Huawei war einer der letzten Smartphone-Hersteller, der eine Smartwatch Anfang diesen Jahres vorstellte. Doch wie heißt es so schön: Was lange währt, wird endlich gut – aber in diesem Fall auch teuer. Mit einem Verkaufspreis ab 399€ ist die Huawei Watch die teuerste Android Wear Smartwatch. Ob der hohe Preis gerechtfertigt ist?
Design & Verarbeitung
Es gibt nicht viel, was die verschiedenen Smartwatches mit Android Wear voneinander unterscheidet. Die meisten besitzen die gleiche Hardware und auch die Unterschiede in der Software beschränken sich auf wenige vorinstallierte Apps. Umso wichtiger ist also der Punkt Design, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Auch darf man nicht vergessen, dass eine Uhr – ob nun smart oder nicht – primär ein Mode-Accessoire ist und es wohl auch in Zukunft bleiben wird. Man sucht sich also eine Uhr zum großen Teil nach dem Aussehen aus.
Achtung, denn jetzt wird es extrem subjektiv: Die Huawei Watch ist meiner Meinung nach die schönste Android Wear Smartwatch auf dem Markt. Das Gehäuse aus poliertem und geschliffenem Edelstahl, das komplett runde Display, das von einem extrem dünnen, glänzenden Rahmen umgeben wird – das alles macht die Optik der Huawei Watch zeitlos elegant. Ganz sicher ist sie nicht die Uhr, die ich zum Joggen tragen würde, doch von Casual bis zum Smoking lässt sie sich ziemlich gut mit vielen Stilen kombinieren und sieht immer hochwertig und edel aus.
Der hochwertige Eindruck wird zum einen durch die verwendeten Materialien vermittelt, zum anderen durch die erstklassige, präzise Verarbeitung. Die Lünette unserer silbernen Huawei Watch ist innen geschliffen, außen wie das restliche obere Uhrengehäuse auf Hochglanz poliert. An den Seiten und auch auf der Unterseite ist dieses erneut fein gebürstet. Diese Abwechslung in der Verarbeitungsform des Edelstahls lässt die Smartwatch im Licht schön glänzen und sieht einfach klasse aus. Kleiner Vergleich zu anderen Uhren an dieser Stelle: Keine andere bietet bisher eine untere Abdeckung aus Metall. Was einerseits bei der Huawei Watch schön aussieht, hat den Nachteil, dass kein Wireless Charging möglich ist, dazu jedoch später mehr. Die hochwertige Materialwahl wird durch Saphirglas auf der Front abgerundet – auch das bietet keine andere Smartwatch. Während ich bei Gorilla Glass also regelmäßig Kratzer bekomme, sollte es hier kaum möglich sein, es sei denn ihr geht da mit einem Diamanten ran.
Langlebig scheint übrigens auch das mitgelieferte 20mm Lederarmband zu sein, das nur die üblichen feinen Knicke erhalten hat. Die Unterseite ist schön weich und fühlt sich auf der Haut angenehm an. Die Oberseite besteht aus glattem Leder, das von einer sauberen, grau-silbernen Naht umrahmt wird. Gleich von Anfang an war es weich und flexibel, ohne Knarzgeräusche von sich zu geben. Wem das Lederarmband nicht gefällt, der kann es gegen ein beliebiges 18mm Armband innerhalb von einer Minute wechseln. Moment, 18 oder 20 Millimeter? Das mitgelieferte Armband ist zwar 20mm breit, allerdings beträgt die Stegbreite nur 18mm, sodass das Band am Federsteg etwas eingepasst ist.
Wer es noch etwas exklusiver haben möchte, für den hält Huawei die goldene Watch bereit; sportlicher und unauffälliger wird es mit der schwarz lackierten Version, die wir bereits Anfang September ausgepackt haben. Jedoch Achtung, diese besitzt ein etwas andere Lederarmband, auch wenn dieses ebenfalls schwarz ist. In einer schicken, traditionellen Uhren-Schachtel erhaltet ihr neben der Uhr einen USB Ladestecker mit immerhin 1A sowie einen Ladeadapter, der an einem 1m langen USB-Kabel hängt. Dieser regt mich jedes Mal beim Laden auf, doch dazu mehr in der Kategorie Akkulaufzeit & Laden.
