Facebook kann eine wunderbare Möglichkeit sein, Menschen und Meinungen eine Stimme zu geben. Leider aber sind darunter auch viele Äußerungen, die klar diskriminierend und rechtswidrig sind. Aktuell kommt es insbesondere in der Flüchtlingsdebatte häufiger zu Äußerungen, die eigentlich (nicht nur) auf Facebook nichts zu suchen haben. Wer diese Inhalte aber meldet, wird teils noch selbst verwarnt. Wir haben nachgefragt: Wie viel Hass ist erlaubt, Facebook? // von Tobias Gillen
„Darum mein Appell: Saubere Straßen für Deutschland. Brummifahrer, haltet drauf“, das schreibt ein Facebook-Nutzer im Bezug auf Flüchtlinge in einem Kommentar. Sie kämen wie die Fliegen, die Polizei werde nicht mehr fertig. Die Lösung des Mannes: Einfach überfahren, dann wird das schon wieder – zumindest in der klitzekleinen Welt des Verfassers.
Dass es hierbei darum geht, Menschen zu helfen, die vor schlimmsten Situationen fliehen, vor Gewalt, Krieg, Armut – und ihnen eine faire Chance zu geben, wird leider häufig vergessen. Dass es den Menschen so schlecht geht, dass sie ihre Heimat verlassen und in eine mehr als ungewisse Zukunft aufbrechen, ebenfalls. Und dann kommen sie nach Deutschland und werden als erstes mit solchen Äußerungen konfrontiert? Das kann nicht wahr sein.
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Die Gemeinschaftsstandards
Zum Glück gibt es aber noch viele Menschen, deren Welt aus mehr als nur den eigenen vier Wänden besteht. Die noch unterscheiden können zwischen Recht und Unrecht und denen es nicht zu anstrengend ist, mal anderhalb Sekunden differenziert nachzudenken, bevor sie irgendwelchen kranken Unsinn in die Welt setzen. Und zum Glück gibt es bei Facebook sowie in fast allen anderen Netzwerken „Melden“-Buttons, um derlei Kommentare als Verstöße zu markieren.
Problematisch wird es aber, wenn diese Äußerungen dann doch „nicht gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook“ verstoßen, wie zum Beispiel bei dem „Appell“ weiter oben und vielen weiteren Posts, die sogar noch weiter gehen. Da sind zum Beispiel Bilder vom Eingangstor zum Konzentrationslager Auschwitz, wo aus der Aufschrift „Arbeit macht frei“ mittels Photoshop „Asylantenheim“ gemacht wurde, Forderungen zur „Vergasung“ von Flüchtlingen sind ebenfalls häufig zu lesen.
„Sicherheit der Menschen hat höchste Priorität“
Wer diese Posts in Vielzahl meldet, kann am Ende sogar selbst mit Konsequenzen rechnen. Facebook verwarnt nämlich solche Nutzer irgendwann, wenn zu viele gemeldete Posts „nicht gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook“ verstoßen. Damit wolle man verhindern, dass das ungerechtfertigte Melde-Aufkommen im Rahmen bleibt. Etwa gab es Fälle von Medienunternehmen, die von PEGIDA-Anhängern in Reihe gemeldet wurden, nur weil denen die Berichterstattung der „Lügenpresse“ nicht passte.
Facebook lässt sich auf BASIC thinking-Nachfrage zu den Vorwürfen so zitieren: „Für Facebook ist die Sicherheit der Menschen auf Facebook von höchster Priorität.“ Und weiter: „Grundsätzlich ist es so, dass alle Inhalte, die gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstoßen, umgehend gelöscht werden.“ Guckt man sich in den Gemeinschaftsstandards so um, ist es unverständlich, warum das bei solchen Äußerungen trotzdem immer wieder nicht passiert.
Darin steht, unter dem Punkt „Hassbotschaften“:
Facebook entfernt sämtliche Hassbotschaften, d. h. Inhalte, die Personen aufgrund der folgenden Eigenschaften direkt angreifen: Rasse, Ethnizität, Nationale Herkunft, Religiöse Zugehörigkeit, Sexuelle Orientierung, Geschlecht bzw. geschlechtliche Identität oder schwere Behinderungen oder Krankheiten.
