Apple hat auf der WWDC 2015 nicht nur Apple Music oder Apple News vorgestellt, die sicherlich stärksten Themen der Präsentation. Nein, es ging auch um eine winzige Kleinigkeit, versteckt zwischen den Neuerungen von iOS 9, dem mobilen Betriebssystem für iPhones und iPads: Die Erweiterungen für den Safari-Browser unter dem Deckmantel der Nutzerfreundlichkeit. // von Tobias Gillen
Noch einmal kurz zur Erinnerung: Wir erleben gerade einen gewaltigen Umbruch in der Medienwelt. Tech-Konzerne mischen plötzlich mit, erstellen selbst journalistische Inhalte (Snapchat) und wenn nicht, dann kuratieren sie sie wenigstens (Apple) oder bereiten sie für ihre Nutzer auf (Facebook). Zu dem Thema habe ich mich vor Kurzem bereits kritisch auf BASIC thinking geäußert.
In diesem Beitrag möchte ich auf die vermeintliche Kleinigkeit der Erweiterungen für den Safari-Browser eingehen. Diese, eigentlich heißen sie Content Blocking Safari Extensions, können unter iOS 9 aus dem App-Store geladen werden (ähnlich wie unter Mac OS). Programmiert werden sie dabei von Entwicklern, die damit sämtliche Inhalte beim mobilen Surfen blockieren können. Dazu zählen Cookies, Bilder, Pop-ups und eben entsprechend auch Werbebanner.
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Für die Nutzer sinnvoll, für die Konkurrenz ärgerlich
Das bedeutet also: Apple macht es einfach (sogar einfacher als Google mit Android), einen Adblocker in Safari zu integrieren. Nun war der Aufschrei so mittelgroß darüber, dass Apple damit ja massiv gegen die Konkurrenz schießen würde. Logisch: Beispielsweise Google ist überall vertreten mit seinen Adsense-Bannern, während es bei Apple und den iAds noch hapert.
Bei der Verbreitung von iPhones und Google Adsense kann sich Google also auf einen gehörigen Einbruch im mobilen Werbemarkt einstellen, Apple dürfte das recht sein. Und dem Nutzer? Dem ist es im Zweifel egal, dass Apple hier den Deckmantel der Nutzerfreundlichkeit auspackt und mit harten Bandagen kämpft. Im Gegenteil: Für die Nutzer ist das Update sinnvoll, man schaue sich nur mal auf so mancher Nachrichtenseite heute um – der Inhalt ist teils kaum zu finden vor lauter Werbung.
Auch Entwickler dürfen nicht an die Daten ran
Hier ist Apple clever vorgegangen. Man hätte mit einfachsten Mitteln auch gleich einen (optionalen) Adblocker in den Safari-Browser integrieren können. Aber dann wäre der Angriff auf die Konkurrenz ja zu offensichtlich gewesen. Wobei man sich kaum vorstellen kann, dass Apple das noch stören würde. Der Punkt ist aber, dass man so nicht sein Feel-Good-Image verliert. Apple ist gut, die anderen sind böse, so wird es stets propagiert und beworben. Dieses Bild bekommt aus Sicht der Nutzer auch künftig keine Risse, schließlich entscheiden sie sich selbst, die Erweiterung herunterzuladen. Und wer will das nicht?
Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich stehe auf der Seite der Nutzer. Und die bekommen durch die Änderungen einen deutlichen Mehrwert. Auch im Sinne des Datenschutzes und der Privatsphäre gibt Apple ihnen künftig einige Macht an die Hand, mehr vor neugierigen Augen fernzuhalten. Wer sich jetzt fragt, was mit den Entwicklern der Erweiterungen ist: Die dürfen laut Apple gar nichts speichern oder abgreifen. So muss das sein.
Von wem war diese schicke News-App noch gleich? Eben.
Aber da ist noch ein anderer Player, fernab von Konkurrenz-Unternehmen und Nutzern: Die Medienhäuser. Und bei der Berichterstattung der vergangenen Tage über die WWDC und die einhergehenden Änderungen konnte man den Eindruck gewinnen, die würden in der Überlegung kaum eine Rolle spielen. Dabei ist die Verknüpfung doch so naheliegend: Apple stellt seine neue News-App vor – und im gleichen Atemzug die Möglichkeit einer Erweiterung, die es den Verlagen noch schwerer macht, Geld für ihre Inhalte zu generieren.
Der Deal ist aktuell (außer bei einigen Paid-Content-Ausnahmen): Kostenlose Inhalte gegen Werbung. Nach steigender mobiler Nutzung der Nachrichtenportale, mussten diese Werbung auch mobil einbinden. Und jetzt kommt Apple und lässt Entwickler eine Adblock-Erweiterung schreiben, die diese Werbung wieder ausschneidet. Zeitgleich kommt Apple dann mit der Idee um die Ecke, dass man Inhalte ja auch schön und mobil optimiert darstellen kann, hier, in dieser News-App. Und von wem war die noch gleich? Eben.
Das Harvard-Institut Nieman Lab sieht in der iOS-9-Erweiterung eine beunruhigende Entwicklung. Es sei auch so schon schwer genug für Medienhäuser, mit mobiler Werbung Geld zu verdienen. Als Beispiel nennt das Nieman Lab die renommierte New York Times, die zwar die Hälfte ihres Traffics über mobile Geräte bezieht, aber nur etwa 10 Prozent der Werbeeinnahmen.
Noch haben sich alle lieb. Noch.
Ist das in Ordnung? Klar. Apple passt sein eigenes Unternehmen den sich verändernden Ansprüchen an. Dass man dabei Mitkonkurrenten schadet? Ja, gut, kann man drüber streiten. Zumal die Medienhäuser bei Apple News quasi nicht umher kommen, auf Apples iAds zu setzen. Schließlich bekommen sie – wenn sie es nicht selbst machen – 70 Prozent, wenn Apple die Vermarktung der Inhalte über iAds übernimmt. Aber auch das kann man im Kern noch nachvollziehen.
Nicht aber, wie die Medienhäuser in Scharen wie die Lemminge hinter Apple herrennen und dabei das große Ganze übersehen. Nämlich genau das, was ich im letzten Beitrag angesprochen habe: Noch haben sich alle lieb. Noch. Und zwar genau solange, bis Apple, Facebook und Co. auch ohne die Medienhäuser auskommen. Immerhin aber bietet Apple eine vielversprechende Möglichkeit, mobil an Geld zu kommen. Etwas, was den Medienhäusern bisher nicht gelungen ist.
Auch wenn das nicht ganz uneigennützig ist.