern steigt, die auch künftig ihr Haushaltseinkommen aufbessern möchten.

Es hat sich herumgesprochen und wird sich weiterhin herumsprechen, dass Einnahmen von bis zu 100 Euro pro Monat nicht mit irre viel Arbeit verbunden sind. Wer etwas mehr verdienen möchte, muss lediglich sein eigenes Köpfchen einsetzen, über die Standardpfade hinausdenken und kommt dann auch auf 500 bis 1.000 Euro je Monat. Was dann langsam schon mehr als nur nett ist. Alles darüber hinaus geht bereits in den professionellen Bereich. Ich sehe hier nach wie vor keine goldene Zeiten für Profi-Blogger heraufziehen, wo bestimmte Faktoren gar zu einem größeren Nachschub an weiteren Profiblogs sorgen. Blogs eben, die ihre Blogger ernähren und mehr als satt machen. Ich erkläre auch gerne die Faktoren, die nicht rosig aussehen.

Der Wettbewerb um Inhalteverkauf ist und bleibt beinhart. Das gesamte Umfeld zu verstehen ist nicht unwichtig, um deren Aussichten einschätzen zu können. Es ist nicht absehbar, dass sich an der Wettbewerbsintensität etwas ändert, der von Großverlagen dominiert wird.

Eher im Gegenteil: Es wird immer professioneller und die Einstiegshürden für hoffnungsfrohe Blogger werden immer höher, in die obersten Ligen zu kommen. Heute sind Großverlage längst genauso schnell wie Blogger, sie produzieren immer mehr, sie analysieren immer stärker, dynamisieren in realtime ihre Webseiten. Selbst größere Blogs kommen mangels Budget und Personalpower dagegen nicht an. Was jedoch absolut denkbar ist, dass die Menge an Blogs steigt, die sich Verlage unter den Nagel reißen, um diese hochzuskalieren. Tatsächlich können viele Blogger aus dem Profisegment von steigenden Anfragen sprechen. Nur um dahinzukommen, muss man sich erstens gegen andere Blogger bewähren und zweitens auch ein wenig mehr an Leserströmen vorbei an den Großverlagsseiten auf sein eigenes Blog umleiten.

Wer kein Gefühl für die unterschiedlichen Größenordnungen hat: Bei IVW findet ihr die Daten zu registrierten Seiten, die ihren Besucherstrom ausweisen lassen. Schnappt euch bekannte Seiten und vergleicht diese mit den Trafficdaten der Blogs, die sich in diesem Segment tummeln (da diese zu 99,99 Prozent nicht auf IVW gelistet sind, bemüht bitte SimilarWeb, die durchaus valide Daten ausspucken, ohne auf Punkt und Komma genau zu sein). Die Abstände sind immer noch groß, sehr groß.

War es denn jemals leichter? Im Vergleich zu damals? Die damaligen Verleger waren in meinen Augen weder Genies noch Business-Bestien. Sie kamen lediglich zur richtigen Zeit und fanden einen fruchtbaren Boden vor, der weder von Wettbewerb noch von konkurrierenden Informationskanälen geprägt war. Ihre Glaspaläste zeugen noch heute von dieser einstigen Zeit. Ihr Wettbewerb ist mittlerweile von einem Verdrängungskampf geprägt, nicht nur einem Kampf in der eigenen Branche. Sie sehen sich einer anderen Herausforderung als Blogger gegenüber: Wie werden sie die Übergangszeit bewältigen, mit sinkenden Printeinnahmen gegenüber langsamer ansteigenden Online-Einnahmen? Wie bestehen sie gegen neue Spieler, die sowohl den Absatzkanal (Amazon, Apple, Google,…) aber auch Verbreitungskanal (Google, Facebook, …) kontrollieren? Blogger werden von diesem Übergang nicht profitieren. Nicht im Wettbewerb mit den bekannten Verlagen, die voraussichtlich ein Oligopol zementieren werden.

Die Konkurrenz steigt

Es gibt allerdings kleinere Regionalverlage, die von dem Grundproblem sinkender Printeinnahmen wesentlich schlimmer betroffen sind. Zudem existieren die Kleinanzeigen-Könige, die ihre Regionen monopolartig in der Hand haben und ihre Anzeigenblättchen verteilen. Es kann durchaus sein, dass sich diese beiden Märkte so verändern, dass auch pfiffige Blogger in Lücken hineinstoßen, die sich hier auftun. Bis dato konnten sich allerdings Regionalblogger nicht wirklich in spürbaren Anteilen etablieren, wenn ich das richtig verfolgt habe. Immerhin bietet alleine der lokale Anzeigenblättchenmarkt 1,8 Mrd Euro pro Jahr an, der auch unter sinkenden Printeinnahmen aka Anzeigenumsatz leidet. Es bleibt spannend, welche tektonischen Verschiebungen zu Gunsten der Regionalblogger Märkte verwerfen.

Generell? Der Online-Werbeumsatz steigt, haben wir gelesen. Passenderweise gibt es gefühlt Produkt- und Testblogger in Massen. Passenderweise steigt das Online-Werbebudget, wovon einige Prozentkrümelchen dann auch in Blogger-Kassen landen. Anders gesagt: Mehr Weizen, mehr Kuchen, mehr Krümel. Der untere und mittlere Bereich an Blogs, die bis zu 1.000 Euro im Monat verdienen, wird weiterhin ansteigen.

Zugleich werden weitere Unternehmen diesen Kanal fast schon zwingenderweise für sich entdecken. Häufig ist dem keine innere Erkenntnis vorausgegangen, mit Bloggern zusammenzuarbeiten, sondern der Wettbewerb: “wenn die, dann wir auch”. Dieser Kreislauf wird eine breitere Basis erhalten.

Denkt dran, ich komme aus dem Damals und kenne die Zeiten, wo es weder Kreislauf noch Basis gab. Die Böden waren karg, Weizenanbau war eine harte Sache. Die Unterschiede sind sehr deutlich zum Heute, im Morgen werden diese Business-Logiken ebenso greifen. Und es kommen ständig neue Möglichkeiten hinzu. Erst jüngst wurden neue Verkaufsstellen von Inhalten gestartet, moderne Digitalkioske wie Blendle und Pocketstory (wo sich bereits heute schon Blogger anmelden dürfen, unter anderem BASIC thinking). Ob sie eine Bedeutung haben werden ist noch verfrüht zu sagen. Es bleibt aber dabei: Wer ohne pfiffige Inhalte und Formate nicht über den Durchschnitt hinausragt, wird keine Schnitte machen, sondern Krümel ernten.

4. Zukünftige Formate und Stile

Buchstaben und Texte, statische und bewegte Bilder, Töne und Musik. In allen erdenklichen Layoutformaten. All das haben wir als Blogger für uns natürlich entdeckt und daraus Inhaltewerke wie Mode, Erziehung, Watchblogs, Beauty oder Fotosammlungen erschaffen. Wir haben sogar Zeitungen mit unseren Formaten beeinflusst. Was wir damals Live-Blogging genannt haben, ist heute auch bei den klassischen Medien ein Standard zu Großereignissen geworden. Und auf eigene Art neu gemischt worden. Auch dieses Format blieb nicht stehen. Mittlerweile betreuen ein Live-Blog mehrere Personen. Einer schreibt die Fakten live herunter (17:03 iPhone hat nun copy&paste…, 17:05 iPhone kann nun Bluetooth, …), der andere kommentiert und ordnet die Informationen realtime ein, der Dritte beantwortet eingehende Fragen der Leser im Live-Blog. Das ist Düsenjet versus Fahrrad.

Formate und Stile sind wie Erfahrungen, die in das Erbgut übergehen und vererbt werden, nicht aber ohne Mutationen einhergehen. In diesem Sinne sind übrigens auch Blogparaden zu sehen. Einer gibt ein Thema vor, andere greifen es auf und bereichern es mit ihrem Blick. Blogparaden waren eine sehr junge Idee zu unseren Blog-Urzeiten. Heute sind sie längst ein Standard.

Ein weiteres Beispiel für eine sich ständig ändernde Blogosphäre: Oben habe ich euch Mashable.com genannt, was auch als Innovation für neue Formate betrachtet werden kann. Denn bis dato konnte noch kein Blog mit einem hohen Output an täglichem Content im Sinne der Übersichtlichkeit glänzen. Das chronologische Ablegen der Artikel war denkbar ungeeignet. Mashable bot nach einer Design-Umstellung den Lesern Orientierungspfade an: Was wird gerne gelesen, was besonders häufig, was ist stark im Kommen. Weg von „first in first out.“ Keine Riesenidee, eine Verfeinerung von Möglichkeiten, Content zu sortieren.

Wo publizieren Blogger künftig?

Das Bloggen hat sich in diesem Sinne steter Verfeinerungen seit den Anfangsjahren um die Jahrtausendwende stark verändert. Wir sprechen heute kaum mehr noch von Inhalten, die ein Blogger nur auf seinem Blog publiziert. Modernes Bloggen beinhaltet den Einsatz von Inhaltefragmenten auf allen erdenklichen Plattformen wie Instagram, Facebook, YouTube und Twitter. Um das Beispiel Live-Blogging aufzugreifen, kann ein Blogger während eines Events seine gesamten Eindrücke in Ton, Bildern und Texten fortwährend ins Netz stellen. Das war damals weder möglich noch denkbar, mangels Instrumenten (Fotokamera, Laptop, LAN-Anschluss, Handy, weder Apps noch soziale Plattformen) und dank der dürren Mobilfunk-Leitungen.

Hier zeigt es sich überdeutlich, wie Instrumente neue Formate ermöglichen und prägen. Auch die oben genannten Designmöglichkeiten haben dazu beigetragen, dass wir uns von kargen Textwüsten hin zu sozial vernetzten, lebendigeren Formen bewegt haben. Die auch, aber nicht nur in realtime Publishing ermöglichen. Selbstverständlich beeinflusst das Medium bzw. der Technikträger auch die Form und den Stil, wie wir bloggen. Nicht nur wie, sondern auch wo. Gerade mit der Frage, wo wir was in Zukunft publizieren, hat sich Matthias Schwenk ausführlich befasst: Blogs, Blog-Plattformen oder soziale Netzwerke: Wo publizieren Blogger künftig?

Die Betrachtung der Zukunft heißt auch, sich der Vergangenheit bewusst zu werden. Was bedeutet es, wenn immer mehr Blogs im Netz verfügbar sein werden, die schon seit 10, 20 oder 30 Jahren existieren? Gar von der zweiten Generation übernommen wurden? Wird ein neues Format “lebendige Geschichte” daraus entstehen? Blog-Lebensbücher für ganze Familien anstelle von Fotobüchern? Blogs, die nur zu wesentlichen Lebensereignissen befüllt werden? Absolut vorstellbar. Morgen werden wir Geschichte auch über Blogs nacherleben können, von “not so prominent persons”. Wird das unser Verständnis verändern, wo wir herkommen? Warum wir so leben? In einem Detailgrad, der kaum vorstellbar ist?

Was ändert sich durch mobile Zugriffe?

Wir können an vielen Stellen – wenn wir uns Zukunften vorstellen und Blogs in einen Gesamtkontext bringen –  nur sehr vage Skizzen zeichnen, was neu aufkommende Instrumente bewirken werden. Jeder kann sich gerne die Frage stellen, wie ein Blogger publiziert, wenn 3D-Brillen eines Tages en vogue sein sollten? Oder holographische Darstellungen, wie sie Microsoft mit Hololens demonstriert hat? Wie soll bittschön ein virtuelles, holographisches Blog aussehen? Was ist 3D Content? Ich weiß es nicht. Ihr? Ist ja auch ewig lange hin bis dahin. Ok, dann schieben wir es zur Seite. Halt, manchmal ist dieses „weit weg“ dennoch sehr nahe. Lest mal dieses da: New York Times Delivers Google Cardboard to Subscribers, Betting Big on Virtual Reality. Und schon sind wir im Heute, was wie eines fernen Tages erschien.

Mobil war auch so ein ferner Traum, heute längst Realität. Wie verändert sich das Bloggen mit immer weiterer Zunahme der mobilen Zugriffe? Bleibt es so wie bisher oder passt es sich auch dahingehend an? Immerhin wird das mobile Netz und das gesamte App-Universum zu unserem Internet, wie wir es nutzen. Machen wir dazu ein eigenes Kapitel daraus, wie es sich auswirkt.

5. Mobile Blogger-Leser-Welten

2007 kam das iPhone heraus. Ich sagte es bereits im ersten Teil, dass es alles veränderte. Die Tatsache, dass wir das Internet in der Hosentasche mitnehmen können, ist schlichtweg ein neues Kapitel. Nicht umsonst haben Giganten wie Google und Facebook fieberhaft alles getan, um nicht unter die Räder zu geraten. Denn dramatisch war deren Lage in der Tat. Sie haben mit gigantischen Unsummen Infrastrukturen geschaffen, gar eigene Hardware und Betriebssysteme (Android) entworfen, um Teil dieser Entwicklung zu bleiben. Hätten sie es nicht getan, was wäre aus ihnen geworden? Mehrere Skalen kleiner: Was passiert mit Blogs, die das mobile Internet ausignorieren und bloggen wie bisher?

Kommen wir Blogger zur gleichen Problematik wie einst die Zeitungen, die ihre Print-Inhalte ins Netz gekippt haben? Kippen wir unsere Inhalte in responsive Designs und damit mobil lesbare Texte? Reicht das? Welcher mobile User wird einzelne Blog-Seiten aufrufen, wenn der Nutzer an Apps gewöhnt ist? Wenn sie es dennoch tun, lesen sie gerne längere Texte auf kleinen Geräten in der Größe eines Smartphones oder Tablets? Kommentieren sie noch weitaus weniger? Sharen sie seltener? Warum? Was kann man dagegen tun? Wollen sie nur noch kurze Schnippsel? Ihr werdet es erfahren und erforschen. Stellt die richtigen Fragen, und fragen ihr müsst.

