Vor ein paar Tagen konnte ich mir im Umland von Amsterdam einen ersten Eindruck vom neuen 2015 Opel Karl verschaffen. Opel stellt mit dem Karl ein weiteres Fahrzeug in der Kleinstwagen-Kategorie vor. Er ist nur unwesentlich kleiner als der erfolgreiche Opel Adam, verfügt aber über 4 Türen und will auch kein Lifestyle-Objekt sein. Als Quasi-Nachfolger vom Opel Agila positionieren die Rüsselsheimer den Opel Karl als echten Volkswagen. In der Basisausstattung beträgt der Kaufpreis gerade mal 9.500 Euro.
Dafür bekommt der Käufer ein kleines Auto (3.67 m lang bei einem Radstand von 2.38 m, 1.47 m hoch und 1.69m breit), was Platz für 4 Personen bietet, wenn diese nicht wesentlich größer als 180 cm sind und über einen Kofferraum verfügt, in dem man problemlos zwei Wasserkisten verstauen kann. Das 1 Liter ECOTEC 3-Zylinder Benziner-Motörchen hat sich bereits im Adam und Corsa bewährt, aus Kostengründen hat Opel auf eine Direkteinspritzung und Turboaufladung verzichtet, so dass die Leistung auf 75 PS beschränkt ist. Die reichen dann auch gerne mal für ein maximales Drehmoment von 95 Nm. Fahrspass, so möchte man denken, sieht anders aus. Stimmt aber nicht so ganz. Denn das manuelle 5-gang-Getriebe, was sich präzise schalten lässt, ist zumindest so übersetzt, dass man in der Stadt doch recht flott unterwegs sein kann. Wer viel Zeit mitbringt, kann vielleicht auch irgendwann die Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h erreichen. Aber alleine das Beschleunigen von 0 auf 100 km/h dauert 13.9 Sekunden. Wer es hingegen ruhiger angehen lässt, soll den von Opel angegebenen NEFZ-Verbrauch von 4.3 Litern Super auf 100 Kilometern nahe kommen. Bei einem Tankinhalt von 32 Liter kann man also im Idealfall ganze 740 Kilometer weit kommen. Wer dem Karl die Sporen gibt, kann aber auch gut und gerne 7 Liter Sprit auf 100 Kilometern verfahren.
Die Rückbank lässt sich je nach Ausstattung entweder als Ganzes oder im Verhältnis 60:40 umlegen. Allerdings muss man dabei die Vordersitze nach vorne verschieben, wenn man sich als 180 cm großer Fahrer vorher eine gute Sitzposition eingestellt hatte. Andernfalls wollen die Rücklehnen nicht fallen. Hat es doch geklappt, erhält man zwar keinen ebenen Ladeboden, das Stauvolumen erhöht sich aber immerhin von 215 auf 1013 Liter. Für den handelsüblichen Studentenumzug sollte dies zumindest reichen.
Hervorheben darf ich vielleicht noch das komfortabel abgestimmte Fahrwerk und die direkte, leichtgängige Lenkung. Beide tragen dazu bei, dass man den Karl durchaus gerne fahren kann. Schade indes, dass der Opel Karl wie der Chevrolet Spark, mit dem er sich die Plattform teilt, in Korea gebaut wird und unseren Opelanern in Deutschland erst einmal nicht die Arbeitsplätze sichern wird. Die Pressesprecher haben das insofern schön geredet, als dass sie meinten, dass ein erfolgreicher Karl eine Produktionsverlagerung nach Europa rechtfertigen würde.
Smart Car Karl?
Wir sind ja hier nicht bei der AutoBild oder bei einem AutoBlog, sondern eben bei MobileGeeks. Und da stellt sich selbstredend die Frage, wie viel Smart Car im Karl steckt. Für mich sind Klein- und Kleinstwagen eh ein guter Indikator, wie weit wir denn nun wirklich mit der Technik sind. Einen Audi Q7 mit einem Einstiegspreis um die 60.000 Euro mit Technik voll zu stopfen ist ja eher einfach, zumal die passende Klientel ja bereit ist, dass Portemonnaie noch deutlich weiter aufzureissen. Aber in einem Brot-und-Butter Auto, was keine 10.000 Euro kosten soll?
Wenn in der Pressemitteilung schon im ersten Absatz unter der Überschrift „Kleines Auto – große Anzahl an Sicherheits- und Komfortmerkmalen“ das ESP als Highlight genannt wird, dann wird sofort klar, dass nicht so viele Systeme den Fahrer unterstützen. Immerhin, ein Berg-Anfahr-Assistent, der für zwei Sekunden das Zurückrollen verhindert und so das Anfahren am Hang erleichtert, ist per Serienausstattung dabei. Ab der zweithöchsten von drei Ausstattungslinien verfügt der Karl auch über einen Tempomaten. „Parkpilot“ nennt das Marketing von Opel die Ultraschallsensoren am hinteren Stoßfänger. Und ein Knopf links neben dem Lenkrad aktiviert den „City-Modus“, bei dem das Rangieren noch mal etwas einfacher wird – für mich ein überflüssiges Feature, weil die geschwindigkeitsabhängige Servolenkung eh schon sehr hilfreich beim Einparken war.
