Mal ehrlich: Wer liest schon AGB? Oder Datenschutzhinweise? Oder sonstiges Kleingedrucktes? Und auf der anderen Seite: Wer hat deswegen kein schlechtes Gewissen? In „Durchgelesen“ nehmen wir uns die Allgemeinen Geschäftbedingungen, Nutzungsvereinbarungen und Datenschutzhinweise von bekannten Online-Diensten vor, überprüfen sie auf kritische Passagen und fassen sie verständlich zusammen. Diesmal: Netflix. // von Ekki Kern
Warum ist das wichtig?
In einer Welt, in der Daten das neue Gold sind, wird der Schutz eben dieser Daten immer wichtiger. Wer die Kontrolle über seine Daten verliert, bekommt sie nur noch schwer zurück. Die BASIC thinking-Reihe „Durchgelesen“ will für dieses Thema sensibilisieren und nimmt deshalb das Kleingedruckte der großen Tech-Konzerne unter die Lupe.
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Noch vor einigen Jahren wussten viele Deutsche nicht, was Netflix ist. Erst mit dem Marktstart hierzulande, der von jeder Menge Werbung begleitet wurde, war klar: Der Branchenprimus unter den Online-Videotheken möchte nun auch den deutschen Markt erobern.
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Einen großen Teil seines Selbstbewusstseins zieht Netflix offensichtlich aus der selbsterklärten Fähigkeit, die Geschmäcker seiner Kunden Monat für Monat besser zu bestimmen. Hochkomplexe Algorithmen arbeiten daran, den Filmguckern immer bessere Empfehlungen zu unterbreiten, was sie denn als nächstes anschauen sollten. „Besser“ ist hier freilich eine Geschmacksfrage, denn so manch ein Kunde schaut sich lieber das an, was Freunde ihm empfehlen, anstatt einer Maschine zu vertrauen.
Fest steht: Dort, wo eifrig analysiert wird, werden Daten erhoben. So fallen auch bei Netflix riesige Mengen an, deren Verarbeitung natürlich den europäischen Datenschutzrichtlinien entsprechen sollte. Netflix hat seinen europäischen Hauptsitz im holländischen Amsterdam. An die dortige Adresse möge man sich als Kunde auch wenden, wenn man Einwände oder Beschwerden hat, heißt es in der Datenschutzerklärung vom 20. August 2015, die wir uns heute anschauen wollen.
Netflix: Sammeln von Informationen
Zunächst heißt es:
Wir sammeln Informationen, die Sie uns zur Verfügung stellen.
Dazu gehören: „Ihr Name, Ihre E-Mail-Adresse, Adresse oder Postleitzahl, Zahlungsart und Telefonnummer.“
Außerdem entstünden Informationen, „wenn Sie Rezensionen oder Bewertungen abgeben, Vorlieben oder Einstellungen in Ihrem Konto festlegen oder anderweitig Informationen über unseren Dienst oder anderweitig an uns übermitteln“.
Des Weiteren gibt es diejenigen Informationen, „die wir automatisch sammeln“:
Wir sammeln Informationen in Bezug auf Sie und Ihre Nutzung unseres Dienstes, Ihre Interaktionen mit uns oder unserer Werbung sowie Informationen im Zusammenhang mit Ihrem Computer oder anderen Geräten, die verwendet werden, um auf unseren Dienst zuzugreifen (wie Spielkonsolen, Smart TVs, Mobilgeräte und Set-Top-Boxen).
Diese Informationen beinhalten:
Ihre Aktivität auf dem Netflix-Dienst wie Titelwahl, Titelverlauf und Suchanfragen; Einzelheiten zu Ihren Interaktionen mit dem Kundendienst, wie Datum, Zeit und Grund für die Kontaktaufnahme, Protokolle von Chat-Konversationen und, wenn Sie uns anrufen, Ihre Telefonnummer; Geräte-IDs oder einmalige Gerät-Bezeichnungen, Geräte- und Software-Eigenschaft (wie Typ und Konfiguration), Verbindungsinformationen, Statistiken über Seitenabrufe, Verweis-URLs, Werbedaten, IP-Adressen und Standard-Weblog-Informationen; Informationen, die mit Cookies, Web-Beacons und anderen Technologien gesammelt werden. Beachten Sie unseren Abschnitt „Cookies und Internetwerbung“ für weitere Informationen.
Und es geht munter weiter:
Informationen aus anderen Quellen: Wir könnten die oben genannten Informationen durch Informationen ergänzen, die wir aus anderen Quellen erhalten haben, einschließlich Informationen von Online- und Offline-Datenanbietern. Solche zusätzliche Informationen könnten demografische Daten, interessenbasierte Daten und Internet-Nutzungsverhalten beinhalten.
