Jede Woche bietet sich mir das gleiche Bild in der Kanzlei. Anrufe und E-Mails mit der gleichen Frage: Ich habe eine Abmahnung bekommen. Können Sie mir weiterhelfen? Die Gegenfrage lautet dann meist: Wann haben Sie die Abmahnung bekommen? Wenn gesetzte Fristen noch nicht abgelaufen sind, kann man meist noch gut reagieren und die Folgen einer Abmahnung mildern. // von Boris Burow
Warum ist das wichtig?
Abmahnungen sind inzwischen zum Volkssport im Internet geworden. Urheberrechtsverletzungen, Markenrechtsbedenken oder wettbewerbsrechtliche Ansprüche werden immer häufiger mit der teuren Post vom Anwalt abgemahnt. Dieser Text soll Tipps und Hintergründe geben, was es mit Abmahnungen auf sich hat, wie man dagegen vorgeht unt wie man sie verhindert.
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Die Abmahnung: Das unbekannte Wesen
Eine Abmahnung bedeutet zunächst einmal nur, dass ich von einem Dritten die Aufforderung erhalte, ein bestimmtes Verhalten abzustellen. Das klingt zunächst nicht kritisch. Allerdings steckt der Teufel im Detail. Eine Abmahnung finden wir – neben dem Arbeitsrecht – vor allem in den Bereichen Markenrecht, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht. Gerade im Bereich der Internetnutzung begegnen uns sehr viele Abmahnungen. Nutzer von Tauschbörsen erhalten teilweise sehr zeitnah Abmahnungen für das Anbieten von Filmen, Musik oder Hörbüchern im Internet. Wer eine Webseite betreibt, kann schnell in das Visier einer Abmahnung geraten, wenn Bilder nicht rechtmäßig genutzt werden – es kann reichen den Urheber bei einem Foto nicht zu benennen und schon erhält man Post.
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Markenrechtlich gerät man leider auch schnell ins Visier von Rechteinhabern. Dafür muss man nicht einmal Produkte gefälscht haben, es reicht aus, wenn man Originalware aus den USA hier in Deutschland verkauft, sofern diese in den USA markenrechtlich geschützt ist und in Europa noch nicht legal auf dem Markt erhältlich ist. Das Wettbewerbsrecht wiederum betrifft regelmäßig nur Unternehmer, aber auch hier spielt es keine Rolle, ob ich mit einem kleinen Webshop starte oder ein großer Dax-Konzern bin. Die rechtlichen Regeln müssen eingehalten werden, sonst droht eine Abmahnung – beispielsweise bei einem fehlerhaften Impressum oder einer falschen Widerrufsbelehrung.
Vorsorge treffen
Unabhängig von der Art der Abmahnung wird diese oftmals durch einen Rechtsanwalt ausgesprochen. Erhält man eine Abmahnung direkt von einem Rechteinhaber, sollte man sich glücklich schätzen und die gesetzten Fristen keinesfalls verstreichen lassen. Gerade wenn kein Rechtsanwalt abmahnt, hat man die besten Chancen sich zu verteidigen.
Oftmals starten viele Artikel mit dem Satz „Wenn man eine Abmahnung erhält“. Man muss aber schon früher anknüpfen. Betreibe ich eine Webseite, einen Shop oder einen Blog, dann wird der Abmahner sich meine Adressdaten meist genau dort holen. Daher ist es rein rechtlich hilfreich, wenn die Post-Adresse und die E-Mailadresse dort überall aktuell sind. Auch eine aktuelle Telefonnummer schadet nicht, will der Abmahner vielleicht doch einmal anrufen, um die Angelegenheit auf dem kurzen Dienstweg zu klären, ist es besser, wenn man erreichbar ist. Falsche oder veraltete Adressangaben können zu Nachteilen führen.
Wenn dann doch eine Abmahnung eintrifft, spielt es zunächst keine Rolle, wie die Abmahnung versendet wurde. Eine Abmahnung kann per Post, per E-Mail, per Fax und mündlich ausgesprochen werden. Folglich sind auch Abmahnungen per WhatsApp oder Facebook-Nachricht denkbar – werden aber sicher die Ausnahme sein.
Fristen beachten
Schritt 1 bei Erhalt einer Abmahnung ist immer, sie gründlich zu lesen. Aus der Abmahnung sollte hervorgehen, wer einen abmahnt, welcher Abmahngrund besteht und welche Forderungen gestellt werden. In der Regel finden sich eine oder mehrere Fristen in der Abmahnung. Es kann sich hierbei um Fristen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung handeln, zur Auskunftserteilung oder zur Zahlung von Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten. Diese Fristen sollte man zwingend einhalten, mögen sie auch noch so kurz sein. Eine Fristverlängerung innerhalb der laufenden Frist ist immer besser als außerhalb der Frist.