Das „Community Operations Team“ entscheidet
Um zu verstehen, wie es trotzdem sein kann, dass solche Äußerungen nicht gelöscht werden, muss man den Prozess im Hintergrund erst einmal verstehen. Wer einen Artikel meldet, muss dafür einen Grund angeben. Hier empfiehlt es sich schon, den richtigen Grund auszuwählen. Wer bei den Botschaften oben etwa „Spam“ auswählt, wird schlechte Karten haben, dass sie gelöscht werden.
Einmal gemeldet, wandert der Post zu einem Team, das Facebook das „Community Operations Team“ nennt. Dort sitzen Muttersprachler, die jede Meldung prüfen und dann entsprechend entscheiden, ob der Post gegen die Standards verstößt. Hier trifft eine Person die Entscheidungen über die Äußerung.
Fehler in der Häufigkeit nicht erklärbar
Aus Facebook-Kreisen heißt es, dass hier Fehler nicht ausgeschlossen seien, man sich aber die Vielzahl der in der BASIC thinking-Anfrage aufgezählten Beispiele nicht erklären könne. Zumindest über eine Löschung des eigenen Profils wegen zu häufigem Melden von Inhalten brauche man sich keine Sorgen machen. Nach einer kurzen Informationen darüber sollte es kein Problem sein, den Account wieder freizuschalten.
Das löst aber noch lange nicht das Problem der Hass-Kommentare gegen Flüchtlinge oder Homosexuelle. Eine Alternative zu Facebook wäre eine (Online-)Anzeige bei der Polizei. Denn viele der meldungswürdigen Kommentare verstoßen nicht nur ganz klar gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook und den menschlichen Verstand, sondern auch gegen geltendes Recht. Hier ist leider genauso unklar, wie vielversprechend das ist.
Klar ist aber, dass Facebook hier ganz klar seine Pflichten vernachlässigt und dringend nachbessern sollte, zur Not eben nicht nur im „Community Operations Team“ sondern auch bei den so viel erwähnten Gemeinschaftsstandards. So wie es aktuell ist, kann und darf es nicht bleiben.
Erfrischend sachlich. Danke!
Auf Google+ (ja, das gibts noch) sieht es leider genau so aus. Würde man wirklich jeden braunen Müll melden wollen, käme man aus der Klickerei gar nicht mehr raus. Und das Ergebnis? Null. Meine Konsequenz ist, dass ich die sogenannten „sozialen“ Medien einfach so gut es geht meide. Gerade dort wird „Meinungsfreiheit“ anscheinend völlig falsch verstanden und vom jeweiligen Systembetreiber auch entsprechend geduldet. Dieter Nuhr, den ich ansonsten für einen neoliberalen Kasper halte, hat das Problem vor kurzem ganz gut zusammengefasst:
„Die im Internet üblichen Beschimpfungen, Beleidigungen, Todeswünsche, Drohungen, was der Mensch halt so ausstößt, wenn er sich an seiner Tastatur unbeobachtet fühlt, habe ich wie immer staunend beobachtet. Wo erfährt man so ungeschminkt, wie er ist, der Mensch? […] Es geht hier schon lange nicht mehr um Meinungsfreiheit. Es geht um Meinungshoheit. In den seltensten Fällen kommt es zum Austausch von Argumenten. Die Regel ist, dass die Vernichtung der abweichenden Meinung angestrebt wird, meist durch Überwältigung, Etikettierung, Beleidigung.“
Naja, so doll scheint es hier dann ja doch nicht zu laufen, wenn man jetzt so ein populistisches Zeug postet.
Kommt morgen dann was zum Thema Ausländerkriminalität? Oder darüber, dass nur 2% der Flüchtlinge auch als solche anerkannt werden?