Allgemeine Formulierungen
Wir haben gelernt: Wer nicht allzu viel Wert darauf legt, als Videogucker eingehend analysiert zu werden, kann sich ein Abonnement von Netflix wohl sparen. Im nächsten Abschnitt der Datenschutzerklärung geht es darum, wie Netflix die auf technischem Wege gesammelten Informationen verarbeitet. Hierzu heißt es:
Wir verwenden die Inhalte, die wir sammeln, um unsere Dienste und Marketing-Aktivitäten zu analysieren, verwalten, verbessern und personalisieren, um Ihre Registrierung, Ihre Bestellungen und Ihre Zahlungen zu bearbeiten und mit Ihnen über diese und andere Themen zu kommunizieren.
Man hält sich also ziemlich bedeckt, bleibt allgemein in der Formulierung. Weiter unten heißt es, man nutze die Informationen zum Beispiel zum Erreichen folgender Ziele:
für die Bestimmung Ihres ungefähren geografischen Aufenthaltsorts, das Anbieten von lokalisierten Inhalten, die Bereitstellung von speziell auf Sie abgestimmten Empfehlungen für Filme und Serien, die Ihnen unserer Meinung nach gefallen könnten, die Bestimmung Ihres Internetdienstanbieters und damit wir möglichst schnell und effizient auf Ihre Anfragen und Wünsche eingehen können; um […] unsere Nutzungsbedingungen durchzusetzen […]; um unser Publikum zu analysieren und zu verstehen; um mit Ihnen hinsichtlich unseres Dienstes zu kommunizieren […] indem wir Ihnen Nachrichten über Netflix, Details zu neuen Funktionen und auf Netflix verfügbaren Inhalten sowie besondere Netflix-Angebote, Ankündigungen zu Werbeaktionen und Kundenumfragen schicken, […].
Netflix gibt also wie die meisten Unternehmen vor, das Nutzungserlebnis, wie es oft genannt wird, für den Kunden optimieren zu wollen. Dass hierfür Daten erhoben werden müssen, leuchtet ein. Einem Datenschutzbeauftragten dürften die eben zitierten Bestimmungen wohl trotzdem sauer aufstoßen.
Weitergabe an Dritte
Im folgenden Abschnitt geht es darum, wann die über einen Nutzer gespeicherten Informationen gegenüber Dritten offengelegt werden können. Hier heißt es:
Wir teilen Informationen innerhalb der Netflix-Unternehmensfamilie soweit dies erforderlich ist für die Datenverarbeitung und -speicherung, um Ihnen den Zugang zu unserem Dienst zu vermitteln, um den Kundendienst zu erbringen, um Entscheidungen über die Verbesserung unseres Dienstes und die Entwicklung der Inhalte zu treffen und für andere Zwecke, die im Abschnitt „Verwendung von Informationen“ dieser Datenschutzerklärung beschrieben sind.
Neben dieser „Unternehmensfamilie“ können auch „Dienstanbieter“ mit Informationen versorgt werden:
Wir beauftragen Dienstanbieter zum Beispiel, um Marketing, Werbung, Kommunikation, Infrastruktur und IT-Dienste anzubieten, um unseren Dienst zu personalisieren und zu optimieren, um Kreditkarten-Transaktionen oder andere Zahlungsarten zu bearbeiten, um Kundendienst anzubieten, um Schulden einzutreiben, um Daten zu analysieren und zu optimieren (einschließlich Daten über die Interaktion unserer Benutzer mit unseren Diensten) sowie um Kundenumfragen zu bearbeiten und einzusetzen.
Während der Bereitstellung solcher Dienste hätten diese Dienstanbieter „unter Umständen Zugang zu Ihren personenbezogenen oder anderen Daten“, heißt es.
Immerhin: Gleichzeitig schränke man die Unternehmen allerdings ein:
Wir autorisieren sie [die Unternehmen] nicht zur Verwendung oder Offenlegung Ihrer personenbezogenen Daten, außer im Zusammenhang mit der Bereitstellung ihrer Dienste.
Werbeaktionen von Netflix
Der Unternehmen liebstes Kind sind natürlich Werbeaktionen. Diese setzen voraus, schreibt Netflix in den Datenschutzbestimmungen frei heraus, „dass Ihre Informationen mit Dritten geteilt werden“:
Bei der Durchführung solcher Werbeaktionen können wir in diesem Zusammenhang Ihren Namen und weitere Informationen weitergeben.
Ziemlich frech klingt das, was Netflix nachschiebt:
Bitte beachten Sie, dass diese Drittanbieter für Ihren eigenen Datenumgang verantwortlich sind.
Mit anderen Worten: Was die anderen Klitschen mit den personenbezogenen Daten unserer Kunden machen, darauf haben wir als Netflix leider keinen Einfluss mehr, sorry!
Im Folgenden geht es um die Durchsetzung geltenden Rechts, dem sich Unternehmen natürlich beugen müssen. Netflix und seine Dienstanbieter, heißt es, „können Ihre personenbezogenen oder anderen Daten teilen oder anderweitig nutzen, wenn wir oder sie Grund zur Annahme haben, dass eine Offenlegung notwendig ist„.
Das ist etwa dann der Fall, wenn Behörden Folge zu leisten ist, um anwendbare Nutzungsbedingungen durchzusetzen, um illegalen oder vermutet illegalen Aktivitäten wie etwa Zahlungsbetrug, Sicherheits- oder technischen Problemen nachzugehen.
