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Die Vorratsdatenspeicherung: Ein Problem, das sich bald von selbst lösen wird

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geschrieben von Boris Burow

In der wöchentlichen Kolumne Boris berät beantwortet euch Rechtsanwalt Boris Burow eure Fragen zum Thema Internet-, IT- und Social-Media-Recht. Dabei handelt es sich nicht um juristische Abhandlungen, sondern um eine verständliche Erklärungen der Rechtslage. Diesmal: Ein Kommentar zur Vorratsdatenspeicherung und die erfreuliche Aussicht, dass sich das Thema schnell wieder erledigen wird.


Am Freitag wurde im Parlament erneut das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Trotz aller berechtigten Kritik und Einwände konnte man sich anscheinend in der Regierung nicht dazu durchringen, dieses Vorhaben einfach sein zu lassen. Die Vorratsdatenspeicherung hat eine beachtliche juristische Geschichte hinter sich, sodass es durchaus verwunderlich ist, dass der erneute Versuch unternommen wurde, ein solches Gesetz zu verabschieden.

Die Vorratsdatenspeicherung: Ein juristisches Ärgernis

Es gibt juristische Themen, bei denen ich mich sehr aufrege. Es gibt aber auch juristische Themen, die mich nicht weiter berühren. Die Vorratsdatenspeicherung unterfällt beiden Kategorien. Ich kann es bis heute nicht nachvollziehen, dass trotz der eindeutigen Rechtslage erneut ein solches Gesetz in Deutschland erlassen worden ist.


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Andererseits weiß ich, dass wenige Kilometer von meiner Kanzlei entfernt das Bundesverfassungsgericht sitzt, das in den nächsten Tagen entsprechende Verfassungsbeschwerden von einer Vielzahl von Anwälten und Bürgern erhalten wird. Das Gesetz, das heute beschlossen wurde, wird sicherlich keine lange Lebensdauer haben, daher kann man zumindest zum Teil beruhigt sein und vielleicht versuchen, die Aufregung, die ein solches Gesetz eigentlich mit sich bringt, besser zu verarbeiten.

Die Vorratsdatenspeicherung: Was wird eigentlich gespeichert?

Bevor wir uns dem aktuellen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung widmen, möchte ich zunächst einen kleinen Rückblick wagen, der bereits aufzeigt warum es eigentlich töricht ist, ein erneutes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in der vorgelegten Form zu erlassen.

Die Vorratsdatenspeicherung befasst sich mit der Speicherung von personenbezogenen Daten durch die Telekommunikationsanbieter für den Staat und zwar nicht anlassbezogen. Die grundsätzliche Überlegung ist, eine Vielzahl von personenbezogenen Daten zu speichern, um gegebenenfalls später durch Auswertung Straftaten zu verhindern bzw. Straftaten aufzuklären.

In der Regel geht es um Telekommunikationsdaten, sodass eine Überwachung der Telefonie, der Internetnutzung aber auch von Voice-over-IP und Messaging-Diensten durchgeführt wird. Technisch gesehen werden die Daten durch die Telekommunikationsanbieter erhoben. Die Kommunikation mittels Telefon, das Schreiben von Kurznachrichten oder E-Mails bzw. die Nutzung des Internets sind zentrale und elementare Bestandteile des alltäglichen Lebens geworden. Der Grad der Verbreitung und Nutzung ist enorm hoch. Es ist heutzutage kaum noch möglich, ohne Computer und Internet eine Schule zu besuchen oder ein Studium zu absolvieren.

VDS zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten…

Von Seiten des Staates glaubt man, dass eine Vorratsdatenspeicherung effektiv dazu führt, schwere Straftaten zu verhindern bzw. besser aufzuklären. Daher rechtfertigt man den schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Bürger mit der angeblichen Verhinderung und Aufklärung schwerer Straftaten. Gerne wird als Argument genommen, dass niemand vernünftigerweise dagegen sein kann, dass Straftaten aufgeklärt werden. Bereits hier muss man schon ansetzen, um die perfide Logik zu verstehen. Es wird niemand ernsthaft bestreiten, dass die Aufklärung von Straftaten und deren Verhinderung ein legitimes Interesse ist an dem auch die Bürger interessiert sind.

Gleichermaßen könnte ich aber auch die Abschaffung sämtlicher PKW, Motorräder und Flugzeuge verlangen, da durch die Verwendung dieser Verkehrsmittel Unfälle passieren, bei denen Menschen zu Schaden kommen können. Schaffe ich diese Verkehrsmittel ab, kann hieraus schon keine Gefahr mehr für die Bevölkerung resultieren. Dies ist eben auch der Knackpunkt bei der Vorratsdatenspeicherung. Es stellt sich die Frage, welche Mittel der Staat einsetzen darf, um legitime Ziele zu verfolgen unter Berücksichtigung, wie schwer dabei in die Rechte von Millionen von unschuldigen Bürgern eingegriffen wird.