Niemand hat hier etwas gegen Flüchtlinge. Es gibt scheinbar nur unterschiedliche Definitionen, was ein „Flüchtling“ ist. Und Leute, die Tausende Euro an Schlepper zahlen, um hier dann aus dem Sozialtopf zu leben, sind eben keine Flüchtlinge. (bzw. Wirtschaftsflüchtlinge.) Auch Drogendealer, Vergewaltiger, Räuber… Alles keine Flüchtlinge. Und nicht an allem auf dieser Welt ist der Deutsche und seine „Willkommenskultur“ Schuld.
Flüchtlinge waren unsere Omas und Opas. Von denen hat sich aber auch niemand so aufgeführt, wie ein Großteil der Leute, die jetzt in das Land kommen.
Das rechtfertigt natürlich nicht jemanden überfahren zu wollen. Aber es ist auch nicht hilfreich auf den Zug aufzuspringen und so zu tun, als wären das alles Flüchtlinge, die aus Gründen fliehen, aus denen unsere Großeltern geflohen sind.
1) Was hat das damit zu tun, wie es hier läuft?
2) Populistisch? Seriously? Eine kritische Nachfrage bei Facebook und den Hintergrund erklären ist wohl kaum Populismus.
3) Du sagst es selbst: „Das rechtfertigt natürlich nicht jemanden überfahren zu wollen.“ Eben, um nichts anderes geht es hier. Hier wird keine politische Diskussion aufgemacht, die müssen sicher vor allem andere führen. Ich glaube, man merkt meine Meinung zu dem Thema und dass sie eine andere ist als deine. Aber von Populismus ist das weit weg.
War ja klar, dass die „angesprochene“ Zielgruppe sich auch zu Wort melden wird. Und natürlich gleich das Sprachrohr für sämtliche braune Äußerungen an sich reißt („Niemand hat hier etwas gegen Flüchtlinge“. Nein. Natürlich nicht. NIEMAND.)
Aber schön, dass es noch immer Menschen gibt, die der Meinung sind, selbständig entscheiden zu können und zu müssen, wer berechtigt Flüchtling ist und wer nicht. Sonst hat man ja den ganzen Tag über so herrlich wenig zu tun.
Nun, dann hast Du den Artikel schlichtweg nicht verstanden.
„Leute, die Tausende Euro an Schlepper zahlen, um hier dann aus dem Sozialtopf zu leben, sind eben keine Flüchtlinge. (bzw. Wirtschaftsflüchtlinge.)“
Jaaa, genau…. Die Leute zahlen 5000-8000€, setzten ihr Leben aufs Spiel um dann in Deutschland in abgefuckten Baracken von wenigen 100€ zu leben… Vor allem die Leute aus Bürgerkriegsländern! Die sollen sich eh mal nicht so anstellen, jetzt wo alles kaputt ist kann man ja sicher auch super als Bauunternehmer verdienen – irgendwer muss ja alles wieder aufbauen!!!!drölf!!!
Ich hoffe Du merkst, wie dumm deine Aussage ist…
„Flüchtlinge waren unsere Omas und Opas. Von denen hat sich aber auch niemand so aufgeführt, wie ein Großteil der Leute, die jetzt in das Land kommen.“
Wie führen die sich die denn so auf? Mal abgesehen davon, dass die „Vertriebenen“ auch damals Mißtrauisch beäugt wurden, kann man das Grundsätzlich nicht ganz vergleichen…
Aber warum genau sind Leute, die aus Bürgerkriegsländern oder politisch instabilen Ländern kommen denn bitte keine Flüchtlinge?
Hallo,
ich glaube, Facebook ist gar nicht der Grund für die Anfeindungen im Internet. Klar ist dies auch ein Verteilungskanal, allerdings nur einer von vielen. Meiner Meinung nach steckt das Problem in der Anonymität des Internets. Zwar sind Name und Profil zu sehen, allerdings kann (ohne großangelegte Recherche) nichts Weiteres über den User herausgefunden werden. Eine Aufhebung der Anonymität (per Gesetz, Facebook-Richtlinien, etc.) würde ein hohes Sicherheitsrisiko im Datenschutz darstellen.