Datenschutz angeblich auch außerhalb des EWR
Die folgende Klausel kommt auch in den Datenschutzbestimmungen vieler anderer Anbieter vor. Sie beschäftigt sich mit dem möglichen Fall, dass Netflix mit einem anderen Unternehmen fusioniert und übernommen wird:
Wir werden Informationen einschließlich personenbezogener Daten im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung, Fusion, einem Verkauf oder einer anderen Art von Übertragung von Vermögenswerten transferieren unter der Bedingung, dass der Empfänger zusichert, Ihre personenbezogenen Daten auf eine Art und Weise zu beachten, welche mit unserer Datenschutzerklärung in Einklang steht.
Beachtenswert ist der folgende Absatz, in dem Netflix erklärt, dass diese Datenschutzbestimmungen auch außerhalb des EWR Bestand haben:
Wann immer wir beim Teilen von Informationen personenbezogene Daten nach außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums oder anderer Regionen mit umfassenden Datenschutzgesetzen übermitteln, werden wir sicherstellen, dass die Informationen in Einklang mit dieser Datenschutzerklärung und soweit nach den einschlägigen Datenschutzgesetzen erlaubt übermittelt werden.
Sicherheit nicht garantiert
Auf Verlangen, schreibt Netflix, kann jeder Nutzer seine personenbezogenen Daten einsehen oder inkorrekte oder nicht mehr aktuelle personenbezogene Daten berichtigen. Auch könne man „uns darum bitten, personenbezogene Daten, die wir über Sie aufbewahren, zu löschen, wenn sie nicht mehr länger für das Bereitstellen des Dienstes für Sie, für unsere Rechnungsstellungs- oder Aufbewahrungsprozesse oder andere rechtliche Zwecke benötigt werden“.
Unter dem Punkt „Sicherheit“ gibt sich Netflix bescheiden: Man „gehe davon aus“, heißt es, „dass wir angemessene administrative, logische, physische und organisatorische Maßnahmen verwenden, um Ihre personenbezogenen Daten vor Verlust, Diebstahl, unautorisiertem Zugriff, Verwendung und Modifizierung zu schützen“. Leider könne keine Maßnahme einen 100%igen Schutz garantieren. Aus diesem Grund könne man die Sicherheit Ihrer Informationen nicht garantieren.
Wenigstens ehrlich, könnte man hier als Kunde anmerken.
Nutzungsbedingungen von Drittplattformen
Dann verweist der Videodienst noch auf andere Plattformen wie Spielkonsolen, Smart TVs, Mobilgeräte, Set-Top-Boxen, die auf den Netflix-Dienst zugreifen könnten:
Diese Websites und Plattformen haben eigene und unabhängige Daten- oder Datenschutzrichtlinien, Datenschutzerklärungen, Mitteilungen und Nutzungsbedingungen, welche Sie aufmerksam durchlesen sollten.
Kinder müssen ohne Netflix auskommen
Obligatorisch auf die Klausel, die Kinder von der Nutzung des Dienstes ausschließt:
Sie müssen 18 Jahre alt oder älter sein, um sich zu dem Netflix-Dienst anzumelden. In gewissen Ländern kann das Alter der Volljährigkeit höher als 18 Jahre sein. In diesen Fällen müssen Sie diese Altersvorgabe erfüllen, um ein Mitglied zu werden. Während Personen unter 18 Jahren den Dienst nutzen dürfen, dürfen sie dies nur mit der Beteiligung, Aufsicht und dem Einverständnis eines Elternteils oder eines Erziehungsberechtigten.
Cookies-Nutzung „aus verschiedenen Gründen“
Auch weisen die Datenschutzbedingungen darauf hin, dass „wir und unsere Dienstanbieter“ Cookies und andere Technologien (wie zum Beispiel Web-Beacons) „aus verschiedenen Gründen“ verwenden, auch „um mehr über unsere Benutzer und ihre potenziellen Interessen herauszufinden und unser Marketing und unsere Werbung an sie anzupassen“.
Fazit: Mangel an Alternativen
Fazit: Kann man Netflix also nun bedenkenlos nutzen? Nein, bedenkenlos sicher nicht. Nur stellt sich auch hier früher oder später die Frage nach den Alternativen. So dramatisch das ist. Ähnliche Datenschutzbestimmungen wie diese hier von Netflix finden sich bei vielen anderen Diensten auch. Dass die eigenen persönlichen Daten in die falschen Hände geraten, kann niemals gänzlich ausgeschlossen werden, was ja Netflix sogar selbst zugibt. Wer sicher stellen möchte, dass seine persönlichen Film- und Serienpräferenzen nicht detailliert analysiert und verarbeitet werden, muss weiterhin DVDs ansehen und lineares Fernsehen ansehen. Denn selbst die Nutzung von Diensten wie HbbTV ist nicht gänzlich unbedenklich in Sachen Datenschutz. Dazu mehr in einem der folgenden Beiträge unserer Reihe „Durchgelesen”.