In der wöchentlichen Kolumne Boris berät beantwortet euch Rechtsanwalt Boris Burow eure Fragen zum Thema Internet-, IT- und Social-Media-Recht. Dabei handelt es sich nicht um juristische Abhandlungen, sondern um eine verständliche Erklärungen der Rechtslage. Diesmal: Können Blogger und Forenbetreiber Probleme mit rechtmäßigen Artikeln bekommen?. // von Boris Burow
Es war ein Paukenschlag, als der EuGH in seiner Entscheidung vom 13.05.2014 entschied, dass es ein Recht auf Vergessen gibt. Die Entscheidung war überraschend und hat eine große Tragweite. Konkret ging es in dem Fall darum, dass eine ursprünglich rechtmäßige Veröffentlichung in Suchmaschinen nicht mehr auffindbar sein soll, wenn eine Person hiervon betroffen ist. Veröffentlichungen, die lange zurück liegen aber dennoch sofort per Suchmaschine auffindbar sind, verstoßen gegen das Datenschutzrecht, urteilten die Richter am EuGH.
In diesem Zusammenhang wurde oft falsch berichtet, dass die ursprünglichen Einträge gelöscht werden müssten oder rechtswidrig waren. Dies stimmt nicht. Der EuGH unterscheidet zwischen dem Eintrag, der auf der Originalseite zu finden ist und dessen Auffindbarkeit in Suchmaschinen. Wer auf der Webseite einer Tageszeitung im Archiv nach einer Person sucht, kann weiterhin den betreffenden Artikel über die gesuchte Person finden. Wenn man aber den Namen in einer Suchmaschine eingibt, soll gerade keine Verknüpfung mehr zwischen der Person und einem rechtmäßigen Sachverhalt aus der Vergangenheit hergestellt werden können. Datenschutzrechtlich wurde das Urteil zwar begrüßt, es begegnet aber auch einigen Bedenken.
Neue Stellenangebote
Praktikum im Bereich interne Kommunikation und Social Media BOS GmbH & Co. KG in Ostfildern bei Stuttgart |
||
Online-Manager / Onlinemarketing-Manager / Social-Media-Manager (m/w/d) UNIGLAS GmbH & Co. KG in Montabaur |
||
Content- & Social Media Manager:in (m/w/d) fischerAppelt in Hamburg |
Die Folgen von „Recht auf Vergessen“
Folge des Urteils waren weitere Urteile, die einen Schritt weiter gegangen sind und Google verpflichtet haben, auch aktuelle Treffer in der Ergebnisübersicht auszufiltern, wenn diese gegen die Rechte des Betroffenen verstoßen. Der Betroffene muss sich daher nicht mit der Quelle auseinandersetzen sondern kann die Ergebnisse in Google ausfiltern lassen.
In beiden Fällen konnte man sich in der Regel noch zurücklehnen und höchstens darüber diskutieren ob diese Art der Ausfilterung für Google zumutbar ist und wie Google entscheiden soll, ob Anträge auf Löschung aus dem Suchmaschinenindex berechtigt sind oder nicht. Jetzt überrascht uns aber das OLG Hamburg mit einem neuen Urteil, das plötzlich diese Rechtsprechung fortsetzt, aber nun den Webseitenbetreiber selbst in die Verantwortung nimmt. Ein Urteil, das weitreichende Folgen haben könnte.
Problem: Rechtmäßige Berichterstattung
Was war passiert? Eine überregionale Tageszeitung veröffentlichte im Internet Artikel über ein Strafverfahren. Das Strafverfahren wurde letztlich eingestellt gegen Zahlung einer Geldauflage. Die Berichte waren über die Webseite weiterhin abrufbar. Durch die Indexierung der Seite in den Suchmaschinen konnte man die Berichte über das Strafverfahren auch weiterhin bei Eingabe des Namens des Betroffenen finden. Da der gesamte Vorgang schon älter war, wendete sich der Betroffene an die Tageszeitung und verlangte entsprechende Abänderung der Artikel. Letztlich beanstandete der Betroffene, dass trotz der Einstellung des Verfahrens immer noch Berichte über das Strafverfahren abrufbar waren.
Die Problematik im vorliegenden Fall lag darin, dass die Berichterstattung an sich völlig rechtmäßig war. Die Zeitung durfte genau so wie geschehen über den Fall berichten. Natürlich verwundert es nicht, dass es den Betroffenen stört, wenn bei einer Suche nach seinem Namen plötzlich diese alten Artikel wieder in Erscheinung treten. Da der Betroffene als Kommunikationsberater tätig ist, ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass potentielle Auftraggeber eben erst einmal nach dem Namen im Internet suchen. Die gedruckte Zeitung ist dabei am nächsten Tag veraltet und nicht mehr relevant. Hier hätte niemand wirklich Informationen aufgetrieben über den Betroffenen. Anders stellt sich die Situation nun im Internet dar.