„Ein Sicherheits-Highlight, das im Kleinstwagen-Segment seinesgleichen sucht, ist der optionale Spurassistent.“ liest man in der Pressemitteilung. Und hier ist nun auch das einzige wirkliche Assistenzsystem benannt. Selbstredend optional zu ordern. Dank Frontkamera werden die Fahrspuren gescannt und der Fahrer beim Verlassen der Spuren akustisch gewarnt. Auf meiner Testfahrt hat das System eher leidlich funktioniert. Da sollte Opel deutlich nachbessern oder es eben sein lassen. Vielleicht hilft auch ein Blick nach Fernost. Nissan bietet ebenfalls ein kamerabasiertes System an, was beispielsweise im Nissan Note auch nicht perfekt funktioniert hat, aber eben deutlich öfter.
Zauberwaffe IntelliLink-Infotainment-System
Beim Infotainment-System machen wir es uns mal ganz einfach. Nehmen wir mal ein handelsübliches Radio-Modul. Ach komm, DAB+ legen wir optional noch mit drauf. Und das flanschen wir dann an ein großzügiges 7″ Touchdisplay, was leider etwas zu kontrastarm geraten und bei Sonneneinfall auch nicht optimal abzulesen ist. Und weil die potentielle Zielgruppe doch eh ein Smartphone hat, soll das doch auch den Rest erledigen. Da schaffen wir fix die IntelliLink-Schnittstelle und können in die Broschüre auch noch Apple CarPlay und Google Auto schreiben. Gesagt getan. Und dumm ist das auch wirklich nicht. Das System wird aber erst Anfang 2016 verfügbar sein, die ersten verkauften Karls müssen ohne auskommen und die Offiziellen haben mir auch nicht gerade große Hoffnung gemacht, dass man es später nachrüsten kann.
Jens hatte sich zu dem Thema vor ein paar Tagen schon einmal ausgelassen – Opel und die Zukunft der Konnektivitätslösungen. Ich hingegen habe Euch vorstehend ein kleines Walkthrough mitgebracht.
Apple CarPlay – alles andere als Raketentechnik
Bei den zuletzt von mir gefahrenen Autos, die Apple CarPlay mitbrachten, ist es mir gar nicht so aufgefallen, wie wirklich dünn die App-Decke ist, die bis dato verfügbar ist. Das lag eben daran, dass bei den anderen Fahrzeuge immer noch ein Navigationssystem Bestandteil des Infotainment-Pakets war. Im Karl hingegen, mussten wir mit den Bordmitteln des iPhones navigieren. Dabei kann ich festhalten, dass dies gar nicht so schlecht funktioniert hat. Mit den Apple Maps kann man durchaus navigieren, die Anweisungen kommen rechtzeitig und sind auch verständlich. Schön auch, dass die Damen aus dem Lautsprecher immer noch die Strassennamen mit ansagt, was in Holland so seinen ganz eigenen Charme hatte. Aber dann.
Robert Basic hat das in einen Facebook-Post ganz schön zusammengefasst:
- Drei Zoomstufen, thats it
- Ruckelt bei Aufbau vor sich dahin (kann ich nicht bestätigen, Jan)
- kennt natürlich keine Offline-Karten
- Spurassistent Fehlanzeige
- Monströse Halbierung des Screens mit Quatsch-Angaben
- Schlecht ablesbare Farbkontraste
- Live Traffic ? Fehlanzeige, trotz Staus ohne Ende in Amsterdam
- vernünftige Navigations-Apps sind nicht zugelassen
Gerade der letzte Punkt ist besonders bitter. Ich habe auf dem iPhone seit Ewigkeiten NAVIGON installiert und nutze die App oft zum Navigieren, wenn ich mit den Systemen eines Herstellers nicht klarkomme. Das feine Stück Software, was quasi alle Kritikpunkte von Robert erschlägt, funktioniert aber (noch) nicht im Zusammenspiel mit Apple CarPlay. Schade. Oder besser noch: Ärgerlich. Bislang ist CarPlay für mich in etwa so relevant wie Smart Watches für Sascha Pallenberg. Zu Android Auto kann ich leider keine Erfahrungen beisteuren, weil ich kein Android Telefon besitze.
Opel OnStar ab Herbst 2015
Ab Mitte des Jahres rollt Opel seinen neuen Dienst OnStar auf sukzessive in fast allen Baureihen aus, auch der Karl soll davon ab Herbst 2015 – also zu seiner Auslieferung – profitieren. Ich verstehe Opel Onstar als Silver-Ager-Feature, die nebenbei noch die Enkel glücklich machen. Für die Enkel bringt das System einen 4G/LTE WLAN-Hotspot, an den sich bis zu sieben Endgeräte koppeln lassen. Die ältere Fraktion bekommt einen Notrufbutton ins Auto gebaut, mit dessen Hilfe über ein Callcenter die Notfallassistenz oder die Pannenhilfe alarmiert werden können. Wenn der Airbag ausgelöst wird, dann meldet sich das Call-Center auch selbstständig bei den Auto-Insassen. Ein wenig mehr Sicherheitsgefühl. Fein. Jens hatte in Genf auf dem Auto-Salon im März 2015 die Gelegenheit da noch ein paar mehr Informationen im Video-Format einzufangen: