Bei der VOX-Sendung Die Höhle der Löwen sitzt Frank Thelen als Investor in der Jury, fernab von seiner Fernsehkarriere ist er bekannt geworden mit Investments in Wunderlist, Scanbot oder myTaxi. Im Interview mit BASIC thinking spricht Thelen über sein persönliches Scheitern, die Gründer-DNA und was bei der Höhle der Löwen abseits der Kameras passiert.
Wir erreichen Frank Thelen am Montag wie verabredet gegen 14 Uhr telefonisch auf dem Weg vom Münchener Flughafen zu einem VOX-Event zur zweiten Staffel von „Die Höhle der Löwen„, die ab Dienstag, den 18. August wöchentlich um 20:15 Uhr auf VOX ausgetrahlt wird.
Frank, um die Jahrtausendwende standest du vor dem Nichts, hast viel Geld mit einem Unternehmen verbrannt.
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Also ich stand nicht nur vor dem Nichts, sondern sogar sehr tief im Minus. Das ist auch das Learning, was ich allen Gründern mitgebe: „Verbrenne gerne alles, aber nicht mehr als alles – also häufe keine Schulden an.“ Ich hatte damals knapp eine Million privater Schulden, das war eine grausame Zeit, weil man sich dadurch sehr stark als Verlierer fühlt. Du wirst ja von den Eltern aufgezogen, die erziehen dich und investieren viel für dich und dann stehst du mit 20 Jahren da und sagst: „Ich habe zwar nicht Nichts gemacht, aber einen riesigen Berg an Schulden angehäuft.“ Da hat dann auch mein Körper verrückt gespielt.
Wie bist du wieder auf die Beine gekommen?
Das ist sicher eine Typfrage. Ich habe viel vom Skateboardfahren gelernt, wo ich immer wieder hingefallen bin. Aber für mich war es irgendwie natürlich, immer wieder aufzustehen, weiterzumachen und dann mein nächstes Unternehmen zu gründen.
Du kämpfst bekanntlich dafür, dass das Scheitern in Deutschland mehr anerkannt wird. Was ist dein Haupt-Learning aus dem Scheitern damals?
Man wird sozial ausgegrenzt, insbesondere damals in meiner Jugend, wo noch jeder seinen Weg finden muss. Dann stehst du auf einmal alleine da, bist der Verlierer, der sein Auto abgeben musste und sich keinen Urlaub mehr mit den Jungs leisten kann. Diese soziale Ausgrenzung war für mich damals sehr schwierig – das ist auch der Grund, warum ich heute offen darüber spreche. Wichtig ist: Wir werden nur exzellente und besondere Unternehmer und Produkte finden, wenn wir auch mal mit 320 km/h über die Autobahn fahren. Wenn ich immer nur meine 120 km/h-Komfortzone fahre, werde ich nichts Besonderes leisten können. Und dabei muss man eben auch akzeptieren, dass es mal crasht. Diesen Menschen muss man nicht zujubeln, aber sie eben auch nicht verbannen. Das ist in Deutschland sehr schlecht etabliert, da sind die USA deutlich besser.
Du hast in einem Interview mal gesagt, dass du oft von der Klippe gesprungen bist und unterwegs erst die Flügel zusammengebaut hast. Meinst du, dass jeder ein Gründertyp ist?
Sehr wichtiger Punkt! Früher wurde ich immer gefragt, ob ich arbeitslos bin, wenn ich gesagt habe, dass ich Unternehmen gründe. Heute ist es genau umgekehrt: Da ist Gründen angesagt und cool. Beides ist falsch, eben weil nicht jeder Gründen kann. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die überhaupt diese DNA, dieses Reality Distortion Field haben, also die Realität nicht wahrnehmen und sagen: „Da ist keine Wand“, obwohl dort eine ist. Man sollte nicht den Bock zum Gärtner machen und Gründer werden, wenn man es eigentlich nicht kann. Es ist einfach eine extreme Phase.
Bist du deswegen häufig sehr hart in Die Höhle der Löwen – vor allem, wenn ein Gründer nicht optimal vorbereitet ist?
Ja, aber nicht bewusst, sondern weil ich es erlebt habe und weil es meine feste Überzeugung ist. Ich bin genauso hart auf der Straße. Die, die wirklich gründen sollten, sollten das auch tun und die richtigen Investoren und Coaches haben. Aber wenn ich merke, dass jemand beispielsweise nicht mal seine Wettbewerber kennt, dann fehlt ihm einfach der Biss und er wird mit großer Wahrscheinlichkeit niemals ein Unternehmer werden.
Warst du in deinen Anfängen auch so, wie du es heute von den Gründern erwartest, wenn sie in der Sendung vor dir stehen?
Ja und nein. Ich habe viele extrem dumme Fehler gemacht. Aber ich war immer driven, ich hatte immer Passion. Es wäre mir nicht passiert, dass ich mal zu spät gekommen wäre oder dass ich meine Wettbewerber nicht kenne. Ich habe wirklich meine Unternehmen immer gelebt. Deswegen habe ich trotzdem viel Scheiße gebaut, aber solche Sachen sind mir sicher nicht passiert.
Du hast deine Unternehmen gelebt, sagst du. Ab wann wird Geld wichtiger als Leidenschaft?
Jeder, der geldgetrieben ist, wird kaum Erfolg haben. Alle Gründer, die ich kenne und die erfolgreich sind, haben es nicht wegen des Geldes getan, sondern weil sie es in der DNA haben und ihre Unternehmen gründen wollten. Wenn zu mir ein Unternehmer kommt und sagt: „Ich habe hier ein geiles Produkt, dafür gibt es schon drei potenzielle Käufer“, dann ist das supergeil, aber ich werde sicher kein Geld investieren.
»Man muss aber natürlich auch ein paar Euro Privatvermögen haben, um nicht zu sehr ins Risiko zu geben. Man sollte jetzt nicht sein Haus beleihen, sondern man muss es sich leisten können.«
Man investiert Jahre in den Aufbau von etwas und dann kommt jemand und bietet sein Geld dafür. Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Exit?
Das ist sehr schwierig, weil das ja ins Gegenteil geht zu dem, was ich gerade gesagt habe. Ich glaube, man muss wirklich den richtigen Zeitpunkt finden. Wenn ich also den besten Taskmanager der Welt gebaut oder mein Ziel, 50.000 Taxis fahren zu lassen, erreicht habe und dann kommt der richtige Partner mit dem richtigen Preis, dann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, zu verkaufen. Aber der Ursprung, warum ich gegründet habe, darf niemals sein, dass ich irgendwann mal verkaufen möchte. Das kommt auch einfach, das kannst du nicht planen. Du musst zur richtigen Zeit die richtige Position haben, um dann einen Käufer zu finden.
Kommen wir mal zur Show an sich. Gezeigt werden immer nur ein paar Minuten, in denen sich euch ein Gründer präsentiert. Was passiert abseits der Kameras?
Mir ist total wichtig festzuhalten, dass wir die Start-ups wirklich vorher nicht kennen, nichtmal den Markt. Dann pitchen die uns fünf bis zehn Minuten ihre Idee, das machen die mal besser und mal schlechter, mal kürzer und mal länger. Und dann haben wir maximal zwei Stunden, in denen wir alle Fragen stellen können. Das nutzen wir aber nur selten voll aus. So etwas kommt dann aber nicht alles auf Sendung, weil es irgendwann langweilig wird. Das wird von Sony, die die Sendung ja produzieren, zusammengeschnitten, da sind wir im Prozess nicht mehr drin und am Ende selber überrascht, was aus dem Material geschnitten wird.
Ist das nicht ein bisschen kurz, um zu entscheiden, ob ich den ein oder anderen Tausender in eine Idee stecke?
Total. Ich habe in einer Folge der neuen Staffel mal zwei Millionen Euro geboten. Natürlich ist das wenig Zeit, aber das ist eben auch der Reiz an dem Format. Ich mache das, weil ich glaube, dass das Format wichtig ist, um eine Art MBA-Studium light in den 12 Wochen an je zwei Millionen Menschen in die Wohnzimmer zu schicken und ihnen das Thema Start-ups näher zu bringen. Man muss aber natürlich auch ein paar Euro Privatvermögen haben, um nicht zu sehr ins Risiko zu geben. Man sollte jetzt nicht sein Haus beleihen, man muss es sich leisten können.
Das Risiko spürt man etwa in manchen Fällen aus der vergangenen Staffel, wo zwar Deals versprochen wurden, aber am Ende wegen offener rechtlicher Fragen nicht gehalten werden konnten.
Wenn ich einen Deal zusage und es ist alles wie versprochen, dann halte ich den Deal auch ein. Wenn mir ein Gründer aber sagt, er hat eine Million monatlich aktive Nutzer, dann können das auch mal 950.000 sein oder 900.000. Aber wenn es dann 650.000 sind, war das nicht Marketing, sondern eine Lüge und dann werde ich nicht in ein Unternehmen investieren.
»Das Silicon Valley hat inzwischen das perfekte Ökosystem – aber das hat eben auch lange genug gedauert. London hat sich auch gut entwickelt, aber in Europa wird die führende Stadt Berlin werden.«
So etwas könnte ja auch im Vorhinein geprüft werden. Wie läuft der Auswahlprozess im Hintergrund ab?
Was Sony macht, ist: Die haben ein Team, das sich die Start-ups zwar anschaut, aber nicht in jedes Start-up super tief reingehen kann. Die überlegen sich dann, was ein spannendes Produkt ist. Du musst da aber natürlich eine Mischung finden mit dem Entertainment. Wenn du nur super B2B-Businesscases hast, die total gut sind und wir immer investieren können, dann sagt irgendwann auch meine Mutter: „Joa, ist eine gute Sendung, aber jetzt auch nicht so unterhaltsam.“ Das heißt, man muss die Mischung finden aus guten Investments und Entertainment. Das ist Sonys Aufgabe, die sie in der zweiten Staffel jetzt extrem besser gemacht haben. Aber auch da, wie auch bei den Löwen, ist noch Optimierungspotenzial.
Du hast selbst auch Kritik an Die Höhle der Löwen geäußert, zum Beispiel an der Darstellung der Investoren. Da ging es etwa darum, dass du einmal mit einem Porsche gezeigt wurdest. Hat sich daran etwas geändert?
Oh ja, der Porsche war nicht mehr zeitgemäß und so nicht geplant. Diesmal fahre ich auch ein Auto, aber eines, was gut ist und das wollte ich dann auch so…
… der Tesla, den du in einem Interview mal geäußert hast?
Das wird man sehen. Aber insgesamt haben wir uns weiterentwickelt und sind zu einem Team geworden. Es ist jetzt Die Höhle der Löwen 2.0. Die Start-ups sind um Welten besser geworden und auch die Löwen haben sich verbessert. Wenn man sich mal anschaut, wo die Kollegen aus den USA bei Shark Tank stehen, dann ist das unglaublich. Hier in Deutschland bin ich ja der einzige “echte“ Investor, also der dies in seinem normalen Leben auch macht. Das Format ist in Amerika so stark geworden, dass dort inzwischen wirklich die Superstars der Szene als Guest Sharks mitmachen und investieren. Das ist auch mein Ziel für Deutschland, dass wir mehr “echte“ Investoren mit reinnehmen und ich glaube, dazu sind wir auf einem guten Weg.
Die Sendung hat, wie du schon gesagt hast, in den USA oder in Großbritannien mit Dragons‘ Den sehr populäre Geschwister. Wo unterscheiden sich US-, UK- und deutsche Start-up-Szene?
Ein Ökosystem ist ein 360-Grad-System. Das heißt, wir brauchen Leute, die während einer Taxifahrt mal eben 100.000 Euro Startkapital für eine gute Idee ausgeben können. Dann gibt es die Series-A-Finanzierung, für die du Venture-Capital-Fonds mit mehreren Hundert Millionen Euro brauchst. Dann brauchst du die Series-B, einen IPO-Markt, das ganze Gründerding, wo die Menschen die DNA zum Gründen haben. Dann noch die Eltern, die schon mal Erfolgsgeschichten gehört haben und ihren Kindern mitgeben, dass Gründen auch eine Option ist, die Politik, und so weiter. Man kann also nicht einfach sagen, wir haben einen tollen Venture-Capital-Fonds, jetzt muss es ja funktionieren. Solche Systeme müssen über Jahrzehnte wachsen. Das sieht man am Silicon Valley. Die haben inzwischen das perfekte Ökosystem – aber das hat eben auch lange genug gedauert. London hat sich auch gut entwickelt, aber in Europa wird die führende Stadt Berlin werden.
Das ZDF hat vor einigen Wochen Die Höhle der Löwen mehr schlecht als recht kopiert mit dem Format Kampf der Start-ups. Findest du es wichtig, dass das Thema eine größere mediale Präsenz genießt?
Das finde ich gut. Ich freue mich sehr, wenn es jemand macht, gerne auch ein anderer Sender wie ZDF oder ARD. Aber es muss dann etwas Innovatives sein.
Wenn ich ein Unternehmen gründen möchte und würde sagen: Komm, Frank, was ist dein bester Tipp für mich. Was würdest du antworten?
Gründe nur, wenn du bereit bist, für diese Idee alles andere hinten anzustellen – Familie, Privatleben, finanziellen Erfolg. Du musst davon besessen sein. Aber auch ehrlich zu dir selbst – und dir die Frage stellen, ob du das willst. Das ist kein cooler Wir-werden-alle-Millionäre-Trip, sondern ein arschharter Trip, der dich an die Grenzen deiner Belastbarkeit bringen wird. Und die Chancen, dass du damit erfolgreich wirst, sind leider gering. Deswegen tue ich mich zum Beispiel besonders schwer damit, Familienvätern, die ein Haus abzubezahlen haben, ein Investment zu geben. Ich liebe es aber, wenn Leute aus der Uni kommen und noch nichts zu verlieren haben. Dann gebe ich gerne mal 100.000 Euro und sage: „Probier es, arbeite Tag und Nacht, lebe in einer WG und guck, ob du das Ding bauen kannst.“ Das ist das Wichtigste: Dass man weiß, dass das harte Arbeit ist.
Frank, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte BASIC thinking-Chefredakteur Tobias Gillen.
Alles zu „Die Höhle der Löwen“ gibt es in unserem Special zur Show.