Wir schauen Filme bei Netflix, Maxdome oder Watchever, hören Musik über Spotify und Apple Music. Kurz: Streaming ist „in“. Nur nicht bei Games. Hier wird seit Jahren von der Cloudgaming-Revolution fabuliert, doch außer viel heißer PR-Luft, Übernahmen und Pleiten ist nicht viel geschehen. Aktuell gibt es wieder ein paar Wiederbelebungsversuche. Ein letztes Aufbäumen? // von Jürgen Kroder
Wenn man vor ein paar Jahren Experten befragte, welche Themen die Zukunft der Computer- und Videospiele seien, dann fielen mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit folgende Aussagen: Browsergames, Mobiles Games und Cloud Gaming.
Während die beiden Erstgenannten wirklich eine Nenngröße wurden, kam Letzteres nie aus den Puschen. Obwohl irgendwie alle ins gleiche Horn geblasen haben, von „Sim City“-Erfinder Will Wright bis hin zu Brian Farrell (ehemaliger CEO des mittlerweile toten Publishers THQ): Cloudgaming sei die Zukunft, da war man sich sicher. Ja, manch einer beschwor schon das baldige Ende von Konsolen herauf, da die ja dank Datenstream obsolet werden würden.
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Was wurde aus den Hauptakteuren?
Schöne, neue Zukunft. Sie klang so verheißungsvoll. Plattformen würden aufgebrochen und Systemgrenzen eingerissen werden, Games könnte es immer und überall als Flatrate geben. Das waren die Visionen. Seitdem sind einige Jahre ins Land gegangen.
Der große Hype um Cloudgaming entstand um 2010 herum. Zu dieser Zeit gab es zwei Platzhirsche, die mit viel PR-Tamtam das weite, unbekannte Territorium beackerten: OnLive und Gaikai. Beiden Firmen traute man die große Gaming-Revolution zu, deswegen butterten Investoren Abermillionen in die beide Unternehmen, um vom Markt von Morgen profitieren zu können.
Doch daraus wurde nichts. Nachdem beide Dienste mal kurz online waren, gingen sie recht rasch auch wieder offline. Im Juli 2012 wurde Gaikai an Sony veräußert, woraus Playstation Now entstand. OnLive legte eine Pleite hin, startete neu durch, um am Ende seine Reste ebenfalls an Sony zu veräußern.
Wann kommt es?
Ist Sony nun der neue Cloudgaming-Gigant? Nein. Auch hier werkelt man seit ein paar Jahren am Cloudgaming-Sturm, der bislang aber vielleicht einem lauen Lüftchen gleich kommt. Derzeit ist Playstation Now nur in wenigen Ländern als Beta-Produkt erhältlich. Zum Beispiel in den USA und Kanada, aber nicht in Deutschland.
Warum? Dazu haben wir mehrere Pressevertreter und Pressestellen von Sony um ein Statement gebeten. Das Ergebnis: keine Antwort.
Cloud Gaming: Wunder Punkt?
Haben wir etwa einen wunden Punkt getroffen? Eigentlich erscheint Sony ganz ambitioniert. Das Ziel von Playstation Now sei es, das Gaming umzukrempeln. Anstatt umständlich eine Abwärtskompatibilität in seine Konsolen zu integrieren – wie es jüngst Microsoft für seine Xbox One ankündigte – kann man die User ganz einfach per Stream ältere Titel zocken lassen. Titel der Playstation 1, 2 oder 3 auf der Playstation 4? Kein Problem, die Daten kommen aus der Cloud. Und dafür benötigt es eigentlich nicht mal die Hochleistungshardware der aktuellen Generation.
Eigentlich reichen ein Smart-TV und ein Gamepad aus. Deswegen rüstete Sony schon die ersten Fernseher mit Playstation Now aus. Das soll nur der Anfang sein: Die Japaner haben den Plan, auch „non Sony devices“ zu unterstützen. Das klingt nachvollziehbar. Und zukunftsweisend. Doch wie gesagt: Die Revolution tippelt noch vor sich hin, anstatt mit großen Schritten die alten Herrscher vom Thron zu stoßen.
Was ist mit anderen Anbietern?
