In der wöchentlichen Kolumne Boris berät beantwortet euch Rechtsanwalt Boris Burow eure Fragen zum Thema Internet-, IT- und Social-Media-Recht. Dabei handelt es sich nicht um juristische Abhandlungen, sondern um eine verständliche Erklärungen der Rechtslage.
In der heutigen Kolumne dreht sich alles um Allgemeine Geschäftsbedingungen, wie sich Leser mini in der letzten Ausgabe in einem Kommentar gewünscht hat. Ich werde beleuchten, was AGB überhaupt sind, ob man AGB einfach immer bedenkenlos zustimmen kann und welche Punkte in AGB unwirksam sind. Wer sich im Speziellen für die AGB von Online-Diensten interessiert, kann sich die BASIC thinking-Serie „Durchgelesen – Der Datenschutz-Check“ anschauen, wo wir bereits viele Dienste untersucht haben. Wer anschließend noch Fragen oder einen Vorschlag für den nächsten Teil, kann sich gerne in den Kommentaren unten an mich wenden.
Was sind AGB?
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) beschäftigt sich mit dem Thema AGB in 10 Paragraphen. AGB steht für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nach dem Gesetz sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulieren Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Jetzt dürfte ja alles klar sein, oder? Naja.
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Für das Verständnis von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist es wichtig zu wissen, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht nur dann vorliegen wenn sie auch so benannt sind, sondern dass uns Allgemeine Geschäftsbedingungen auch unter vielen anderen Begrifflichkeiten begegnen können: Allgemeine Nutzungsbedingungen, Allgemeine Einkaufsbedingungen, Teilnahme- und Nutzungsbedingungen oder eben auch das berühmte „Kleingedruckte“.
Individuell contra vorformuliert
Der Jurist unterscheidet letztlich zwischen individuellen Verträgen und Verträgen mit vorformulierten Vertragsbedingungen. Wer privat ein Auto verkauft, auf Augenhöhe mit dem Käufer Details ausdiskutiert, verschiedene Regelungen trifft und sich dann einigt, schließt in der Regel einen Kaufvertrag ab, der individuell ausgehandelt wurde. Das Gegenstück wäre ein Kaufvertrag bei dem der Verkäufer dem Käufer einen vorformulierten Vertrag zur Unterschrift vorlegt und keine Änderungen akzeptiert. Wenn ein solcher Vertrag für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist, spricht der Jurist von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Es reicht daher nicht aus, dass man einmalig einen vorformulierten Vertrag verwendet. Die Rechtsprechung spricht ab 3 Verwendungen von einer „Vielzahl“. Das mag falsch klingen, wird aber von den Gerichten so gesehen. Klassischerweise kommen AGB im Unternehmensbereich vor, da gerade Unternehmen oftmals eine Vielzahl von Verträgen mit gleichem Inhalt abschließen. Auf der anderen Vertragsseite steht dann entweder ein anderes Unternehmen oder ein Verbraucher, sprich eine Privatperson.
Beispiele für AGB
Wenn man einen Mobilfunkvertrag abschließt, erhält man vorformulierte Vertragsbedingungen, die man nicht individuell aushandeln kann, so dass die Gesamtheit der Bedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen sind. Gleiches gilt für sämtliche Verträge bei denen eine Partei die Bedingungen stellt ohne die Möglichkeit, Änderungen vorzunehmen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn man in Webshops einkauft oder Software erwirbt (hier heißen die AGB oftmals „Lizenzbedingungen“). Ob also Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen oder ein individueller Vertrag, ist erstmal keine Frage des Inhalts, sondern nur, wie häufig die vorformulierten Bedingungen verwendet werden.
Der Gesetzgeber geht im nächsten Schritt davon aus, dass derjenige, der solche AGB verwenden kann, der wirtschaftlich Stärkere sein muss und schützt die andere Seite entsprechend durch das Gesetz. Der Gesetzgeber unterscheidet hierbei zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Verbraucher werden stärker geschützt als Unternehmer. Wer sich schon einmal gefragt hat, warum es keine Mobilfunkverträge mit mehr als 24 Monaten Mindestlaufzeit gibt, dem hilft ein Blick ins Gesetz. In § 309 Nr. 9 BGB ist formuliert, dass bei einem Mobilfunkvertag (Dienstvertrag) keine längere Vertragslaufzeit als zwei Jahre möglich ist und dass eine automatische Verlängerung immer nur um ein Jahr möglich ist. Daher greifen die meisten Mobilfunkanbieter zu der Taktik, nach zwei Jahren ein entsprechend neues Gerät anzubieten, wenn der Vertrag neu auf zwei Jahre abgeschlossen wird.
AGB-Kontrolle durch das Gesetz
Grundsätzlich herrscht in Deutschland Vertragsfreiheit. Der Gesetzgeber mischt sich in die Verträge von Unternehmen und Verbrauchern eigentlich nicht ein. Es gibt hier auch aber auch Grenzen. Eine Grenze wird bei individuellen Verträgen im Bereich der Sittenwidrigkeit gezogen (etwa, wenn eine Bank 30 Prozent Dispozinsen verlangen würde). Eine weitere Grenze wird im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gezogen. Hier hat der Gesetzgeber einen Katalog aufgestellt, welche Formulierungen bzw. welche Inhalte verboten sind.
Daneben gibt es eine Generalklausel, nach der überraschende Klauseln nichtig sind. Überraschend meint hierbei, dass der durchschnittliche Vertragspartner von einer Klausel überrascht wird, weil er mit ihr in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht rechnet. Es kommt also nicht darauf an, ob man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen hat oder nicht, sondern es wird geprüft, ob die entsprechende Formulierung auch wenn man sie gelesen hat, so überraschend ist, dass man mit ihr eigentlich nicht gerechnet hätte und sie somit unwirksam ist.
Beispiele für rechtswidrige Klauseln
Ein gutes Beispiel hierfür sind die sogenannten Abofallen. Hierbei wurde gerne eine Kostenpflicht des jeweiligen Online-Dienstes entweder komplett verschwiegen oder nur schwer wahrnehmbar auf der Webseite vermerkt. Regelmäßig war aber in den AGB die Zahlungspflicht konkret benannt. Da die gesamte Webseite aber den Eindruck erweckte, kostenfrei zu sein, ist eine Kostenpflicht versteckt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine überraschende Klausel und führt zur Nichtigkeit.
Im Ergebnis wäre der Vertrag dann entsprechend ohne Entgeltpflicht zustande gekommen. Wer ein Passbild fertigen lässt, muss nicht damit rechnen, dass sich der Fotograf in den AGB weltweite Rechte zur Nutzung des Fotos zu Marketing- und Werbezwecken einräumen lässt. Solche Klauseln wären ebenfalls nichtig.
Wer lesen kann ist klar im Vorteil?
Wenn man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsabschluss nicht liest, ist man zunächst selbst schuld. Man kann sich nicht darauf berufen, keine Kenntnis von dem Inhalt zu haben. Laut BGH reicht es im Übrigen aus, dass bei Onlinegeschäften deutlich sichtbar auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlinkt wird. Im Offline-Bereich reicht es aus, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen deutlich sichtbar bei Vertragsschluss eingesehen werden können.
Wer also Allgemeine Geschäftsbedingungen ignoriert, riskiert, dass ein Vertrag für ihn nachteilige Regelungen enthält. Eine Grenze ist erst dort erreicht, wo gegen die gesetzlichen Regelungen verstoßen wird. Leider kann man aber auch innerhalb des Erlaubten sehr viele nachteilige Regelungen für einen Nutzer vereinbaren.
Soziale Netzwerke
Wenn man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von sozialen Netzwerken oder Webseitenbetreibern liest, die aus den USA stammen, so ergibt sich die Besonderheit, dass man in den USA versucht, alles im Detail in solchen Bedingungen zu regeln. In Deutschland kann man oftmals auch auf gewisse Regelungen verzichten. Wenn ich ein Foto in einem sozialen Netzwerk als Profilfoto festlege, so ist es in Deutschland nicht zwingend notwendig, hierzu Regelungen zu treffen.
