Wer in sozialen Netzwerken Fotos postet, möchte gesehen werden und freut sich über den Happen „beneidet werden“. Allen voran auf Instagram wird massiv mit emotionalen Bildern gearbeitet, um aus der Masse zu stechen. Blogger neben Unternehmen, Superstars und Teenies dazwischen. Da genügt ein lustiges Handyfoto nicht mehr. Auch auf Facebook ist die Ära der Schnappschüsse vorbei. Es wird häufiger über Konzept und Aufbau nachgedacht, obwohl es noch Luft nach oben gibt. Auch bei Twitter ist zu bemerken, wie immer mehr Bilder in die Timeline gespült werden. Hier dürfte sich das ideale Maß noch nicht bei allen durchgesprochen haben, denn in den letzten Monaten sehe ich sehr viele unvorteilhaft abgeschnittene Bilder.
Ganz ohne lange zu suchen, sehe ich „Freunde“, die quasi ständig posten, wie toll ihr Leben ist. Sie zeigen uns ein Foto vom Luxus-Abendessen auf der Sonnenterrasse. Ein Publikumsselfie mit Ihrem Lächeln in der Mitte. Ein Bild vom Traumstand, an dem sie gerade arbeiten oder Urlaub machen. Ein Schnappschuss von dem unglaublichen Event, bei dem wir leider nicht dabei sein können. Frei nach „pics or it didn’t happen“ wird alles bis zum Babyfoto gepostet. Und wir beneiden sie. Richtiger: Wir bewundern sie manchmal und wünschen uns, dass wir es wären.
Instagram-Urlaubsfotos und die Unterlegenheit
Okay, manchmal nervt es, wenn das Lächeln auf jedem Selfie immer gleich ist. Oder, wenn ständig Filter genommen werden müssen, weil das Bild ja sonst zu schlecht belichtet ist. Oder wenn Facebook nur noch mit gestellten Erfolgsfotos gefüllt ist, für die man Profibeleuchtung und Photoshop braucht. Oder wenn man auf Instagram nichts anderes mehr sieht, außer die Bilder einer Freundin, die gerade gratis WLAN in Ihrem Urlaubsort gefunden hat und mal gleich 30 Bilder hochschießt.
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Am Unangenehmsten ist es, wenn man selbst schon im Urlaub war oder dieses Jahr nicht in Urlaub fahren kann. Denn “Neid ist eine natürliche und spontane Reaktion bei Unterlegenheit“, schreiben Jan Crusius und Thomas Mussweiler von der Universität zu Köln in einer Studie zum Thema Neid. “Und diese Reaktion taucht selbst dann auf, wenn der Grund für diese Unterlegenheit kaum Bedeutung für das eigene Selbstbild hat.” gibt er zu bedenken. Das weiß die Freundin aber nicht. Sie möchte einfach nur für Ihren Urlaub beachtet werden und ein paar Likes, Faves und Kommentare einsammeln.
Guten Freunden schenkt man mal 2,5 Mrd. Herzchen
Auf Instagram werden momentan 2,5 Milliarden Likes pro Tag vergeben. Ob wir dem Wunsch der Freundin nach einem Herzchen nachgeben, hängt übrigens mit unserem Grad der Bekanntschaft zusammen, sagt die aktuelle Untersuchung „Computers in Human Behavior“ des Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen: „Kam der Beitrag von einem nahestehenden Freund und nicht von einem losen Bekannten, empfanden die Befragten einer Untersuchung ein höheres Maß an Freude bzw. an gutartigem, motivierendem Neid“, so Ruoyun Lin. Und guten Freunden gibt man dann auch mal ein Herzchen, wenn das Bild eigentlich nur nett war.
Bevor jetzt gleich nach dem Ende von ohnehin oberflächlichen Freundschaften gerufen wird, müssen wir uns aber ehrlich fragen: Sind wir denn selbst anders? Machen wir nicht auch unzählige Selfies bevor eines davon gut genug ist? Schreiben wir nicht auch, was wir gerade Tolles veröffentlicht, erlebt und getan haben? Wer hat schon jemals etwas gepostet, wo er schlecht wegkommt? Erzeugen die Faves, Herzchen, Likes und Kommentare echte Freude? Oder ist das dann „digitale Freude“, die weniger echt ist? Dabei „unterscheidet Dopamin nicht zwischen analog und digital“, sagt Psychologe Dr. Nico Rose auf Nachfrage. Die Freude ist für unser Hirn also echt.