OnLive und Gaikai waren nicht die Einzigen, die in den letzten Jahren den Umbruch schaffen wollten. Weil das Thema total angesagt war, versuchten sich einige Firmen in dem Segment. Zum Beispiel die Deutsche Telekom zusammen mit Ubitus, der Casual-Games-Anbieter Big Fish Games mit seinem Dienst „Big Fish Games Unlimited“, Microsoft tat sich mit Agawi zusammen, AMD kooperierte mit CiiNow und Metaboli und der „Tomb Raider“-Hersteller SquareEnix startete Shinra.
Die Liste könnte man lange weiterführen, doch echte Ergebnisse kriegt man kaum. Die meisten Versuche wurden sang- und klanglos eingestellt. Cloudgaming scheint am Boden zu liegen.
Nvidia will vorne mit dabei sein
Was nun? Einfach aufgeben? Das passt irgendwie nicht zur dynamischen Gaming-Industrie. Deswegen gibt es in jüngster Zeit ein erneutes Aufbäumen. Zum Beispiel pusht Hardware-Hersteller Nvidia das Thema. Mit seinem Dienst GRID will man Game-Streams ins Wohnzimmer bringen, bevorzugt auf die eigene Hardware wie beispielsweise das Power-Tablet Shield.
Doch GRID ist wie Playstation Now nur in wenigen Ländern verfügbar, dazu zählt (mal wieder) nicht Deutschland. Wann es hierzulande losgehen soll? Genaue Angaben fehlen, es wurde bislang von Frühjahr oder Sommer 2015 geredet. Meine Nachfrage nach einem genaueren Termin verlief wie bei Sony ebenfalls im Sand.
Ich habe das Gefühl, Cloudgaming ist nach all den Pleiten, Niederschlägen und ständigen Verschiebungen ein Reizthema geworden, zu dem man sich nicht mehr äußern will. Untermauert wird die Vermutung durch Anfragen bei Kontakten in anderen Unternehmen, die sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigen oder beschäftigt haben – keiner will dazu ein Statement abgeben.
Ist Cloudgaming also tot?
Nein, diesen Eindruck habe ich nicht. Denn Nvidia und Sony sind nicht die einzigen, die nun mit vielen Jahren Verspätung Cloudgaming für die breite Masse beleben wollen. Beispielsweise kaufte kürzlich die amerikanische Seite Gamefly.com den israelischen Anbieter Playcast auf, um ein „Netflix for Games“ für Amazon TV zu starten.
Zudem munkelt man, dass auch Spiele-Hersteller Valve auf seiner Plattform Steam einen Cloudgaming-Service anbieten will. Verständlich, wenn das Thema an Fahrt aufnehmen sollte, darf der Platzhirsch unter den Games-Anbietern nicht fehlen. Doch eine offizielle Ankündigung dazu steht noch aus.
Meine persönliche Einschätzung
Cloudgaming hat die Art und Weise, wie wir Spiele nutzen, bislang noch nicht revolutioniert. Bislang ist das ein Sportwagen, der im Stau steht. Und da könnte er in manchen Territorien noch ein paar Jahre verweilen. Denn auch wenn es bald mehrere Angebote geben sollte, so fehlt es noch einem wichtigen Utensil: ordentlich Speed durch die Leitung. So lange der Breitbandausbau in Deutschland vor sich hinkriecht, wird auch Cloudgaming für die Masse nicht nutzbar sein. Denn im Gegensatz zu Musik- oder Videostreams sind hier Latenzen in keinster Weise verzeihbar. Cloudgaming ist quasi die Königsdisziplin des Streamings.
Sollte aber Breitband mal nicht nur ein Schlagwort, sondern Realität sein, dann blicke ich in eine optimistische Zukunft. Für viele Spiele und Situationen benötigt man wirklich keine sündhaft teure Hardware, dafür reichen auch Bits und Bytes im Netz. Und die sind Plattform-unabhängig nutzbar: Nintendo-Klassiker auf dem Smart-TV, Playstation-Games auf dem Smartphone und Xbox-Titel auf dem Sony-Handheld – das klingt nach einer rosigen Zukunft.
Bilder: Screenshots (onlive.com, playstation.com, nvidia.de)