Ach ja, was ist mit den Apps… für ein kleineres Blog eine einzelne App anzubieten, das kann es nicht sein. Nutzungsanalysen weisen darauf hin, dass mobile User nicht mehr als rund 20 Apps regelmäßig verwenden. Ob deine Blog-App dabei sein wird? Am Rande, klar gibt es mittlerweile Erweiterungen, um im Handumdrehen eine App für Dein Blog zur Verfügung zu stellen. Nur ist die Frage, was es dem Blogger nutzt, wenn der Nutzer keinen Bock auf 30 Blog-Apps hat? Aber dafür hat er ja Feedly. Sicher hat er das. Wann aber macht es Sinn, sich Gedanken um eine eigene App zu machen? Sich keine zu machen, halte ich für einen Fehler.

Mehr bloggen statt Inhalte überlassen

Kommen wir zu den beliebtesten Apps von Facebook und Google. Sich als Blogger nur auf die fast schon zufällig anmutende Verteilung deiner Inhalte in den sozialen Medien zu verlassen, ist eine simple Auslieferung gegenüber den Spielregen von Facebook, die sich ständig verändern. Wie oft lesen wir denn, dass Facebook als Traffic-Lieferant immer wichtiger wird, auch andere soziale Medien? Werden wir uns als Blogger zunehmend darauf stützen? Woher wissen wir, wie in einem oder zwei Jahren die Facebook App aussieht? Was passiert mit dem Messenger? Whatsapp? Instagram? Das ist das große Facebook-Universum und euer Blog nur ein klitzekleines Pläsierchen, das sich irgendwie ein kuscheliges Plätzchen auf dem Facebook-Fell sucht. Auch die Belieferung von Lesern über Google verändert sich im Rahmen des mobilen Webs. Google hat allen Webmastern erst kürzlich deutlich vorgeschrieben, mobil lesbare Seiten zur Verfügung zu stellen. Sonst werden deine Inhalte in den mobilen Trefferlisten nicht mehr zu finden sein. Wir Blogger haben es da leicht: Mit einem mobilen Plugin ist das erledigt. Aber? Es geht die Rede um, dass mobile Suchanfragen nicht in der gleichen Menge wie auf dem Desktop erfolgen. Wenn das stimmt, wird der mobile Leserzulauf via Google per se auf Dauer geringer ausfallen.

You are not alone könnte man zu sagen geneigt sein, ihr bloggt eben nicht mehr nur nach euren Regeln. Ich bin aber kein Sascha Lobo, der einst auf der re:publica und im Spiegel forderte, dass wir alle mehr bloggen sollen, statt Plattformriesen wie Facebook unsere Inhalte zu überlassen.

Fassen wir die unsicheren Ausblicke zusammen: Blog-Apps sind womöglich eher etwas für bedeutende, größere Seiten. Facebook und Google sind als Trafficlieferanten mit Zunahme der mobilen Nutzung keine unbedingt sicheren Quellen. Zumal wir die Veränderungen und die Auswirkungen nach wie vor nicht exakt einschätzen können, die das mobile Netz mit sich bringt. Wir wissen noch nicht genug über das Leserverhalten der mobilen Nutzer. Ebensowenig ist genug über die App-Nutzer bekannt, die bestenfalls Blogs auf ihrem Radar haben sollen. Wer dazu Informationen hat, gerne her damit in den Kommentaren.

Was zukunftssehende Blogger in der Tat aktiv tun können? Spinnen wir etwas herum, wenn wir schon keine gesicherten Aussagen treffen können. Wer bei dieser Entwicklung nur passiv zuschaut, wird seinem Blog nichts außer Zufall gönnen.

Dauerpräsenz aufbauen per Periscope oder Snapchat?

Nehmen wir an, dass Blogger zu Personenmarken werden, je länger sie bloggen. Dann sollten sie überlegen, ob nicht eine Personal Branding App (was ein Name, aber im Deutschen klingt das noch unbesser) die geeignetere Wahl der Inhaltewaffe wäre. Statt Blogger-Content sowas wie  Sami Slimanis Frühstück? Was treibt Dagi Bee heute im Verlaufe des Tages? Wo waren sie und werden sie sein. Wie bekommt man Tickets zu ihren Events. Wo man Fragen zur Person stellen kann.

