Als ich vor drei Monaten nach Deutschland zurückkehrte, da stand er da: Der Fernseher. Ich wischte den Staub zur Seite, schaltete ihn ein und stellte nach wenigen Tagen entsetzt fest, dass das Fernsehprogramm aus zwei Gründen eine Katastrophe ist: Entweder die Sendungen sind auf einem Niveau, das meine Intelligenz beleidigt (Private Sender) oder sie laufen nicht zu der Zeit, wann ich es möchte (öffentlich-rechtliche).
Schnellvorlauf zu heute. TV Streaming-Dienste gehören zu meinem Alltag dazu. Schnell habe ich sie zu schätzen gelernt, denn sie bieten mir das, was ich sehen will, wann ich es sehen will. Damit ist nicht nur Prime Instant Video oder Netflix gemeint, sondern auch die großartigen Mediatheken von ARD, ZDF und arte (die übrigens auch im Ausland funktionieren, danke dafür!).
Was hat es mit der neuen Amazon Fire TV zu tun? Nun, diese ist meine Schaltzentrale im Wohnzimmer und bietet mir die Möglichkeit, alle diese Dienste in einer Box zu vereinen. 99€ kostet die neue Fire TV Box und hat im Vergleich zum Vorgänger einiges mehr zu bieten.
Gleiche Verpackung, neuer Inhalt
Doch fangen wir erstmal beim Grundlegenden an: Dem Design und der Hardware. Von außen ist die Fire TV 2015 mit ihrem 2014er Modell fast identisch und unterscheidet sich nur auf der Rückseite. Der optische Audio-Ausgang ist nämlich einem microSD-Speicherkarten Einschub gewichen, was Audio-Enthusiasten sicherlich nicht gefallen wird (und das ist leider nicht das einzige). Die restlichen Anschlüsse bleiben gleich: Strom, HDMI, Ethernet, USB und eben der microSD-Steckplatz finden sich auf der Rückseite.
Alle weiteren Veränderungen befinden sich im kleinen, matt-schwarzen Kasten selbst. Der neue MediaTek MT8173 SoC besitzt eine 4 Kern CPU (2x ARM Cortex A72 Kerne mit 2GHz, 2x Cortex A53 mit 1,573GHz) sowie die PowerVR Rogue GX6250 Grafikeinheit. Besonders spannend ist diese Kombination, weil sie 4K Wiedergabe mit 30fps und 1080p Wiedergabe mit 60fps ermöglicht (dazu später mehr).
Ein weiteres und meines Erachtens wichtigeres Feature der Grafikeinheit ist die Unterstützung für H.265/HEVC Videokomprimierung, die etwa doppelt so effizient ist wie das derzeit gebräuchliche H.264. Für euch bedeutet es im Endeffekt mehr Videoqualität bei gleicher Bandbreitenbelastung. Konntet ihr vorher nur 720p Streams über euren DSL-Anschluss sehen, so sollten mit HEVC bei gleicher Verbindungsgeschwindigkeit 1080p Streams möglich sein.
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Doch auch die Performance des Fire TV hat deutlich zugelegt, Amazon spricht von etwa 75% mehr CPU Performance. Apps starten angenehm schnell und auch das eine oder andere Casual Game ist auf dem Fire TV problemlos spielbar. Gleich groß geblieben ist der Arbeitsspeicher, 2GB sind aber auch vollkommen ausreichend. Videotitel werden schnell geladen und auch der Wechsel zwischen Apps geschieht flott. Der Rest der Ausstattung beinhaltet ac WLAN, Bluetooth 4.1 sowie 10/100Mbit LAN. 8GB Speicher sind übrigens eingebaut, wovon 5,5GB dem Nutzer zur Verfügung stehen. Erweiterbar übrigens nicht nur per SD-Karten, sondern auch mit USB.
Einfache Einrichtung in 2 Minuten
Es ist nicht viel in der Verpackung mitgeliefert, doch das macht auch nichts. Die Box selbst, dazu ein Netzteil sowie eine Fernbedienung. Alles einfach zusammenstecken, HDMI Kabel an den Fernseher klemmen, fertig. Wer die Fire TV bei Amazon gekauft hat, muss nach der WLAN-Passworteingabe nichts weiter tun, denn der Amazon Account ist bereits im System hinterlegt.
