Apple Music ist da. Ob die Musikstreaming-Lösung von Apple auch in der Praxis überzeugen kann? Die Rahmendaten von Apple Music orientieren sich klar am Markt, setzen beim Umfang der kostenlosen Testphase und dem Mehrnutzer-Preismodell allerdings neue Maßstäbe. Fragt sich, ob die Umsetzung von Apple auch technisch und im täglichen Gebrauch überzeugen kann? Ein objektiver Marktüberblick und ein subjektiver erster Eindruck von Apple Music. // von Michael Müller
Der Musikstreaming-Markt trägt neue Blüten: Mit Apple Music startete jetzt auch das Unternehmen aus Cupertino ein Angebot, das unbegrenzten Musikgenuss zum Pauschalpreis erlaubt. Apple erfindet Musikstreaming dabei nicht neu, wildert aber mit spannenden Features und einem interessanten Familienmodell in einem neuen Markt, den wir eingehend näher betrachten.
Marktübersicht
Spotify ist aktuell in 58 Ländern verfügbar und mit 20 Millionen zahlenden Nutzern weltweit momentan der unangefochtene Platzhirsch in Sachen Musikstreaming. Nach Angaben des schwedischen Unternehmens sind monatlich insgesamt 75 Millionen Nutzer im Spotify-Ökosystem aktiv. Pro Tag wird die über 30 Millionen Songs starke Bibliothek um mehr als 20.000 Titel erweitert. Diese starken Zahlen, flankiert vom werbefinanzierten Gratisangebot, lassen Konkurrenten wenig Luft zum Atmen, der Markt sondierte sich entsprechend in den letzten Monaten – mit Deezer hält sich aber insbesondere in Europa ein starker Spotify-Konkurrent.
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Deezer zählt insgesamt 16 Millionen Nutzer, davon 6 Millionen zahlende Premium-Kunden. Das Angebot des französischen Unternehmens ist mit 35 Millionen Songs ähnlich umfangreich wie das von Spotify, allerdings tatsächlich das umfangreichste am Markt. Zwar ist unklar, welche Interpreten, Musiklabels oder Genres die einzigartigen fünf Millionen Titel umfassen, man munkelt aber, dass es sich dabei um französische Chansons handelt (kleiner Scherz am Rande). Auch hier besteht ein werbefinanziertes Gratis-Angebot.
Und dann kam Apple…
Dritte Größe auf dem Streaming-Markt ist Google: Mit Google Play Music All-Inclusive zielt das Unternehmen primär auf Android-Nutzer, liefert die digitalen Töne aber auch über eine iOS-App ins Apple-Ökosystem und per Web-Streaming auf PCs. Mit 30 Millionen Songs ist Google mit der Konkurrenz gleichauf.
Und jetzt kommt also Apple Music neu dazu, um es mit den Platzhirschen aufzunehmen: Voraussetzung für die Nutzung ist das neue iOS 8.4, das die Integration des Dienstes sicherstellt und iPod nano und iPod shuffle folglich ausschließt. Außerdem kann der 30 Millionen Titel starke Dienst über iTunes (irgendwann auch) auf PC und Mac genutzt werden – eine Android-App folgt im Herbst, die Apple Watch wird über watchOS ebenfalls bedient.
Langer Testzeitraum, einzigartiges Familien-Modell
Großes Plus gegenüber den Konkurrenzdiensten ist der Testzeitraum von satten drei Monaten. Spotify bietet immerhin 60 Tage, Deezer und Google 30 Tage kostenlose Testphase. Außerdem ist Apple Music das Nonplusultra für Familien und enge Freunde, da sich bis zu sechs Nutzer einen Account teilen können – bei einer Flatrate von 14,99 Euro. Das ist einzigartig. Lediglich Spotify bietet ebenfalls eine Familien-Option an, fordert aber zu den 9,99 Euro Grundpreis 5 Euro je zusätzlichem Hörer. Heißt: Ab drei Zuhörern ist Apple Music preislich unschlagbar.