Huawei Watch Unboxing
Display
Das Gehäuse der Huawei Watch misst 42mm im Durchmesser und beherbergt ein 1,4 Zoll großes Display. Wer sich das ausrechnet, kommt auf einen beachtlich dünnen Displayrahmen von nur 3mm. Zum Vergleich: Eine Moto 360 der zweiten Generation mit dem gleichen Gehäusedurchmesser bringt ein „nur“ 1,37 Zoll großes Display unter. Der Unterschied liest sich zwar nicht sonderlich groß, doch er ist im Vergleich klar sichtbar. Dazu kommt, dass die Huawei Watch genau wie die LG Watch Urbane ein komplett rundes Display besitzt und somit keinen Platz für den platten Reifen wie bei der Moto 360 verschenkt.
Mit einer Auflösung von 400 x 400 Pixeln bringt die Huawei Watch eine Pixeldichte von 286ppi auf den Bildschirm, was für eine hervorragende Schärfe sorgt. Sowohl Watchfaces als auch Benachrichtigungen sind gestochen scharf und lassen sich sehr gut ablesen. Dies liegt aber auch am sehr hohen Kontrast und an den gut gesättigten Farben des AMOLED Panels. In diesem Fall ist sogar eine leichte Übersättigung des Bildschirms von Vorteil, weil die Inhalte und Ziffernblätter noch mehr herausstechen und durch den erzeugten Kontrast besser ablesbar sind.
Mir persönlich ist es extrem wichtig, die Uhrzeit zu jeder Zeit sehen zu können, auch ohne mein Handgelenk vorher bewegen zu müssen und genau dafür hat Google den Active Standby Modus eingeführt. Die Uhr zeigt somit in einem schwarz-weiß Modus die aktuelle Uhrzeit an und aktiviert die Farben bei Berührung oder wenn man das Handgelenk dreht. Im Hinterkopf hatte der Suchmaschinen-Riese vor allem die Verwendung in Verbindung mit AMOLED Displays, die schwarze Pixel gar nicht erst anleuchten und somit in diesem Modus besonders stromsparend sind. Somit kann die Uhrzeit im Schwarz-Weiß-Modus weiterhin angezeigt werden, ohne, dass der Akku stark belastet wird. Praktisch.
Wie sieht es jedoch mit der Ablesbarkeit im Sonnenlicht aus? Auch da hilft der starke Kontrast des AMOLED Displays, doch auch die Leuchtstärke kann sich sehen lassen. Im Außeneinsatz hatte ich keine Probleme, bei direkter Sonneneinstrahlung wird die Lesbarkeit wie bei allen Smartwatches aber etwas schwierig. Hinzu kommt, dass die Huawei Watch keinen Helligkeitssensor vorweisen kann, sodass die Displayhelligkeit immer manuell angepasst werden muss. In der Regel beließ ich sie auf Stufe 3 von 5, was sowohl innen als auch außen einen sehr guten Kompromiss darstellt.
Kleiner Trick: Scheint draußen die Sonne, so kann man die Helligkeit auch für fünf Sekunden maximal erhöhen, indem man die einzige Taste drei Mal schnell hintereinander drückt. (Ein doppeltes Drücken schaltet das Display komplett aus).
Im Grenzbereich (und jetzt wird es super technisch) hat das Display der Huawei Watch eine kleine Schwäche: Das verwendete AMOLED Display besitzt eine Pen Tile Diamond Pixel Subpixelstruktur und weist somit ein Drittel weniger Subpixel als ein vergleichbares RGB Display auf. Bemerkbar macht sich das vor allem anhand von Rasterbildung bei Flächen und es kommt zu Chromatischer Aberration. Aufgefallen ist mir das im Vergleich zur Samsung Gear S2 und der Moto 360 2, die beide auf RGB Displays setzen. Um diesen Effekt zu sehen, muss man jedoch etwa 5cm nah an das Display gehen – im Alltag passiert das dann doch eher selten. Außer man ist kurzsichtig und will morgens die Uhr ablesen, aber damit kann ich persönlich sehr gut leben.
Hardware & Performance
Bei der Hardware von Android Wear Smartwatches hat sich seit der LG G Watch kaum was getan und das ist schon mittlerweile fast 1,5 Jahre her. Der Qualcomm Snapdragon 400 mit 512MB Arbeitsspeicher verrichtet auch in der Huawei Watch seinen Dienst, dazu kommt Bluetooth 4.1 in der Low Energy Edition und WLAN. Wofür WLAN in einer Smartwatch gut ist, habe ich bereits im LG Watch Urbane Test ausführlich erklärt. Kurz: Benachrichtigungen gehen somit auch dann ein, wenn sich euer Smartphone auf der anderen Halbkugel (oder einfach nur zu Hause) befindet und ebenfalls mit dem WLAN verbunden ist.