Bewusst verarscht
Das gleiche Hirn weiß aber auch, dass alle diese Web-Fotos “verbessert“ sind. Wir wissen um die Filter, Effekte und Bearbeitungsprogramme. Promis machen es vor. Mit Bildern, die #nofilter tragen und einmal durch Photoshop gezogen wurden. Ist ja kein Filter. Oder Fotos, die angeblich einen „Out of Bed“-Look zeigen sollen, aber mindestens 30 Minuten Make-up und 20 Minuten Deko gebraucht haben. Denn dieses herummogeln macht uns unzufrieden und grummelig. Wir fühlen uns übervorteilt oder flapsig gesagt, verarscht.
Manche betreiben Social Media heute, wie das Punktesammeln beim Einkaufen. Sie scheinen manche Bilder nur zu machen, weil sie sich Anerkennung und Aufmerksamkeit für ihre Produkte oder Ihre Person versprechen. Da wird die ganze Klaviatur der Netzwerke mit demselben Bild bedient. Sie wollen ja überall präsent sein und möglichst viele Punkte sammeln. Immer passend zur Positionierung. Spontanität verschwindet. Alles folgt dem Plan, der von einem Praktikant ausgeführt wird. Authentisches ist nur noch selten zu sehen. Das Einlösen der Punkte erfolgt wie immer an der Kasse, wo dann Produkte von Fans gekauft werden. Und sei es nur mit einer Unterschrift drauf. Solche Kontakte entfolge ich meist nach dem dritten Bild, weil es einfach langweilig ist. Es macht mir keinen Spaß, mich mit solchen Menschen zu vergleichen.
Der Vergleich macht unglücklich
Genau das Vergleichen ist nämlich das Unangenehme, wie eine Studie der Humboldt-Universität Berlin und der Technischen Universität Darmstadt zeigte: Dort wurden 600 Facebook-Nutzer während und nach der Nutzung von Facebook befragt. Ein Drittel der Studienteilnehmer war frustriert. Zumeist die Nutzer, die selbst nicht aktiv agieren, sondern nur die Profile und Neuigkeiten anderer durchforsten. Auch eine Freundin hatte damit zu kämpfen, dass sie sich ständig verglich. Bis sie alle Social-Media-Apps von ihrem Handy verbannt hat. Heute nutzt sie ein ein 600 Euro teures Telefon mit Fotoapparat und Whatsapp-Funktion und ist total glücklich. Einige Monate zuvor hatte ein Kollege sich komplett von allen Social-Media-Diensten verabschiedet. Das ständige „Checken“ wurde ihm einfach zu viel. Es ist also der Vergleich, der viele zu Neidern werden lässt.
Diese Unzufriedenheit kennen auch Reiseblogger zurzeit. Bei ihnen geht es darum, dass manche Mitblogger einfach unfair spielen und gekaufte Links nicht kennzeichnen. Dadurch würden sie viel mehr verdienen, als die ehrlicheren Kollegen, argumentiert Blogger & Autor Michael Firnkes via Twitter. Auf seiner Homepage steht groß: „Es ist schon erstaunlich, wie oft wir Postings bevorzugen, die – bewusst oder unbewusst – „optimiert“ sind. Auch das verfälscht Meinungen.“
Wer nicht neidet, hat es nicht verstanden.
Bloggerin Mara Stix gibt offen zu, dass sie nicht glaubt, dass der Satz „Also ICH kenne keinen Neid! Ich gönne jedem ALLES.“ stimmt. Neid zeigt uns etwas Wichtiges, meint sie. „Neidisch bin ich auf Menschen, die etwas haben, was ich auch gerne hätte, aber eben nicht habe“, kann man bei ihr lesen. Wer dann einfach alle Neidquellen aus seinem Leben wirft, hat nicht verstanden, diese Emotion, die aus Instagram und Facebook kroch, für sich zu nutzen. Schon Aristoteles wusste: „Die Ehrgeizigen haben mehr Neigung zum Neid als die, welche vom Ehrgeiz frei sind.“
Neid sollte nicht sinnlos sein. Er sollte uns motivieren, es besser zu machen. Wir sollten uns selbst an der Nase nehmen, und nicht mehr nur Neidfotos veröffentlichen, die zeigen, wie gut wir und unser Leben sind.
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