Die Unkenrufe werden immer lauter: Der stationäre Handel ist tot, lang lebe das Online-Shopping. Große und kleine Firmen sägen eifrig an den immer noch dicken Stuhlfüßen des Handels. Nicht so „Findeling“. Die Neugründung aus Hamburg geht den konträren Weg und will den Stadtbummel wieder attraktiv machen. Wie? Das verrät uns die Gründerin Katharina Walter im Interview. // von Jürgen Kroder
Wer ein Start-Up im E-Commerce-Bereich gründet, der setzt in der Regel aufs Thema Online-Shopping. Denn dem gehört die Zukunft. Zalando, eBay und Amazon machen es ja vor, wie prächtig es laufen kann. Doch wie in den Asterix-Comics gibt es auch in der Gründerszene kleine gallische Dörfer bzw. Krieger, die den klassischen Handel stärken statt schaden wollen. Dazu gehören beispielsweise Katharina Walter und Florian Schneider aus Hamburg.
Die beiden shoppen ungern online. Sie kaufen lieber in ihrem Viertel ein. Trotzdem verstehen sie, dass Onlineshopping bequem und schnell ist. Deswegen haben sie zwei Jahre lang an einem Konzept gefeilt, das Online- und Offline-Welt besser zusammen bringen soll. Im Februar diesen Jahres haben sie dann Nägel mit Köpfen gemacht und ihr Start-up gegründet: Findeling.
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Für BASIC thinking stand Katharina Rede und Antwort, um mehr über ihre Idee zu verraten, über die Zukunft des stationären Handels zu diskutieren und zu beschreiben, wie es sich als kleines Start-up in Hamburg so l.
„Natürlich hat der lokale Einzelhandel auch seine Schwächen“
Online lokale Angebote finden – diese Idee ist ja nicht gerade neu. Zum Beispiel bieten Locafox und koomio das gleiche Konzept. Seid ihr also ein Copy-Cat von den Samwer-Brüdern bzw. Rocket Internet?
Nein, wir haben nichts mit Rocket Internet zu tun.
Was macht ihr denn anders als die Mitbewerber?
Die Idee, Offline-Händler online zu bringen, ist tatsächlich nicht neu – das verfolgen schließlich auch Online-Branchenbücher und Tools wie Google AdWords. Bei Findeling sollen allerdings das Ladengeschäft und seine persönliche Geschichte im Vordergrund stehen.
Persönliche Geschichte? Was ist damit gemeint?
Der Fokus liegt auf kleine, besondere Läden und „Geheimtipps“. Zudem unterscheidet uns unser persönlicher Ansatz von anderen Konzepten: Bei Findeling sollen neue Lieblingsläden in der Nachbarschaft entdeckt werden. Wenn ein Ladenprofil gefällt, kann man diesem folgen, um Neuigkeiten und Angebote in der App zu erhalten.
Was soll das bringen?
Wir wollen so den Austausch zwischen Stammkunden und Ladenbesitzern fördern. Zudem ist die Eintragung bei uns nicht von Warenwirtschaftssystemen abhängig und nimmt weniger als eine halbe Stunde in Anspruch. So wollen wir auch den kleinsten Laden aufnehmen können.
Schlechte Beratung, lange Wartezeiten, kleines Sortiment, nervige An- und Abfahrten: Kürzlich habe ich in einem Artikel beschrieben, warum der Einzelhandel den Bach runtergeht. Nun kommt ihr daher und wollt den lokalen Handel stärken – warum dieses Engagement?
Natürlich hat der lokale Einzelhandel auch seine Schwächen in punkto Bequemlichkeit oder Intransparenz. Auf der anderen Seite ist der Einkaufsbummel an sich – sei es alleine oder mit Freunden – und das „Touch & Feel“-Erlebnis unersetzbar und wird daher nie durch Online-Shopping abgelöst werden können. In deinem Artikel sprichst du ja beispielsweise von Media Markt und anderen Warenketten. In dem Punkt stimme ich dir zu: Hier sind Beratung und Kundenservice tatsächlich mangelhaft.
Genau deswegen kaufe ich gerne im Internet ein. Zumal die Beratung hier immer besser wird. Beispielsweise kriege ich passend zu meinem Profil andere Produkte empfohlen – das finde ich sehr praktisch.
Wir glauben nicht an datenbasierte Produktempfehlungen a lá „Kunden, die das kauften, kauften auch…“, sondern setzen auf persönliche Empfehlungen. Die Fachgeschäfte, die wir abbilden wollen, punkten bei kompetenter Beratung.
Das überzeugt mich noch nicht so ganz.
Ein weiterer Punkt, der uns antreibt, ist der Nachhaltigkeitsaspekt: Unnötiges Hin- und Retoure-Schicken belastet die Umwelt und trägt dazu bei, dass unsere Innenstädte von Lieferwagen verstopft werden. Zudem lassen wir dabei unser Geld oft in anderen Ländern, anstatt es in unserer Region zu investieren. Das muss einfach nicht sein, wenn man in einer Millionenstadt wie Hamburg wohnt, in der es an jeder Ecke nette Einkaufsmöglichkeiten gibt. Man muss nur wissen, wo man fündig wird und Lust darauf bekommen, in den Laden zu gehen – das ist unser Credo.