Fernbedienung mit Sprachsuche
Mit in der Verpackung ist eine Fernbedienung, die über eine Sprachsuche verfügt. Hält man die obere Spracheingabe-Taste gedrückt, so kann man in Amazons Video-Angebot suchen. Die Suche ist recht smart, sodass ihr nicht nur nach Schauspielern, sondern auch nach Themen wie „Prinzessinnenfilme“ fragen könnt.
Etwas nervig: Eure Spracheingabe, die auf dem Bildschirm erscheint, müsst ihr nochmals per Taste bestätigen. Dabei funktioniert die Sprache-zu-Text-Verarbeitung so gut, dass ich den Sinn dieses zusätzlichen Klicks nicht verstehe. Auch ist die Sprachsuche nur für Amazon-Dienste vorbehalten. Zumindest ARD und ZDF Apps sollen diese Funktion bis Ende des Jahres auch erhalten.
Neu ist, dass sich die Fernbedienung per WLAN und nicht mehr per Bluetooth verbindet (die 2x AAA Batterien sollen trotzdem ein Jahr halten). Einige Nutzer berichten von Verbindungsproblemen, die ich bestätigen kann, auch wenn sie bei mir in den letzten vier Wochen nur drei bis vier Mal aufgetreten sind.
Fire OS 5: Schnell & einfach
In den ersten Sekunden fand ich das Startmenü vom neuen Fire OS 5 überladen, doch ich fand mich schnell zurecht. Alles ist in horizontal scrollbaren Listen dargestellt und ergibt nach den ersten Minuten Sinn. Das Betriebssystem basiert übrigens auf Android 5.1 Lollipop.
Die Startseite enthält neben zuletzt benutzten Apps und kürzlich gesehenen Inhalten auch Empfehlungen für Apps, Spiele, Filme und mehr. Auf der linken Seite findet sich eine Übersicht der einzelnen Menüpunkte, sodass man schnell dahin gelangt, wo man hinmöchte. Die Bedienung erfolgt insgesamt also schnell und flüssig, die Sprachsuche ist dabei ein echter Mehrwert. Praktisch finde ich auch, dass Updates im Hintergrund installiert werden, wenn man die Fire TV nicht benutzt.
ASAP & X-Ray: Schlaue Helferlein
Die beiden kurzen Namen tun im Grunde genau das, wonach sie klingen. ASAP steht offiziell nicht für as soon as possible, sondern für Advanced Streaming and Prediction. Heißt: Amazon weiß anhand eures Nutzungsverhaltens vorher schon, was ihr euch vermutlich als nächstes anschauen wollt und lädt schon mal einen kurzen Abschnitt dieser Serie oder des Films, sodass dieser asap sofort starten kann, wenn ihr auf Play drückt. Funktioniert tadellos, sodass Buffering der Vergangenheit angehört.
Mit X-Ray könnt ihr mit einem Tastendruck nach oben weitere Informationen zu der Serie vom hauseigenen Dienst IMDb erhalten. Diese sind z.B. die Biografien von gerade auftretenden Schauspielern, wissenswerte Fakten, Soundtracks und Szenen. Vor allem Soundtracks finde ich gut, weil ich es mir somit erspare das Smartphone rauszuholen und Shazam zu starten. X-Ray ist zwar für tausende Filme und Serien verfügbar, aber man merkt doch recht oft Lücken.
4K Wiedergabe
Sowohl Amazon als auch Netflix bieten bereits einige der hauseigenen Serien sowie vereinzelte Filme in 4K an. Der Content ist also schon da, wenn auch nicht in großen Massen. Auch über die YouTube App kann man 4K Videos beziehen. Amazon empfiehlt dafür eine Internetverbindung mit mindestens 15Mbps, bei Netflix sind es 25Mbps. Ebenfalls benötigt wird ein Fernseher, der HDCP 2.2 unterstützt, sonst kann der Kopierschutz für 4K nicht gewährleistet werden.
Inhalte sehen mit 4K natürlich knackig scharf aus, machen aber nur ab einer gewissen Diagonale und mit ordentlich Abstand einen angenehmen Unterschied. Caschy hat sich mit dem Thema 4K etwas ausführlicher auseinandergesetzt, daher sei an dieser Stelle auch sein Test empfohlen.
Die Bedienung, Foto-Wiedergabe und Apps sowie Spiele werden übrigens weiterhin in 1080p wiedergegeben, die Leistung des verbauten SoC scheint für 4K nicht auszureichen. Schade, somit ist es kein komplettes 4K Erlebnis, wenn auch ein Anfang.