Der Rückgriff auf YouTube Stars fiel mir leichter denn Blogger zu nennen, die diesen Status schwerlich erreicht haben. Letztlich tragen aber Blogger zur eigenen Markenbildung bereits länger bei. Mit ihren verteilten Präsenzen auf allen erdenklichen Kanälen spielend. Ist das konsequent und fokussiert genug? Warum nicht weiterspinnen und das in einer eigenen App zusammenwerfen? Ist dieser gedankliche Ansatz nicht etwas zu chaotisch? Nun ja, war Musik denn jemals anders und haben Musiker nicht schon immer diverse Stile zusammengeklimpert, bis man von einem eigenen Stil sprechen konnte? Das Doofe: Eine App ist nicht billig, sie kreieren zu lassen komplex. Möglicherweise wird das eine App für alle erledigen?

Ob das aber genereller Bullshit ist, was ich sage? Lach, ich denke nicht. Es gibt einen Haufen Beispiele dafür, dass Blogger alles Erdenkliche tun, um eine Art Dauerpräsenz aufzubauen. Manch einer versucht das mit Periscope wie Sascha Pallenberg oder wie MC Winkel mit Snapchat.

Nicht reclaim your blog, sondern reclaim the world

Bevor wir jetzt alle auf eine App warten, die uns Blogger beim Frühstück zeigt, können wir selber aktiv werden. Ideen sehe ich genügend. Warum sollten sich nicht mehrere Produktblogger zusammenschließen und eine eigene App zu Produktbewertungen anbieten? Was hindert sie daran, dem Käufer im Rahmen der App auch eine Barcodescanner-Funktion in die Hand zu geben, mitsamt angedockten Content? Steht der Leser vor dem Regal im Supermarkt, könnte er doch lesen, was das Produkt auf dem Kasten hat. Einer von den Produktbloggern wird das schon bewertet haben. So neu ist die Idee letztlich nicht, aber eben nicht aus Blogger-Landen. Das mobile Internet ist da. Also verdammt nochmal, bespielt es, mischt es und nutzt es zu allem, was es bietet. Nicht nur als Wiedergabetaste für eure Inhalte.

Warum sollten sich demnach nicht mehrere Reisbelogger zusammenschließen und… warum sollten sich nicht Modeblogger und Beautyblogger zusammentun, warum nicht Autoblogger oder Fotoblogger… um… alles klar? Spielt, denkt, spinnt! Content mit Instrumenten und Funktionen verbinden, um via Smartphones und Apps etwas Neues zu formen!

Wie ich sagte, you are not alone. Apps sind da und gehen nicht weg. Smartphones auch nicht. Facebook ebensowenig. Es reicht nicht wie Lobos zur Verbloggung aufzufordern, sondern den Intellekt zu öffnen und sehen lernen, was einen umgibt. Sich nicht verweigern, sondern genau das nutzen, was da ist. Nicht reclaim your blog, sondern reclaim the world: Blogs sind keine Silos!

6. Weit entfernte Zukunften

Bleiben wir ruhig bei der mobilen Internetwelt, dem mobilen Netz in der Hosentasche. Wer denkt, dass Bloggen dadurch weitaus bequemer wurde, mag durchaus recht haben. Denn, nichts ist schöner, als sein iPad rauszuholen und was ins Netz zu hämmern. Was aber ist mit den Smartphones? Wer damit in der U-Bahn einen Artikel verbloggen will, der ist doch schon sehr hart im Nehmen. Das Gerät ist zu klein. Nicht ergonomisch genug. Bild machen und posten? Verlinken und Kommentar dazu verbloggen? Kann man machen, es dauert. Sprich, worauf ich hinaus will, sind immer noch bestehende Bedienerbarrieren. Die Nutzbarkeit der mobilen Instrumente ist noch weit davon entfernt, um nicht in 100 Jahren als merkwürdig anmutende Gerätschaften in Museen bewundert zu werden.

Was passiert, wenn wir eines fernen Tages keine Geräte mehr brauchen? Die wir nicht mehr in der Hand halten. Auch keine archaisch anmutenden Tower-PCs mit gigantischen Monitoren? Relikte aus alten Bedienerwelten. Es ist nicht schwer, sich das so vorzustellen, wie altertümlich sie anmuten werden. Ergo? Was bedeutet das für Blogger, wenn wir nur mittels unserer Sinne und Kraft unserer Gedanken bloggen könnten? Ist das denn soweit weg? Experimente in dieser Richtung gibt es schon längst. Auf Messen immer wieder gesichtet. Wenn die Bedienerbarrieren weiter gesenkt und vereinfacht werden, wird dann der Selbstausdrucksdrang des Menschen verschwinden? Ich denke, eher das Gegenteil wird passieren. Blogger werden mehr denn je – zum Glück und zum Leidwesen, je nach Sichtweise – weitaus intensiver bloggen. Sie können ihre Ideen und Eindrücke noch einfacher und vor allen Dingen schneller vermitteln.