… Seriously?

Niemand wird ernsthaft verlangen, dass wir sämtliche Verkehrsmittel abschaffen. Niemand wird ebenso ernsthaft verlangen, dass wir das Internet und das Telefon abschaffen, um gegebenenfalls Straftaten zu verhindern oder aufzuklären. Die Vorratsdatenspeicherung geht in die gleiche Richtung. Ermittlungserfolge sind selten, um nicht zu sagen praktisch bei null. Wenn es Ermittlungserfolge gab, so handelte es sich oftmals um die Aufklärung von Kleinkriminalität, für die die Vorratsdatenspeicherung nie gedacht war. Aber letztlich geht es genau darum, ein Instrument zu haben, dass die Vorratsdatenspeicherung zwar als legitimen Zweck für die Verfolgung von schweren Straftaten erlaubt aber sodann auch auf alle anderen Formen der Kriminalität heruntergebrochen wird.

Denn mit der Vorratsdatenspeicherung lässt sich vielleicht in der Tat der ein oder andere Ladendiebstahl aufklären, wenn man massenweise Telefone, SMS-Verkehr und die Internetnutzung der Bürger überwacht. Wer nun glaubt, dass das nicht passieren könnte, weil das Gesetz doch eindeutig vorschreibt, dass die Daten aus der Vorratsdatenspeicherung nur für die Aufklärung und Verhinderung von schweren Straftaten benutzt werden dürfen, der irrt ganz einfach. Anders als im US-amerikanischen Rechtssystem ist in Deutschland ein rechtswidrig erhobener Beweis nicht automatisch unverwertbar. Bis auf einige wenige Ausnahmen kann man feststellen, dass die Nutzung von rechtswidrig erhobenen Beweisen zulässig ist, da als Argument hierfür immer das Funktionieren des Rechtsstaats benutzt wird, um diese rechtswidrige Handlung zu rechtfertigen. Wer dies nicht glaubt, muss nur ein paar Rechtsanwälte, die auf Strafrecht spezialisiert sind, anrufen, um sich diese Aussage bestätigen zu lassen.

Grundsatz: Der Staat hat sich rauszuhalten

Die Grundsätze unserer Verfassung besagen, dass der Staat letztlich so wenig wie möglich in die Rechte seiner Bürger eingreifen darf und für jeden Eingriff eine Rechtfertigung benötigt. Es geht also nicht darum, dass der Bürger sich dafür rechtfertigen muss, warum er Privatsphäre wünscht. Sondern es geht darum, dass der Staat sich gefälligst aus sämtlicher privater Kommunikation herauszuhalten hat, es sei denn er kann wichtige Argumente dafür liefern, warum ein Eingriff in dieses Recht notwendig ist. Die Gerichte haben daher auch strenge Anforderungen an die Telefonüberwachung von einzelnen Personen geknüpft. Bereits die Überwachung eines Telefonanschlusses einer konkreten Person muss durch einen Richter abgesegnet werden. Auch wenn hier die Gerichte teilweise großzügig sind, so gibt es dennoch Hürden, die auch gerichtlich überprüft werden können.

Es gibt nur eine Erklärung: Heiko Maas wurde gehackt. Nicht der Account. Der Minister. – Richard @Gutjahr / Twitter

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Die einzelne Überwachung eines einzelnen Telefonanschlusses stellt daher schon einen gewichtigen Eingriff dar, was das Bundesverfassungsgericht in sich ständig wiederholender Rechtsprechung bestätigt hat. Das Bundesverfassungsgericht geht nämlich davon aus, dass die verfassungsmäßig garantierten Rechte und der damit verbundene Schutz des Bürgers ein so hohes Gut darstellen, das schon kleinste Eingriffe einer aufwendigen Rechtfertigung bedürfen. Gelingt dies nicht, dann fegen die Grundrechte eines jeden Bürgers die entsprechenden Gesetze ganz schnell ins Aus. Die Folge ist, dass solche Gesetze vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden und damit nichtig sind. Im Übrigen ist eine jede Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Gesetze für verfassungswidrig erklärt werden eine schallende Ohrfeige für den Gesetzgeber, da in 99 Prozent aller Fälle bereits die Problematiken bekannt waren und auch öffentlich diskutiert worden sind. Die meisten Gesetze, die im Nachhinein als verfassungswidrig eingestuft wurden, werden daher in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit verabschiedet. Dies gilt insbesondere für die Vorratsdatenspeicherung.