Weder mit der WLAN- noch mit der Bluetooth-Verbindung hatte ich Abbrüche oder weitere Probleme zu beklagen. Auch die Performance der Huawei Watch ließ sich durchaus sehen. Animationen waren beispielsweise flüssiger als bei der Moto 360 der zweiten Generation, die übrigens den gleichen technischen Kern besitzt.
Android Wear 5.1.1 – Einheits-OS für alle
Gleiche Hardware für alle, also auch gleiches Betriebssystem für alle? Das scheint die derzeitige Parole bei Android Wear zu sein, denn allzu viele Anpassungsmöglichkeiten hat Google nicht vorgesehen, sodass jede Uhr in der Bedienung und vom Funktionsumfang fast identisch ist. Einerseits keine schlechte Sache, denn dadurch kommen Updates für alle Uhren fast gleichzeitig schnell raus. Andererseits geht eine gewisse Vielfalt verloren, die Software-Anpassungen mit sich bringen. Den Herstellern bleiben also nur zwei Möglichkeiten, dem Uhren-Erlebnis eine persönliche Note einzuhauchen: Vorinstallierte Apps und exklusive Watchfaces.
Lesenswert: Android Wear 5.1.1 Features im LG Watch Urbane Test ausführlich erklärt
Apps: Together & Tracking & Herzfrequenz
Fitnesstracking ist die erste App, die Huawei vom Werk aus installiert und trackt bei Bedarf Zeit, Schritte und Kalorien, wobei man für die letzteren Ziele festlegen kann. Stellt es euch als erweiterte Stoppuhr vor, denn das Tracking findet nur bei aktiver App statt. Der Puls wird dabei leider nicht gemessen, dazu kommt, dass die Stoppuhr im Active Standby (siehe Display) einfach stehen bleibt und erst nach Aktivierung des Displays die (richtige) Zeit anzeigt.
Wer den Puls messen möchte, der kann sich der Herzfrequenz-App bedienen, die genau das macht – nicht mehr und auch nicht weniger. Die Messung dauert 10 Sekunden und lässt sich von den Werten mit einer Gear S2 vergleichen. Welchen Mehrwert die eigene App im Vergleich zur ebenfalls vorinstallierten Google Fit App bietet, konnte ich nicht feststellen. Weder kann man die Daten damit besser auswerten, noch ist ein dauerhaftes Tracking der Herzfrequenz während eines Trainings möglich.
Ebenfalls fraglich ist der Mehrwert der App Tägliches Tracking, die eure Schritte, verbrannte Kalorien und die „aktiven Stunden“ anzeigt, in denen ihr mindestens ein Mal aufgestanden seid. Auch hier sind alle Funktionen bereits in Google Fit verfügbar, daher hätte es mich gefreut, wenn man entweder mehr Tracking-Möglichkeiten hinzugefügt hätte oder die Daten optisch nützlicher aufbereitet hätte.
Watchfaces
Das Zifferblatt ist eines der wichtigsten Design-Merkmale einer Uhr und kann ihren Charakter vollkommen verändern. Die kleinsten Details wie die Anordnung der Ziffern oder die Struktur der Zeiger können dabei entscheidend sein, ob einem eine Uhr gefällt oder eben nicht. Dieses Problem gibt es bei Smartwatches nicht, denn man kann im Playstore aus tausenden von digitalen Zifferblättern wählen und sie nach Belieben ändern, ohne eine neue Uhr kaufen zu müssen.
Dennoch ist umso schöner, auf der Huawei Watch unzählige hochwertig gestaltete Watchfaces vorzufinden, alle mit jeweils eigenem Charakter. Man sieht, dass in vielen sehr viel Arbeit steckt. Mondphase oder Klassisch sind dabei meine persönlichen Favoriten und sehen auf dem hochauflösenden Display einfach großartig elegant aus. Die feinen Strukturen im Hintergrund, die funktionierenden Mondkalender und eine kleine Datumsanzeige mit Zeigern machen die Huawei Watch zu einem echten Hingucker. Wer es etwas schlichter mag, wird ebenfalls fündig, denn letztendlich ist wirklich für jeden etwas dabei. Die Auswahl ist so groß, dass ich auch etwas darüber hinwegsehen kann, dass man die Watchfaces nicht weiter personalisieren kann, wie es bei der Apple Watch oder der Gear S2 möglich ist.