Wenn ihr in die Glaskugel schaut: Wo seht ihr in den nächsten Jahren den Online- und den Offline-Handel? Könnte es eine friedliche Co-Existenz geben?
Wir glauben absolut an eine noch stärkere Verknüpfung von Online und Offline. Die Welt wird immer mobiler und vernetzter, so viel steht fest. Auf der anderen Seite sehnen wir uns im hektischen Alltag aber immer mehr nach Bodenständigkeit und Natürlichkeit. Daher wird der aktuelle „Back-to-the-Roots“-Trend wie beispielsweise Wochenmärkte, selbstgemachter Kuchen, Bio-Produkte vom Bauern aus der Region und Co. weiterhin boomen. Es ist daher wichtig, diese zwei Paradoxe in Zukunft miteinander zu vereinbaren: So kann bei uns via Smartphone beispielsweise ein neuer Bioladen in der Nachbarschaft entdeckt werden.
Die Atmosphäre im netten kleinen Laden
Kommen wir noch einmal kurz zur Konkurrenz: Bei Locafox kann man beispielsweise ganz gezielt nach Produkten suchen, die man dann in den Läden vor Ort erwerben kann. Quasi ein Offline-Amazon. Bei euch ist das ja etwas anders. Warum?
Findeling ist vor allem eine Ladenplattform und keine Produktplattform. Wir bieten einen Wegweiser zu Geschäften abseits des Mainstream, die Besonderheiten und Unikate anbieten. Bei uns stehen das Geschäft und seine Individualität im Vordergrund. Denn Produkte sind ja irgendwie austauschbar, die Atmosphäre im netten kleinen Laden nicht. Daher betont Findeling ausschließlich die Stärken lokaler Geschäfte: Wir wollen Lust auf einen Ladenbesuch machen und bieten daher auch keine Preistransparenz, die zu einem Online-Vergleich einladen könnte.
Das Angebot von Findeling ist aktuell auf Hamburg spezialisiert. In diesem See fischen auch schon die genannten Konkurrenzen. Kommt es also nun zum gnadenlosen Schlagabtausch?
Ich glaube, dass wir jeweils ganz unterschiedliche Branchen, Zielgruppen und Use-Cases ansprechen. Sowohl bei den Geschäften als auch bei den Nutzern werden wir uns daher wahrscheinlich eher aus dem Weg gehen oder das Angebot des jeweils anderen sogar ergänzen.
Ich nehme mal an, dass Hamburg nur der Anfang war und ihr bald expandieren werdet. Welche Städte stehen als nächstes auf der Agenda?
Wir haben Findeling aus Liebe zu Hamburg gegründet, daher werden wir wohl erst einmal hier bleiben. Ab 2016 können wir uns jedoch vorstellen, auch in Köln aktiv zu werden. Sowohl Florian als auch ich haben dort lange Zeit gewohnt und kennen uns in der Stadt daher gut aus. Für andere Städte wäre uns wichtig, dass das Team vor Ort mit der jeweiligen Region vertraut und mit ihr in besonderer Weise verbunden ist.
Ein Portal wie eures hat das bekannte Henne- und Ei-Problem: Einerseits benötigt ihr viele Läden, die dabei sind, um für die User interessant zu sein. Andererseits benötigt ihr viele User, damit die Läden mitmachen. Wie wollt ihr diese Herausforderung meistern?
„Henne- und Ei-Problem“ trifft es wohl ganz gut. Wir haben das Ganze so gelöst, indem wir zunächst die Einzelhändler angesprochen haben. Die Geschäfte, die sich momentan registrieren, nutzen Findeling umsonst. So wollen wir schnell eine interessante Plattform für die Nutzer schaffen.
Wie es sich gehört, bespielt ihr auch unterschiedliche Social-Media-Kanäle. Unter anderem findet man euch auf Instagram, aber nicht auf Pinterest. Warum nicht? Immerhin ist das laut Marketer der letzte Schrei.
Instagram ist ein toller Kanal, um die eigene Stadt und ihre verschiedenen Blickwinkel begreifen zu können. Hamburg ist eine wunderschöne Stadt, die viel zu bieten hat. Das wollen wir versuchen, darzustellen. Pinterest ist auch eine sehr interessante Plattform, funktioniert aber doch eher als internationales Medium. Wir wollen Menschen aus Hamburg und Umland erreichen, da lässt sich unser regionaler Ansatz im Rahmen anderer Kanäle, die beispielsweise mit Hashtags arbeiten, besser verfolgen.
Eure Webseite ist auf allen Geräten und Browsern nutzbar. Warum habt ihr trotzdem noch eine iOS-App herausgebracht?