Schaut man sich einige Foren und die Amazon Rezensionen an, so gibt es derzeit Probleme mit Dolby Digital Sound, weil dies außerhalb von Amazon Video nicht funktioniert. Für Dolby Digital Plus gab es letztens ein Update, für Dolby Digital 5.1 soll ein Update Ende November folgen, sodass es auch bei Netflix und anderen Apps unterstützt wird. Wer Dolby Systeme nutzt, sollte also mit der Anschaffung des neuen Fire TV vorerst warten.
Spiele mit dem Gamecontroller
Wer mit dem Fire TV Android-Spiele spielen will, dem kann ich den Gamecontroller empfehlen, der optional für 49,99€ vertrieben wird. Dieser wird von 2AA Batterien betrieben und verbindet sich ebenfalls über WLAN. Am besten lässt er sich mit einem XBOX Controller vergleichen und liegt ähnlich gut in der Hand. Zwei analoge Sticks sind eingebaut, dazu gibt es ein Steuerkreuz sowie die typischen Tasten. Für meinen Geschmack könnten die Tasten noch etwas abgerundeter sein, ansonsten geht die Verarbeitungsqualität in Ordnung und der Controller ist deutlich bequemer als die erste Generation.
Die Spiele sind natürlich alle bekannt aus dem Google Play Store, denn letztendlich sind sie zuerst für Android Smartphones entwickelt worden. Dementsprechend nutzt bei weitem nicht jedes Spiel alle Tasten des Controllers aus und man muss erstmal herausfinden, welche Taste was genau macht. Für eine Runde Badland, Asphalt 8 oder GTA San Andreas ist der Controller aber genau das richtige und das macht dann eine ganze Ecke mehr Spaß als mit der Fernbedienung. Welche Spiele genau für den Controller ausgelegt sind, findet ihr in dieser Liste. Etwas problematisch sind die Trigger Buttons, die im Fire TV die Lautstärke steuern, bei Spielen jedoch auch andere Funktionen haben. Bei Asphalt 8 kommt es somit vor, dass man mit LT bremst und gleichzeitig die Lautstärke senkt. Auch hier muss Amazon nachbessern.
Fazit
Ich habe die Amazon Fire TV als Schaltzentrale fürs Wohnzimmer lieben gelernt. Die einfache Einrichtung und Bedienung machen Spaß, die Sprachsuche funktioniert sehr gut, auch wenn sie leider nur auf die Amazon-Mediathek beschränkt ist. Dazu gibt es viele Apps und externe Mediatheken. Für 99€ gibt es keine andere Box, die zu all dem noch 4K wiedergibt.
Für ein Upgrade von der ersten Fire TV gäbe es mehrere Gründe: 4K und HEVC-Kodierung, falls ihr eine langsame Internetleitung habt. Auf 4K könnte ich verzichten, da eben doch nicht so viele Inhalte verfügbar sind, wobei sich das noch sicher ändern wird. Doch wer 4K zur Zeit sehen möchte, wird wohl zu den Early Adoptern gehören, die auch auf ein gutes Sound System setzen. Hier muss Amazon dringend nacharbeiten. Auch weitere Funktionen, die von der Standardbenutzung abweichen wie die Controllersteuerung sollten überarbeitet werden. High-End Nutzer sollten mit dem Kauf also noch etwas warten.
Kurz: Für mich als nicht High-End Nutzer ist die Fire TV super. Warum? It just works.
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„Warum? It just works.“
Naja, wenn ich deinen Erfahrungnsbericht lese, dann ja gerade das noch nicht so wirklich
Ich habe differenziert. Für mich als nicht High-End Nutzer „funktioniert es einfach“. D.h. kein 4K, keine Spiele, kein Dolby Audio. Da gibt es die größten Probleme derzeit.
Ja, die Sprachsuche wäre systemweit nice to have. Aber das soll wohl nach und nach kommen.
Nimm es mir nicht krumm, aber du zählst da ne ziemliche Latte an Einschränkungen auf, das ist mir für den Slogan dann echt zu viel das nicht funktioniert. Aber ich muss auch zugeben, dass mir deine Argumentation mit dem Highend Nutzer nicht einleuchten möchte. Wer kauft denn einen FireTV und würde sich als Highend Nutzer beschreiben? Spielt ein Highend Nutzer Spiele auf so einem Teil?
Ich finde auch nicht dass Dolby was für High-End Nutzer ist, aber ok ich hatte immer schon etwas höherwertige HiFi Anlagen und nicht nur so China-Schreihälse.
Aber ok, wenn es um Amazon geht reagiere ich eh allergisch, …