Vorratsdatenspeicherung, Versuch 1: gescheitert

Im ersten Versuch, den die Bundesregierung unternommen hat, wurde eine umfassende Speicherung der Daten für jeweils sechs Monate vorgesehen. Diese Datensammlung wurde am 02. März 2010 durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt und die sofortige Löschung sämtlicher Daten angeordnet. Das Bundesverfassungsgericht hat ohne größere Probleme festgestellt, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte der Bürger sei und keinesfalls durch die erwarteten Vorteile bei der Strafverfolgung gerechtfertigt sei. Das Gesetzt hätte dazu geführt, dass ohne Anlass eine Vielzahl von Daten gesammelt wird, deren Zugriff faktisch kaum reglementiert ist. Ein solches Gesetzesmonster kann selbstverständlich keinen Bestand haben.

Vorratsdatenspeicherung, Versuch 2: gescheitert

Hiervon unbeeindruckt hat aber auch die Europäische Union an einer Vorratsdatenspeicherung gearbeitet, die sie per EU-Richtlinie umgesetzt hat. Dies war der zweite Versuch, der unternommen wurde, um eine entsprechende Vorratsdatenspeicherung auch in Deutschland einzuführen. Auch hier hat sich natürlich die Bundesrepublik Deutschland nicht dagegen gewehrt und versucht, die Richtlinie zu stoppen. Allerdings hat wiederum der Europäische Gerichtshof die Möglichkeit, EU-Recht zu überprüfen und kam zu dem Ergebnis, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar ist. Daher wurde am 08. März 2014 die entsprechende EU-Richtlinie für ungültig erklärt. Hier gab es die zweite schallende Ohrfeige für die Gesetzgebungsorgane. Auch hier wurde wiederum festgestellt, dass es nicht der Bürger ist, der sich für seine Privatsphäre rechtfertigen muss, sondern dass es der Staat ist, der zu begründen hat, warum er einen extrem massiven Eingriff in die Rechte der Bürger vornehmen möchte.

Vorratsdatenspeicherung, Versuch 3: wird scheitern

Das neue Gesetz, welches am Freitag beschlossen wurde, ist auch wieder ein massiver Eingriff in die Rechte des Einzelnen. Das Gesetz wurde im Galoppverfahren durch die Institutionen gepeitscht, damit es entsprechend verabschiedet werden konnte. In Zukunft werden die Telekommunikationsanbieter Internet und Telefonverkehrsdaten eines jeden Bürgers speichern und zwar für 10 Wochen. Nicht gespeichert wird der Inhalt von Telefongesprächen. Auch gespeichert werden die Standortdaten von Mobilfunknutzern für vier Wochen. Mit der heutigen Technik ist es daher unproblematisch möglich, für vier Wochen exakte Bewegungsprofile eines jeden Mobilfunknutzers zu erstellen. Die Inhalte von SMS-Nachrichten müssen wohl zunächst aus technischen Gründen mitgespeichert werden. Diese Datensammlung passiert wie beschrieben ohne Anlass. Es wird also nicht beschlossen, durch ein Gericht, für welche Bürger diese Maßnahme angeordnet werden, sondern sie gelten für sämtliche Bürger anlasslos.

Die Rechnung zahlt nicht der Besteller

Es ist davon auszugehen, dass auch diese massiven Eingriffe keinen Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht haben werden. Es ist daher zu erwarten, dass das Gesetz auf Basis der eingehenden Verfassungsbeschwerde für verfassungswidrig erklärt wird. Neben dem schweren Grundrechtseingriff wäre es meines Erachtens auch gar nicht möglich, die immer wieder angepriesenen Vorteile des Gesetzes zu beweisen. Bis heute konnte noch niemand nachweisen, dass eine Vorratsdatenspeicherung effektiv schwere Straftaten verhindert oder aufklärt.

Daneben gibt es noch eine Kostenseite zu bedenken: Je nachdem wer die Schätzung abgibt, reichen die Kosten, die die Telekommunikationsanbieter aufwenden müssen, von 260 Millionen Euro bis hin zu 600 Millionen Euro. Wenn das Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird, dann braucht aber niemand anzunehmen, dass er beim Staat entsprechende Schadensersatzansprüche geltend machen könnte. Diese Rechnung müssen Telekommunikationsanbieter selbst bezahlen. Wenn das Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird und damit zum dritten Mal entschieden würde, dass eine anlasslose und umfassende Speicherung von Verbindungsdaten nicht gesetzeskonform ist, kann man nur hoffen, dass die dritte Ohrfeige ausreichend ist, damit die Regierungen in Deutschland und in Europa Abstand nehmen von solchen unsinnigen, unnötigen und nichts bringenden Gesetzen.

Über den Autor

Boris Burow

Boris ist Rechtsanwalt aus Karlsruhe und hat seine Begeisterung für IT, Medien und Internet zum Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht.

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