Prüfung der Abmahnung
Schritt 2 ist die Prüfung der Vorwürfe: Was genau wird mir vorgeworfen? In der Regel enthält die Abmahnung Links oder Ausdrucke, so dass ich nachvollziehen kann, ob ich überhaupt etwas mit der Angelegenheit zu tun habe. Hier aber bitte nicht täuschen lassen. Ein Domaininhaber kann durchaus eine Abmahnung für Inhalte auf der Webseite erhalten und ein Forenbetreiber kann durchaus Post bekommen bei der es um Beiträge von Dritten geht.
Daher gilt es zunächst zu prüfen, ob man mittelbar oder unmittelbar einen Bezug zu den Vorwürfen herstellen kann. Hier kann es hilfreich sein, zunächst selbst in die Beweissicherung zu gehen. Man fertigt Screenshots von Webseiten an, sichert Daten und Einträge. Alleine schon aus technischen Gründen kann ein Sachverhalt je nach Anzeige einer Webseite unterschiedlich zu beurteilen sein.
Abmahnungen sind oftmals berechtigt
Leider sind viele Abmahnungen dem Grunde nach zunächst berechtigt. Oftmals aus Unwissenheit oder aus Versehen werden Urheberrechte oder Markenrecht verletzt. Leider nimmt das Gesetz hier keine Rücksicht auf die Art und Weise, wie es zum Verstoß kam. Bei Urheber- und Markenrechtsverletzungen geht es nur um die Frage, ob der Verstoß vorliegt oder nicht. Die Gründe hierfür sind nicht relevant. Im Urheberrecht wird auch nicht danach unterschieden, ob der Verstoß im gewerblichen oder privaten Bereich passiert ist.
Beim Markenrecht muss zwar eine Handlung im geschäftlichen Verkehr vorliegen, aber juristisch betrachtet ist das Level für eine Markenrechtsverletzung gering. Allerdings kann es sich lohnen zu prüfen, ob ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegt. Ist dies nicht der Fall, liegt regelmäßig keine Markenrechtsverletzung vor. Der Unterschied kann in einem Werbebanner auf der privaten Homepage liegen. Auch wenn hier kaum Einnahmen generiert werden, kann dies für ein Handeln im geschäftlichen Verkehr reichen. Bringt das Banner daher sowieso kaum Einnahmen, sollte man es lieber gleich entfernen. Daneben gibt es auch im Urheberrecht eine Privilegierung. Für Privatpersonen gibt es eine Deckelung der Rechtsanwaltskosten, die für die Abmahnung verlangt werden dürfen. Die Grenze liegt dann bei knapp 150,00 Euro.
Die Unterlassungserklärung
Zentraler Punkt einer Abmahnung ist die Forderung nach der Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Oft ist eine solche Erklärung der Abmahnung beigefügt. Allerdings sollte man hier vorsichtig sein. Auch wenn die Abmahnung berechtigt ist, ist die Unterlassungserklärung kritisch zu prüfen. Hier sollte man nicht vorschnell unterschreiben. Zwar ist es oftmals ratsam, eine Unterlassungserklärung abzugeben, aber diese kann man sehr eng auf den konkreten Verstoß abfassen. Das ist wichtig, da zentrales Element einer Unterlassungserklärung nicht nur ist, eine Verhalten in Zukunft zu unterlassen, sondern auch das Versprechen, eine Vertragsstrafe zu zahlen wenn man nun doch gegen die Erklärung verstößt. Ist der Verstoß eindeutig, sollte eine angepasste Unterlassungserklärung abgegeben werden. Manchmal ist es auch ratsam eine Unterlassungserklärung abzugeben wenn die Rechtslage nicht eindeutig ist. Das Streiten um die Unterlassungserklärung ist oftmals ein Vielfaches teurer als das Streiten um den Schadensersatz und die Rechtsanwaltskosten.
Kosten, Kosten, Kosten
Für eine berechtigte Abmahnung kann der Abmahner Ersatz der entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangen. Im Bereich Urheberrecht, Markenrecht und Wettbewerbsrecht sind diese Gebühren in der Regel recht hoch. Allerdings kann man oft einen Vergleich aushandeln, bei dem die Gegenseite auf einen Teil dieser Kosten verzichtet. Im Bereich Urheberrecht werden selten Kosten unter 500,00 Euro geltend gemacht. Im Markenrecht sind wir schnell bei 1.500,00 Euro und mehr. Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen fangen meist bei 800,00 Euro an.