Wir wollen den Offline-Kauf für Nutzer verbessern und vereinfachen. Dafür eignet sich eine native App einfach viel eher, weil sie übersichtlicher und einfacher zu bedienen ist. Die Funktion, Ladenprofilen zu folgen, ist beispielsweise nur in der App möglich, da wir so Nutzern ihre Lieblingsläden auf unkomplizierte Art und Weise zuordnen können. Eine Registrierung mit Zugangsdaten in einer Desktop-Version würde viele User abschrecken – die Deutschen geben ihre Daten eher ungerne preis.
Wie sieht es mit Apps für weitere Betriebssysteme aus?
Wir haben festgestellt, dass in unserer Zielgruppe eher iPhones genutzt werden – daher starteten wir mit einer iOS-App. Trotzdem sind Android-Smartphones auch in Deutschland noch weiter verbreitet als Apple-Geräte. Um eine breitere User-Base erreichen zu können wird es daher im Herbst 2015 außerdem eine Android-App geben.
Was ist mit der Unterstützung von Windows Phone? Ist das ein Thema für euch?
Mit der Umsetzung von iOS und Android werden wir die meisten deutschen Nutzer erreichen können, daher steht ein Windows-Phone-Support erst langfristig auf dem Plan.
Findeling ist für User kostenlos. Wie wollt ihr Geld verdienen?
Wir verfolgen momentan verschiedenste Monetarisierungsansätze. Für den User bleibt die App aber in jedem Fall kostenfrei nutzbar.
Also holt ihr euch das Geld über die Läden?
Für alle Geschäfte, die sich bis August registrieren, wird die Listung immer kostenlos bleiben. In Zukunft wollen wir dafür eine einmalige kleine Gebühr erheben und weitere Funktionen und Dienstleistungen anbieten. Diese können dann kostenpflichtig dazu gebucht werden. Wie das Ganze genau ausgestaltet sein wird – daran feilen wir noch.
Bleiben wir beim Monetären: Geld ist ja ein leidiges Thema für Start-ups. Das zu besorgen, um seine Ideen umsetzen zu können, ist eine große Herausforderung. Venture Capital, Business Angels, klassische Kredite oder das Ersparte von Oma: Wie haltet ihr euch für die Anfangszeit über Wasser?
Bis jetzt trifft es tatsächlich das „Ersparte von Oma“. Wir haben außerdem unser eigenes Erspartes zusammengekratzt und betreiben nebenbei „Bootstrapping“, indem wir uns mit Nebenjobs und ein paar kleinen Aufträgen über Wasser halten. Langfristig werden wir jedoch auch den Kontakt zu einem Business-Angel suchen.
Subjektiv kriegt man das Gefühl, dass sich Hamburg neben Berlin zur neuen Hochburg von Start-ups entwickelt hat. Stimmt dieser Eindruck aus eurer Sicht?
Wir sind ja noch ganz neu in dieser Szene, da wir erst im Februar gegründet haben. Trotzdem bekommen wir durch Veranstaltungen und Gespräche mit anderen Gründern viel mit und haben sofort Unterstützung beim Netzwerken erhalten.
In Hamburg ist schon einiges los, nicht zuletzt dank der vielen Start-up-Förderungen und Initiativen. Vor allem in den Bereichen Tech und Digitales ist Hamburg sehr aktiv und das Ganze scheint hier gut zu wachsen und zu gedeihen. Wenn man allerdings nach Berlin schaut, ist die Start-up-Szene doch deutlich größer und noch viel stärker vernetzt.
Auch wenn ihr noch ein junges Start-Up seid, so habt ihr sicherlich schon einige Hürden meistern müssen. Was würdest du jungen Gründern mitgeben, auf was sie achten sollten?
Ein weiteres Credo von uns ist: „Immer langsam mit den jungen Pferden“. Man sollte sein Produkt in Ruhe optimieren und sich in jedem Fall die Zeit dafür nehmen, den Status Quo zu analysieren, anstatt sich beeilen zu wollen und ein noch nicht ausgereiftes Produkt auf den Markt zu bringen. Ein weiteres wichtiges Learning ist außerdem, sofort parallel zur Produktentwicklung mit seinen Kunden zu sprechen, sich aktiv Feedback abzuholen und dieses direkt in die Entwicklung einfließen zu lassen.
Wenn ihr in eure Zukunft schaut, was seht ihr da für Findeling?
Wir wünschen uns ein gemächliches, nachhaltiges Wachstum und die friedliche Eroberung der ersten deutschen Großstädte.
Viele Start-ups träumen von einem Exit, der ein dickes Bankkonto beschert. Ist das auch euer Ziel?
Einen Exit schließen wir im Moment aus. Was uns antreibt, ist die Leidenschaft für unsere Idee – nicht der große Reibach nach möglichst wenig Zeit.
Katharina, vielen Dank für das Gespräch.
Bilder: Findeling