Hallo Tobias,
vielen Dank für deinen gut recherchierten Artikel.
Ich habe mich auch schon gewundert, warum die Verantwortlichen bei Facebook scheinbar mit zweierlei Maß messen (Stichwort „stillende Mütter“).
Mir selbst ist es auch schon leider passiert, dass von mir gemeldete Hass-Beiträge aus der rechten Ecke nach längerem Review-Prozedere letztendlich nicht gelöscht wurden, obwohl der Grund mit „Hassbotschaft“ korrekt genannt wurde.
Irgendwie traurig, aber ich habe das Gefühl, dass es ein bisschen wie der berühmte Kampf gegen die Windmühlen ist. Ich möchte jetzt auch gar nicht ausschließlich auf dem Team von Facebook herumhacken, denn mindestens genauso schlimm finde ich die etwas subtilere Fremdenfeindlichkeit, bei der nicht gleich mit Praktiken aus dem 3. Reich gedroht werden. Hier findet man nämlich erschreckend viel Zustimmung (Stichwort „warum haben die Flüchtlinge alle neue Markenschuhe und Smartphones“). Da fällt es sicherlich schwer eine Grenze zu ziehen und nicht als der große Zensor verschrien zu sein…
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Mittlerweile habe ich einen anderen, positiveren Ansatz gewählt und versuche, statt lediglich Hass zu melden, einfach möglichst viele Menschen (Einheimische wie Flüchtlinge) die Chance zu ermöglichen ihre Vorurteile doch einmal zu überdenken:
facebook.com/Grenzen.Ueberwinden
Vielleicht ist es auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man den gesamten Hass in sozialen Netzwerken betrachtet, trotzdem freue ich mich über jeden, der dadurch seine Vorurteile ablegen konnte.
Herzliche Grüße
Stefan W. Wolf
„Guckt man sich in den Gemeinschaftsstandards so um, ist es unverständlich, warum das bei solchen Äußerungen trotzdem immer wieder nicht passiert.“
Leider ist das auch durch diesen guten Artikel nicht wirklich klar geworden. Was soll man davon halten, dass sich das auch FB „nicht erklären“ kann?
Irgendwo müssen da doch echte Menschen Verantwortung tragen. Diese „Muttersprachler“ – sind das Phantome, die es in Wahrheit gar nicht gibt?
Immerhin wird klar, dass es von Menschen geprüft wird und nicht von einem Algorithmus. Und zur Verantwortung: Letzte drei Absätze 🙂
[…] einen verstärkten Hallraum jedes Mal, wenn ein solcher Löschungsantrag abgelehnt wird. “Wieviel Hass ist erlaubt?“, fragte zum Beispiel Tobias Gillen auf Basic Thinking. Finaler Satz: “So wie es […]
Hallo, Leider habe ich diesen Post erst jetzt zu lesen bekommen!
Ich glaube das Facebook und Co. Einfach zu verlockend für Menschen sind die zwar soviel Hirn haben ein Hassposting hinzubekommen aber zu feige sind ins Rampenlicht zu treten.
Sie verstecken sich hinter der Anonymität des Internets und befriedigen dort ihr krankes Hirn, indem Sie über Menschen herziehen von denen Sie Angst haben.
Das schlimme daran ist: diese Hassposter können als Marionetten für jede Art der Difammierung und Hetzte benutzt werden und davor kann man nur warnen.
[…] Hass und Hetze in den sozialen Medien sind in den vergangenen Monaten zu einem großen Problem geworden. Zwar gibt es inzwischen diverse Zusagen seitens der Netzwerke, aktiver gegen Hate-Speech vorzugehen, nur so richtig gelingen will das noch nicht. Nun stellt sich die Anti-Hass-Abteilung bei Facebook in einem Imagefilm vor. […]
[…] Potentiale des Internets werden seltener wahrgenommen. Im Gegenteil: Im Umgang mit Pegida, Hatespeech und Trollen entsteht schnell der Eindruck, das Internet entwickle gerade eine eher undemokratische […]