Was die Leistungen angeht, so gleicht Apple Music weitgehend der Konkurrenz, möchte sich aber insbesondere durch den in Eigenregie produzierten englischsprachigen Radiosender „Beats 1“ und das Künstler-Netzwerk „Connect“ mit exklusiven Einblicken, Videos und Songtexten von Spotify & Co. abheben.
Die Merkmale der einzelnen Dienste fasst die nachfolgende Tabelle auf einen Blick zusammen:
Auf zum Praxistest von Apple Music
Kommen wir zum eigentlichen Praxistest. Um diesem einen möglichst nahrhaften Boden zu geben, möchte ich zunächst einmal teilen, was ich an Spotify so sehr schätze und woran sich Apple Music messen lassen muss.
Ich nutze Spotify-Premium nun schon seit Jahren und genieße den Leistungsumfang sehr. Zwar vermisse ich Taylor Swift ganz, ganz schmerzlich (nicht!), muss vom Musikangebot her allerdings sonst auf nichts verzichten. Dazu möchte ich anmerken, dass mein Musikgeschmack wirklich vielfältig ist: von Pop, Rock, Electronic über Metal hin zu Schlager (immerhin einmal im Jahr an Fastnacht), hat Spotify weitgehend alles an Bord, was ich mir wünsche. Auch ist die schier unerschöpfliche Geräte-Kompatibilität von Spotify ein Plus, das ich immer wieder zu schätzen weiß.
Was die Kernfunktionen angeht, so finde ich persönlich die Implementierung der Viral-Charts und Neuheiten sehr gelungen. Immer wieder stolpere ich über neue Musiker und Titel, die mir zuvor noch gar nicht bekannt waren. Ebenfalls wichtig ist mir das nahtlose Zusammenspiel mit iOS und iOS-Apps, speziell Runtastic, das ich in Kombination mit Spotify stets problemlos nutze. Hin und wieder freue ich mich über „Spotify Sessions“ mit Künstlern, die mir gefallen – kommt man doch heutzutage immer seltener in den Genuss von Künstlern, die Live-Musik auch leben.
Der erste Eindruck von Apple Music
Ist positiv. Nachdem durch einfache Klicks das dreimonatige Probeabo sehr unkompliziert auf den Weg gebracht wurde, habe ich sofort Zugriff auf die millionenstarke Titel-Bibliothek. Wirklich kinderleicht. Anfangs wählt man wie hier zu sehen seinen Musikgeschmack und seine Lieblingskünstler aus.
Auch die Oberfläche ist selbsterklärend. Im „Für dich“-Bereich führt Apple Music Vorschläge von Interpreten und Titeln auf, die mir mit hoher Wahrscheinlichkeit gefallen. Hier muss die Zeit zeigen, wie treffsicher Apple Music agiert, gehe ich doch davon aus, dass der Algorithmus durch zahlreiches Herzchen-Setzen (Liken) und mein individuelles Hörschema mit der Zeit dazulernt.
Apple Music tut, was es soll und das ohne Hänger oder sonstige Auffälligkeiten. Die Aufbereitung der Landing Page ist Apple-typisch ansprechend, gleichsam schlicht und bildgewaltig. Auf dem iPad weit mehr, als auf dem iPhone. Nachfolgend ein Vergleich der Landing-Pages von iPhone 5 (links), iPad 4 (Mitte) und iPhone 6 Plus (rechts):
Die Musik-App verhält sich auf dem iPad 4 leider etwas träge. Das laden der einzelnen Titel nimmt in der Regel 1 bis 2 Sekunden in Anspruch. Auf dem iPhone 6 Plus ist die App weitgehend flüssig nutzbar, allerdings dauern Suchanfragen bei allen Plattformen recht lange (was auch dem anfänglich großem Andrang geschuldet sein dürfte).
Die App im Design-Check
Was mir direkt auffällt: die Künstler-Seiten sind wirklich sehr hübsch in Apple Music integriert und gefallen mir konzeptuell besser, als die dunkle und pragmatische Aufbereitung bei Spotify. Apple muss aber noch an den Info-Kästen arbeiten. So zeigen sich in der iPad-Version beispielsweise bei Eminem noch unschöne Sonderzeichen-Platzhalter dort, wo Umlaute stehen sollten. Auch lässt sich die iPhone-App nicht drehen, dies ist aktuell der iPad-Version vorbehalten und sicher keine Dauerlösung.
Ebenso suche ich wie wild nach einer iTunes-Integration auf dem PC und wäre dadurch beinahe durchgedreht. Aber siehe da: iTunes unterstützt Apple Music noch nicht. Ja, wirklich. Kommt noch. Keiner weiß aber genau, wann das sein wird. (Update: iTunes 12.2 ist nun, gegen Mitternacht, da.)
Keine Charts wie bei Spotify
Immerhin: Auf den ersten Blick wirklich gelungen ist die „Neu“-Übersicht, die neue Musik, aktuelle Songs und kürzlich Erschienenes hübsch darbietet. Auf den zweiten Blick offenbart sich genau hier aber auch ein großes Problem der App. So dauert es recht lange, bis ich die aktuellen „Topcharts“ gefunden habe. Auch fehlen gegenüber anderen Musikstreaming-Anbietern internationale Charts. So bietet Spotify beispielsweise die meistgespielten Titel aus den verschiedensten Ländern weltweit. Ganz zu Schweigen von der so heißgeliebten Viral-Topliste, deren Gegenstück ich in Apple Music bisher nicht auffinden konnte.
Generell ist das App-Konzept von Apple Music nur auf den ersten Blick logisch und beeindruckend. Schaut man genauer hin, zeigen sich immer wieder konzeptionelle Schwächen: der Zugriff auf den 30 Millionen Titel starken Song-Kosmos geschieht über die Suchfunktion sowie drei Kategorien (Für dich, Neu, Connect). Wirkliches Stöbern ist somit eher nicht möglich, es sei denn man verlässt sich blind auf das, was Apple anbietet.
Offline-Musik: Intuitiv ist anders
Und das Offline-Speichern von Titeln und Listen? Kompliziert. Dessen ist sich Apple offenbar bewusst und schreibt vorsorglich auf der Übersichtsseite der Mediathek:
Finde einen Favoriten, tippe auf das Menü „Mehr“ und dann auf „Offline bereitstellen“. Anschließend siehst du deine Musik hier.
Verstanden? Ich auch nicht. Nach langer Suche ist auch mir die Sache klar, wirklich selbstverständlich ist aber anders. Zumal man durch diese Erklärung noch lange nicht weiß, wo genau sich die Offline-Titel denn nun verstecken? Hier vermisst man die Apple-übliche Einfachheit.
Auch tue ich mir mit „Connect“ etwas schwer, der sozialen Komponente in Apple Music, die Künstler und Fans verbinden soll. Einerseits ist die Anzahl verfügbarer Künstler noch arg übersichtlich, andererseits frage ich mich, wer genau eine solche Option auch wirklich nutzt. Wer das Fanatische im Fan lebt, für den ist „Connect“ sicher eine nette Ergänzung. Allerdings gibt es sicher auch andere Kanäle im Internet – ob nun Facebook, Instragram oder Twitter – die eine engere Vernetzung abseits des künstlerischen Schaffens erlauben. Einen Seitenhieb mit Hinweis auf Ping verkneifen wir uns mal.
Das Alleinstellungsmerkmal: Beats 1 Radio
Ist überbewertet. Ein einziger Radiosender kann gar nicht alle Geschmäcker und Altersklassen gleichermaßen bedienen oder dermaßen gute, coole oder sonstwie auffällige DJs engagieren, als dass er zum echten Alleinstellungsmerkmal für eine Musikstreaming-Plattform würde. Wer nämlich die Möglichkeit hat zu streamen, der hat Zugriff auf ein weltweites Portfolio an Radiostationen. Wieso auf eine Station festlegen?