In den USA werden aber auch für solche Alltäglichkeiten detaillierte Regelungen festgelegt. In den USA wie in Deutschland gilt, dass das Hochladen eines Profilfotos rechtlich bedeutet, dass man eigentlich dem Webseitenbetreiber zumindest ein einfaches, weltweites Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung des Fotos einräumen muss. Wenn das Foto aus technischen Gründen bearbeitet werden muss, so ist zusätzlich die Einräumung eines Bearbeitungsrechts notwendig.
Der Webseitenbetreiber muss im Folgenden berechtigt sein, das Foto weltweit anzuzeigen. Des Weiteren können auch Regelungen aufgenommen werden, dass auch eine Vervielfältigung im Rahmen von Backups erlaubt ist. Solche Regelungen lesen sich dann recht schnell als Datenmonster und der einzelne Nutzer vermutet, dass mit seinem Foto verfahren werden darf wie es dem Webseitenbetreiber beliebt. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Hier würde wieder die gesetzliche Regelung eingreifen. Wer ein Profilfoto in sozialen Netzwerken benutzt, kann davon ausgehen, dass egal was in den Bedingungen festgeschrieben ist, der Webseitenbetreiber das Foto nicht für Werbezwecke oder andere Zwecke als die Nutzung als Profilfoto nutzen darf.
Wie alt bin ich?
Ein schönes Beispiel ist hier auch die Webseite von Microsofts how-old.net. Auf dieser Webseite kann man Bilder hochladen und die Webseite schätzt das jeweilige Alter. Vor einigen Monaten war diese Webseite gerade in den sozialen Netzwerken ziemlich beliebt und schnell kam die Vermutung auf, dass Microsoft sich die Rechte an den Fotos sichert, um diese umfassend verwerten zu dürfen. Dies ist so aber nicht richtig.
Wenn man das Foto auf der Webseite hochgeladen hat, stand bereits auf der Webseite deutlich geschrieben „P.S. We don‘t keep the photo“. Hiermit war klar und eindeutig formuliert, dass das Foto von Microsoft gerade nicht gespeichert und weiterverwendet wird. Ärgerlicherweise wurde aber weiter unten ein Link eingeführt der sich „Terms of Use“ nennt, also Nutzungsbedingungen. In diesen Terms of Use ging es aber gar nicht um das Projekt how-old.net, sondern diese Bedingungen waren eigentlich für Microsoft Webseiten gedacht bei denen die Nutzer selbst Beiträge verfassen und User-Accounts anlegen können (eine Art Microsoft-Forum).
Für diesen Fall hat sich Microsoft das Recht einräumen lassen, die Beiträge, die ein Nutzer verfasst und absendet, entsprechend auf der Webseite anzeigen zu dürfen. Wie bereits beschrieben, wäre dies aus rechtlicher Sicht gar nicht notwendig gewesen. Ansonsten stellt es aber nur das dar, was der Nutzer logischerweise auch gewollt hat, nämlich dass sein Beitrag unter seinen Nutzernamen im Internet weltweit abrufbar ist. Auch wenn die Terms of Use auf der Webseite verlinkt waren. so gilt, dass die weiter oben stehende konkrete, auf die Webseite bezogene Regelung hier sicherlich Vorrang hätte. Im Übrigen konnte man aus den Terms of Use auch entnehmen, dass es hier gerade nicht um die Webseite how-old.net ging.
Aufmerksam sein, aber im Extremfall abgesichert
Im Ergebnis ist es sicherlich richtig, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen kritisch zu lesen, denn es kann schon einen Unterschied machen, welche Rechte mir bei einem Softwarekauf eingeräumt werden und welche nicht. Ich kann mir aber insoweit sicher sein, dass völlig überraschende Regelungen nichtig sind und somit auch keinen Bestand hätten.
Weitere Fragen könnt Ihr gerne in den Kommentaren stellen. Ebenso freue ich mich über weitere Vorschläge für die nächste Kolumne.
⇒ Hier gibt es alle Teile von Boris berät.
⇒ Diese Serie wird präsentiert vom Spam-Krokodil.