Die beste Akkulaufzeit
Smarte Uhren und ihre Akkulaufzeit sind leider immer noch ein großes Thema. Keine hält länger durch als die Pebble Time Steel, die ganze zehn bis elf Tage mit einer Akkuladung schafft, aber eben auch keinen hochauflösenden Touchscreen bietet. Der bisherige Akkukönig unter Android Wear? Das ist die LG Watch Urbane, ich korrigiere, war die LG Watch Urbane. Mit der Huawei Watch haben wir nämlich ein neues Oberhaupt, was die Akkulaugzeit angeht.
[mg_blockquote align=“left“]Die Huawei Watch bietet die beste Akkulaufzeit unter allen Android Wear Watches.[/mg_blockquote]Ein Tag? Kein Problem. Zwei Tage? Kein Problem. Zwei 18 Stunden Tage? Kein Problem. Dabei spreche ich von einem immer angeschalteten Display auf Stufe 3 von 5, diversen Mitteilungen und einer aktiven Bluetooth-Verbindung. Das Active Standby hat dabei sicher gestellt, dass ich jederzeit die Uhrzeit ablesen konnte. Zugegeben, die Uhr war nachts für sechs Stunden ausgeschaltet, aber da brauche ich beim besten Willen keine Uhrzeit auf der Uhr.
Jetzt fragt ihr euch vielleicht: Wie sieht es mit drei Tagen aus? Möglich, wenn das Display im Standby aus ist und nur per Bewegung aktiviert wird. Ehrlich, ich habe ebenfalls gestaunt. Und vier Tage? Ich bin mir sicher, dass auch das möglich ist, wenn ihr alles mögliche ausschaltet und die Uhr im dunklen Keller nutzen wollt, aber dann könnt ihr euch auch gleich eine Quartz-Uhr kaufen.
Wir halten fest: Zwei bis zweieinhalb Tage sind bei durchschnittlicher Nutzung problemlos möglich, ohne auf etwas verzichten zu müssen. Somit bietet die Huawei Watch bietet die beste Akkulaufzeit unter allen Android Wear Watches. Hut ab!
Unzuverlässiger Ladeadapter
Wäre da nicht dieser runde, magnetische Ladeadapter, der mich manchmal zur Weißglut treibt. Mit Hilfe von 4 Pogo Pins verbindet sich der Konnektor mit der Uhr, was normalerweise den Ladevorgang starten sollte. Magnete sollen die Watch dabei in die richtige Position bringen, damit die Pins auf die Kontakflächen auf der Unterseite der Uhr treffen. Was in der Theorie funktioniert, ist in der Praxis leider häufig nicht der Fall, denn die kleinste Verschiebung auf der Ladeplatte führt dazu, dass die Uhr eben nicht (mehr) geladen wird.
Man legt die Watch also auf den Adapter, hört sie leicht einschnappen und denkt sich: Wird geladen. Am nächsten Morgen stellt man dann fest, dass dies nicht der Fall war, weil die Uhr eben nicht zu 100% perfekt aufliegt. Nervig. Andere Hersteller lösen das mit einer mitgelieferten Wireless Charging Station recht elegant und zuverlässig.
Fazit
Wenn ich mich für eine Smartwatch rein nach Designaspekten entscheiden müsste, so würde ich zur Huawei Watch greifen. Das ist jedoch sehr subjektiv und trifft mit Sicherheit nicht auf alle zu. Doch genau dafür gibt es ja auch Konkurrenzangebote wie die Moto 360, die Zenwatch 2 oder die LG Watch Urbane.
Betrachtet man die Huawei Watch objektiv, so sticht sie durch mehrere Punkte heraus. Zum einen wäre da das helle, hochauflösende Display mit einer großen Auswahl an schicken Watchfaces, das als einziges durch Saphirglas geschützt ist. Zum anderen die hochwertige Verarbeitung, die man nicht bestreiten kann. Nimmt man noch die hervorragende Akkulaufzeit von zwei bis drei Tagen hinzu, so stellt man fest, dass nicht viele intelligente Uhren derzeit mit der Huawei Watch mithalten können. Ob einem dies 399€ oder mehr wert ist, muss jeder selbst entscheiden. Die Konkurrenz ist zumindest eins: Günstiger.
[asa]B012U0A8BS[/asa]