Auf mich wirkte Beats 1 Radio ein wenig wie MTV zu Zeiten, in denen MTV noch Musikvideos spielte und eine große Strahlkraft auf die Jugend ausübte. Mit hübschen Moderatorinnen und Moderatoren, Bildgewalt, sexy Musikvideos, und, nunja, eben all den Dingen, die einem auf Ton beschränkten Abkömmling fehlen – seien die Moderatoren auch noch so hip und witzig.
Nicht falsch verstehen: der Musikmix von Beats 1 Radio gefiel mir wirklich gut und war gespickt von Stücken mir unbekannter Künstler. Aber ein Alleinstellungsmerkmal? Nicht für mich.
Die Klangqualität
Ist natürlich für das ungeschulte Ohr etwas arg subjektives. Welchen Codec Apple Music nutzt, ist weiterhin unklar. Zwar wurde von offizieller Seite bestätigt, dass in 256 kbps gestreamt wird, auf welches Kompressionsverfahren Apple aber setzt, ist reine Spekulation. Beats Music nutzte MP3-Technologie, Apple im iTunes Store das überlegene AAC. Was letztlich bei Apple Music zum Einsatz kommt, muss sich zeigen. Eine Hörprobe des Titels „Away With Me (Calibre Remix)“ von SpectraSoul hörte sich für meine bald 30 Jahre alten Ohren über einen Jabra Revo-Kopfhörer gleichwertig an.
Das Fazit: Apple Music rockt nur so mittelgut
Ist Apple Music also nach einem ersten Selbstversuch besser als Spotify, Deezer und Co.? Jein.
Ja, weil sich der neue Musikstreaming-Dienst von Apple auf dem Papier in einem äußerst guten Licht zeigt, mit der Konkurrenz beim Monatspreis gleichzieht, aber für wenig Aufpreis das Teilen eines einzigen Accounts mit bis zu fünf anderen Musikliebhabern erlaubt. Und das bei einer Testphase von 90 Tagen.
Ja, weil die Integration in iOS besser und unauffälliger nicht sein könnte.
Ja, weil in den kommenden Wochen und Monaten viele Musikbegeisterte die kostenlose Probezeit von Apple Music beanspruchen und sich schlicht an diese Plattform gewöhnen werden (siehe auch: Apple Karten vs. Google Maps).
Nein, weil eben nur iOS wirklich unterstützt wird, sonst nichts. Weder PC noch Mac. Kein iTunes. Kein iTunes! Kein iTunes? (Update: iTunes ist inzwischen nachgereicht worden und kann auf Version 12.2 geupdatet werden.) Und Android erst ab Herbst. Das ist nicht zeitgemäß, soll sicherlich Argumente für einen Wechsel ins mobile Apple-Ökosystem liefern und passt zu den hohen mobilen Nutzungsstatistiken von Musikstreaming-Diensten, scheitert aber durch die starke Konkurrenz, die schon deutlich Bug-bereinigt auf allen anderen Plattformen zuhause ist.
Nein, weil die Musik-App noch nicht ausgereift und immer wieder etwas buggy ist und die Umsetzung auf älteren iOS-Geräten hakt.
Nein, weil ein englischsprachiger Radiosender auch jenseits des angelsächsischen Raumes in der breiten Masse sicher nicht für ausreichende Alleinstellungsmerkmale und Kaufargumente sorgt.
Nein, weil das Gesamtkonzept der App eher verwirrt, als in seinen Bann zieht.
Heißt unterm Strich: Apple Music ist zwar technisch auf den ersten Blick keinesfalls besser als die Konkurrenz, wird das Geschäft durch die Strahlkraft der Marke und die attraktiven preislichen Argumente aber beleben. Die strategischen Vorteile von Apple Music werden die Strippenzieher der anderen Streaming-Dienstleister einzuordnen wissen und sicherlich sehr bald entsprechend gleichziehen. Letztlich freut das den Kunden. Juhu!
Wie seht ihr das? Eure Meinung interessiert uns!