Nicht Google wird zum Gegner, sondern Blogs und Foren
Statt eine Löschung bei Google zu beantragen, ging der Betroffene gegen die Tageszeitung vor. Nachdem das Landgericht noch die Klage abgewiesen hatte und keinen Anspruch des Betroffenen erkannte, entschied das Oberlandesgericht Hamburg jetzt in eine andere Richtung. Das OLG Hamburg verlangt nun von der Tageszeitung, dass es die eigene Webseite so modifizieren muss, dass bei Eingabe des Namens des Betroffenen in einer Suchmaschine die Artikel nicht mehr auffindbar sind. Juristisch gesehen eine Entscheidung mit Folgen. In letzter Zeit häufen sich die Entscheidungen, bei denen es nicht um rechtswidrige Berichterstattung geht – hier ist die Rechtslage weitestgehend geklärt. Vermehrt rücken auch die Verfahren in den Vordergrund, bei denen es um eine rechtmäßige aber „in die Jahre“ gekommene Berichterstattung geht.
In diesen Fällen sind nun immer mehr Blogbetreiber und Forenbetreiber gerichtlichen Streitigkeiten ausgesetzt. Aus der eigenen Beratungspraxis konnte ich meinen Mandanten klare Empfehlungen geben. Rechtswidrige Artikel und Kommentare Dritter werden gelöscht. Rechtmäßige Äußerungen bleiben bestehen. Nach dem Urteil des OLG muss sich nun der Webseitenbetreiber auch damit beschäftigen, Maßnahmen bei rechtmäßigen Artikeln zu ergreifen. Zwar ist es verständlich, dass der Betroffene eine Auffindbarkeit älterer Meldungen per Suchmaschine nicht wünscht, aber nun zielt die Rechtsprechung auch auf den Webseitenbetreiber selbst ab.
Eins ist klar: Wenn solche Urteile gefällt werden, mögen sie zwar ein Verlagshaus betreffen. Aber ganz schnell dienen sie als Referenz auch für andere Webseiten, die kritisch über Dritte berichten und dazu noch kritische Kommentare Dritter enthalten. Hier konstruiert das OLG Hamburg plötzlich eine aktive Pflicht, die Seite so anzupassen, dass eine Auffindbarkeit bei Google und Co. bei Eingabe des Namens verhindert wird.
Neue Probleme für Webseitenbetreiber
Ein Webseitenbetreiber steht jetzt vor dem Problem, dass er plötzlich werten muss, ob ein völlig rechtmäßiger Artikel ein Problem darstellt oder nicht. Da es nicht um die Frage geht, ob der Artikel wahr oder unwahr ist, sondern eine Abwägung vorgenommen werden muss, kann man kaum einen Leitfaden an die Hand geben. Jeder Blogger oder Forenbetreiber steht dann vor dem Problem, entscheiden zu müssen, ob man eine Abänderung vornehmen muss oder nicht.
Am einfachsten wäre es im vorliegenden Fall, wenn die Zeitung die Artikel einfach löschen würde. Damit wäre die Problematik erledigt. Aber genau hierin liegt das Problem. Wenn ich den Artikel lösche, habe durch die Hintertür genau das erreicht, was eigentlich vom Gericht gar nicht gefordert war und nicht gefordert werden kann: eine Löschung des Artikels. Dazu kommt, dass Blogs und Foren aus suchmaschinentechnischer Sicht nicht erfreut sein werden wenn älterer Content gelöscht wird. Kommen eine Vielzahl von Löschanfragen zusammen, kann das den Content der Seite ausdünnen. Um den Vorgaben des OLG Hamburg gerecht zu werden, muss ich nun meine Suchmaschinenoptimierer genau in die andere Richtung arbeiten lassen. Die Seite muss so angepasst werden, dass gerade keine Auffindbarkeit der Artikel in den Suchmaschinen stattfinden kann, wenn der Name als Suchbegriff eingegeben wird.
Reaktion bei rechtswidrigen und rechtmäßigen Artikeln notwendig
Für Blogs und Foren ergeben sich ungeahnte Risiken. Schon heute werden Webseitenbetreiber schnell mit Löschungsaufforderungen für rechtswidrige Inhalte konfrontiert. Bereits hier müssen oftmals schnelle Entscheidungen getroffen werden. Nun kommt noch das OLG Hamburg und setzt dem ganzen die Krone auf. Bisher konnte man davon ausgehen, dass Löschanfragen aus dem Suchmaschinenindex zumindest einen Giganten treffen, der die Mittel hat, die Löschanfragen zu bewältigen.
Nunmehr entscheiden sich Betroffene vielleicht nicht, den Weg über Google zu gehen (der im Fall der Ablehnung der Löschung ein aufwendiges Gerichtsverfahren nach sich zieht) sondern den Webseitenbetreiber aufzufordern, die Quasi-Löschung vorzunehmen. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof an anderer Stelle diese Fragen klärt. Das Urteil des OLG Hamburg ist rechtskräftig und hat daher Bestand.
⇒ Hier gibt es alle Teile von Boris berät.
⇒ Diese Serie wird präsentiert vom Spam-Krokodil.