Der Schadensersatz hängt ebenfalls von den konkreten Umständen ab. Im Urheberrecht wird auch wiederum von den Gerichten differenziert zwischen einem Verstoß durch einen Verbraucher oder einen Unternehmer. Während Verbraucher teilweise nur 50,00 Euro Schadensersatz für ein rechtswidrig genutztes Bild bezahlen müssen, setzen die Gerichte bei Unternehmen schnell 300,00 Euro pro Bild und mehr an.
Fehlersuche in der Abmahnung
Wenn man eine Abmahnung erhalten hat, geht die Detailsuche los. Hat der Abmahner alle Formvorschriften beachtet? Solche Vorschriften gibt es im Urheberrecht. Erfüllt die Abmahnung nicht die nach § 97a Abs. 2 UrhG genannten Voraussetzungen, ist sie ungültig und der Abgemahnte kann seine Rechtsanwaltskosten erstattet bekommen. Zu den Voraussetzungen zählen die Angabe, für wen abgemahnt wird, der genau Grund der Abmahnung, die Aufschlüsselung der Zahlungsansprüche in Schadensersatz und Aufwendungsersatz sowie die Angabe, ob eine beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu weit gefasst ist. Hier sollte man also genau prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Es gibt immer wieder Abmahnungen von Rechtsanwälten, die diese Vorschriften nicht einhalten. Im Markenrecht und Wettbewerbsrecht fehlt es leider an einer solchen Vorschrift.
Rechtsverstoß abstellen
Als nächster Schritt sollte die Rechtsverletzung abgestellt werden. Rechtswidrige Bild- oder Markennutzungen auf der Webseite sind zu löschen. Bitte darauf achten, dass im Falle von Bildern und Videos eine Löschung direkt erfolgt und das Bild auch nicht mehr per Direktaufruf abrufbar ist. Auch wenn man hierfür zuvor die Bild-URL notiert haben muss, ist eine solche Abrufbarkeit ein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung. Das wird dann schnell teuer und sollte vermieden werden.
Bitte auch gleich darauf achten, dass man, sofern vorhanden, rechtswidrige Suchergebnisse in den Suchmaschinen löschen lässt. Werden dort Bilder noch angezeigt, tendieren einige Gerichte dazu dies auch als Verstoß einzuordnen. Im nächsten Schritt sollte dann eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben werden, verbunden mit einem Schreiben an die Gegenseite mit entsprechenden Gegenargumenten. Hier können z.B. geringes Einkommen, geringer Umsatz, reines Hobbyprojekt geeignet sein, um Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten abzusenken.
In die Offensive gehen
Sind die Ansprüche aber unberechtigt, kann man in die Offensive gehen und umgehend gerichtlich feststellen lassen, dass die Abmahnung unberechtigt ist. Stellt das Gericht dies im Urteil fest, muss der Abmahner alle entstandenen Kosten tragen. Manchmal lohnt es auch zu prüfen, ob der Abmahner selbst rechtskonform agiert. Dies kann insbesondere dann relevant sein wenn ein Webshop einen anderen Webshop abmahnt. Bemerkt man, dass auch der Gegner nicht rechtskonform arbeitet, kann man ebenfalls abmahnen mit dem Ziel, hier einen Gesamtvergleich zu finden.
Ab zum Anwalt
Wenn man eine Abmahnung erhält empfehle ich letztlich auch einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Auch hier gilt der Grundsatz: frag den Profi. Wenn ich Schmerzen im Knie habe gehe ich zum Arzt und zwar zum Facharzt für Orthopädie. Wenn ich eine Abmahnung erhalte sollte ich keinen Anwalt konsultieren, der Spezialist für Baurecht ist. Verbunden mit einer Anfrage beim Anwalt ist immer die Frage nach den Kosten und die Frage ob es möglich ist diese Kosten ggf. beim Gegner als Schadensersatz geltend zu machen. Ein Anwalt, der dann nicht über alle Kosten transparent informiert, sollte gemieden werden. Daneben kann man auch nach einer kostenfreien Ersteinschätzung fragen, um Chancen und Risiken besser abwägen zu können.
In der wöchentlichen Kolumne Boris berät beantwortet euch Rechtsanwalt Boris Burow eure Fragen zum Thema Internet-, IT- und Social-Media-Recht. Fragen? Immer her damit!