Was passiert gar, wenn wir unsere Emotionen mit übertragen könnten? Klar wird es dann Feelgram, Feelsnap und Feelbook geben. Aber ebenso wird es Blogs geben, die Emotion mit Inhalt übertragen. Modefeeling? Beautyfeeling? Mamafeeling? Gesundheitsfeeling? Porschebeschleunigungsfeeling? Angereichert mit Informationen? Das wird einen neuen Urknall der Vernetzung und im Selbstausdruck des Menschen ergeben. Blogs werden einen Teil davon mittragen. Wissen und Information ist bis heute nie eine emotionslose Geschichte gewesen. Es fiel uns nur schwer, das in Text und Bild zu übertragen.

7. Konkret: Was ist zu tun?

Könnten wir aus den obigen Skizzen konkrete Ableitungen treffen? Probieren wir es:

  • Bildet und baut weiterhin Blog-Netzwerke aus, so wie die Energieblogger und die Reiseblogger es tun. Verteiltes und gemeinsames Arbeiten erscheint mir angesichts des Tempos, der Vielzahl an Content-Quellen, der zunehmenden Professionalisierung auch für kleinere Blogs spannend. Netzwerke fördern und unterstützen euch in vielerlei Hinsicht, um Content, Kontakte und Ideen auszubauen. Sie können auch Schutzeffekte vor externem Druck bieten! Das Grundprinzip ist recht einfach: Wo man alleine kaum Zeit hat, an allen Ecken und Enden sein Blog auszubauen, kann die gemeinsame Arbeit spürbar positive Effekte fördern. Fragt und erkundigt euch konkret, wenn ihr Details braucht. Ich habe hier nicht den Raum, darauf einzugehen. Es gilt: Wer in Zukunft Blog-Netzwerke bildet, wird zusammen mehr erreichen denn alleine! Ihr kennt das alle schon lange: Familie, Beruf, Freunde, Gemeinden, Staatenverbünde
  • Für monetär orientierte Blogger gilt der Punkt 1 ganz besonders. Es gelten aber noch mehr Aspekte: Baut eure Marke aus. Achtet darauf, das Design und den Contentstil mit der Zeit mitgehen zu lassen. Verändert das Layout regelmäßig in kleinen Schritten und alle Jahre immer wieder komplett, zeitgemäß. Passt den Content an die neuen Lesergewohnheiten an. Für Mobiles womöglich knackiger und kürzer (testen testen testen!!!). Nutzt die medialen Möglichkeiten, eure Inhalte aus diversen Quellen anzureichern. Auch qualitativ: Wer irgendwann nicht den Schritt macht, Fotografen, Schreibtrainer, PRler und Designer zu beauftragen, wird nicht wachsen, ohne den Content als Gesamtprodukt zu verbessern. Die „anderen“ werden immer professioneller. Bleibt nicht stehen! Die Zeiten, wo wir gemütlich unsere 08/15 Blogs nach vorne bringen konnten, sind lange vorbei, ende, over, aus.
  • Firmen kann ich nur empfehlen, weniger auf den Hype der Content-Marketeers zu hören, die den Inhalten die Seele herausanalysieren, sondern auf das zu setzen, was sie als Firma ausmacht. Ob es das Familiäre ist, die Kundenbindungen, die Mitarbeiterschaft. Es gibt stets einen eigenen Kern, also labert und denkt nicht zu weit herum, fokussiert euch stets auf das, was es aus diesem Kern heraus zu transportieren gibt. Das gilt besonders für Kleinunternehmen und kleinere Mittelständler, die weder die Zeit noch das Budget haben, superdupercoolcontent Quark aufzubauen. Und solltet ihr nichts entdecken, was euer Kern ist oder gar keinen Blogger inhouse finden, der mit innerer Motivation an die Sache herangeht, lasst das mit dem Bloggen. Es wäre nur verpulvertes Geld und Mühen. Ihr habt schlichtweg null Chance gegen die Millionen an Content-Quellen zu bestehen, wenn ihr nicht besonders und eigen seid. Solltet ihr generell im Web nicht zu finden sein, spielt ihr dort eben keine Rolle. Das kann schaden, es kann nutzen. Euer Denkproblem, ein sehr wichtiges Übrigens. Es gilt beim Denken: Seid keine Schafe, die der Herde folgen. Ob im Heute oder im Morgen. Ignoriert diese ObiWans mit ihren „du brauchst eine Facebook-Page, lass mich passieren„-Sprüchen.  Und wenn ihr was macht, macht es konsequent und zu eurer Firma angepasst. Klingt leicht, ist sauschwer. Pech, Unternehmerleben halt.
  • Achtet bei den sozialen Medien-Tools wie Instagram, Snapchat und weiteren Plattformen stets darauf, euch nicht zu sehr zu vergaloppieren. Die Anbieter bauen zur Zeit immer weiter eine Art von User-Silos aus, um User innerhalb ihrer Plattform zu binden. Das bedeutet auf Dauer unter Umständen weniger Leser für euer Blog. Entweder entkoppelt ihr die Logik „mehr Präsenz überall => mehr Leser“ und fahrt damit die Aktivitäten auf bestimmten Plattformen herunter, die euch zunehmend nur Arbeit machen, aber kaum noch Nutzen bieten. Oder aber ihr baut dort eigenständige Präsenzen auf, wo euer Blog keine Rolle spielt und fahrt die Blog-Aktivitäten herunter. Sprich: Es gibt keinen Zwang, an seinem eigenen Blog auf Teufel komm raus festzuhalten. Ein Blog ist eine Präsenz, die sich über eure Person und den Inhalt definiert. Person und Inhalt lassen sich in einer anderen Form auf Instagram oder YouTube aufbauen. Womöglich passt diese andere Form besser zu euch. Nicht alle sind gut im Texten. Und nicht alle Inhaltethemen passen zu Textformaten. So what! Nur müsst ihr euch dann eben mit den eigenen Spielregeln der Anbieter und den bereits bestehenden Kanälen der anderen User arrangieren. Ihr wisst ja, you are not alone.
  • Verlage leiden an Ressourcenmangel! Das eröffnet gute Gelegenheiten, in deren schwachen Flanken hineinzustoßen. Sie überlassen uns exzellente Landschaften, die sie nicht mehr beackern. Konkret? Obgleich sie ungleich mehr Budget und Personal als wir haben, sollen wir Blogger eine Chance haben? Man muss dazu eines verstehen: Topmedien produzieren tagtäglich zwischen 200-500 Postings auf ihren Seiten. Schön für sie, sie fluten damit regelrecht die Content-Landschaften. Umgekehrt bedeutet das einen erschreckenden Mangel an Tiefenbohrungen, an ausführlicher und ausgewogener Betrachtung. Sie haben keine Zeit dafür. Selbst ihre sogenannten Dossiers sind erschreckend schwach an Informationstiefe und -qualität. Das ist eure zunehmende Chance, die Verlage exakt da zu schlagen, was sie selbst von sich behaupten: Die Hüter der Qualität zu sein!
  • Es zeichnet sich deutlich ab, wo ihr Manko liegt und liegen wird. Auf der Jagd nach unfassbaren Clicks und Werbeeinnahmen, werden sie immer schneller, produzieren immer mehr, mit teils gewaltig teuren Medienformaten. Sollen sie blinken und glitzern. Glasperlen, keine Diamanten, betrachtet man die Summe! Der Langsamere – ihr – kann auf einem anderen Schlachtfeld gewinnen: Wenn ihr euch immer wieder für Content-Projekte zusammenschließt, Themen von A bis Z exzellent mit eurer Fachexpertise durchackert, werden die dagegen schlichtweg nicht ankommen, solange die Topverlage personell-organisatorisch anders aufgestellt sind.
  • Verteilte Tiefenbohrungen bedingen aber auch lange Vorlaufzeiten (ich spreche nicht von Monaten) und passende Werbemaßnahmen: Knallt das Ergebnis nicht den Usern urplötzlich vor die Füße. Kündigt an, haut kleine Teaser raus, bindet sie beim Werden mit ein, gestaltet eigene Landingpages mit Mail-Abo und pipapo.Seid als Blogger das, was ihr schon immer wart: Näher am Leser dran! Mehr Herzblut! Mehr Expertise! Das sind euer Einzelstärken, die gebündelt ein Knaller sind! Hey, wird sind Millionen letztlich, das vergisst sich dermaßen schnell. Und wenn sich nur wenige zusammentun, seid ihr mehr als Topverlage an Mitarbeitern haben. Denkt mal drüber nach! Seid die echten Krautreporter, die sowieso nie verstanden haben, was Zusammenarbeit bedeutet, weil Journalisten auf der Hatz nach Clicks zu Einzelkämpfern mutierten, zu brav galoppierenden Rennpferdchen.

8. Resümee

Abschließend bleibt mir nur zu sagen: Ja, es ist ein Rätsel, was mit Blogs passieren wird. Was wir an neuen Formen entdecken und durchmischen werden. Denkt man es allerdings logisch durch, was heute da ist, wo wir herkommen, was aus Blogs und den Möglichkeiten alles wurde, gibt es keinen Anlass zur Sorge. Ich habe euch einige Wege aufgezeigt, die deutlich absehbar sind. Ebenso habe ich euch mit einigen Zukunften konfrontiert, die technisch absolut denkbar, jedoch unfassbar schwer zu deuten sind, welche Wirkung sie auf Blogs haben werden.

Ich hoffe sehr, dass euch viele Fragezeichen bleiben oder ich sogar ein vehementes Negieren erzeugen durfte. Denkt ihr etwa, ich wüsste es genau? Wo geht’s also hin? Was wird passieren? Wenn ihr was an Ideen und Vorstellungen zu bieten habt, dann her damit!

Eine Story zum Schluss

Es war einmal vor über 10 Jahren. In einer Vereinssitzung kam ein Saulus auf mich zu, der sich mehr als deutlich über den Blödsinn der Bloggerei ausließ. Das Geschwätz und das Gequatsche bringe doch nichts. Zwei Jahre später kam derjenige erneut auf mich zu, nachdem unser Vereins-Blog tatsächlich deutliche Resultate aufzeigte. Ob ich ihm denn nicht einen Weg aufzeigen könne, wie er ein Firmen-Blog aufziehen soll. Sein eigenes. Oups! Wenige Wochen später war nicht nur die Seite live, sondern auch in Google weit oben. Der Rest war ihm sein Absahnen. Doch interessanter wurde es, als aus Saulus ein echter Blogger-Paulus wurde, der innerhalb von zwei Jahren in einem ganz anderen Bereich sein privates Glück fand. Sein Hobby-Blog – das er nach den ersten Schritten mit seinem Firmen-Blog zusätzlich aufgetan hatte – wurde zu einem der meistgelesenen in Deutschland, mit Lexikon, Tipps, Tricks, Ratgebern und was weiß ich was alles. Die Zusammensetzung der Inhalte, die Paulus mit viel Power und Ausdauer produzierte, war Vorbild für andere Blogger aus dem Bereich. Und siehe erneut, wie in so vielen anderen Bereichen auch: Mensch und Idee beeinflussen andere Menschen. Erzeugt neue Ideen. Es hört nie auf sich zu drehen, die Drehscheibe Mensch-Werkzeug-Inspiration.

Ich wünsche Euch allen gute Bloggertage, und wenn es mal nicht läuft, ganz ehrlich, ihr wurdet nicht als Blogger geboren. Werft hin, macht weiter, aber letztlich zehrt von den Erfahrungen und denkt Jahre später bei einem Gläschen Wein schmunzelnd daran zurück. Meine Geschichte über Blogs ist zu Ende, ich komme wieder. Bis dann!


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Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

9 Kommentare

  • Ein bisschen amüsiert bin ich schon: Die Länge dieses Artikels fördert nicht gerade die Lesbarkeit auf Smartphones 🙂
    Trotzdem gern gelesen. Auf einem großen Monitor.

  • Willkommen zurück Robert. Grade mal alle 3 Teile deine Artikels gelesen. Ach was hab ich das vermisst. Wenn ich auch zugeben muss das ich vom Iphone auf Laptop mir Monitor gewechselt habe.

    Wie immer so mancher Denkanstoß dabei, danke

  • @Oli danke!

    @Siegfried & Frank jo, verzeiht, es wurde in der Tat ein langer Text :))) Auf dem Handy macht das keine Laune. Darum schrieb ich es oben ebenso mit rein, ob das dazu führt, dass Texte für mobile Nutzungen kürzer werden?

    @albatros eben, ich denke, die meisten hab null Interesse ihr Blog fürchterlich aufzublasen und mit großen Lesermassen umgehen zu wollen. Das ist ein ganz anderer Schnack

  • Gern gelesen. Oft genickt. Viel geschmunzelt.
    „Blogs sind keine Silos“ – was für ein wahrer und doch fast schon utopischer Gedanke. Zeigt meine kleine, unmaßgebliche Foodbloggererfahrung doch: Sie werden munter weiter und höher gebaut, die Silos. Unter dem Deckmäntelchen des Netzwerkens werden heimlichstillundleise die Ellenbogen ausgefahren. Wird vornerum geklatscht und hintenrum neidisch auf Erfolge geschielt. Wird munter kopiert. Und ziemlich viel das gemacht, was jeder macht. Und so möchte ich deinen klugen Zeilen hinzufügen: „Kultiviere deine Kanten!“ Gerade in den Kuschel-Kategorien Mode, Food, DIY & Co wünsche ich mir (selbstkritisch!) mehr Mut zum Anecken statt Freude am Rundlutschen.

    Herzlich grüßt
    Conny

    • Kanten und Ecken fand ich persönlich immer schon gut, um dem Einheitsbrei zu entkommen. Stimmt.

  • 👏👏👏 Sehr gut geschrieben. Viele Gedanken sind dabei, die ich mir auch schon gemacht habe.
    Vielen Dank für diesen Artikel.
    Beste Grüße
    Pamela