Gepflegt auszukotzen über die Bahn, das gehört in Deutschland zum guten Ton. Meistens sind es verspätete Züge oder neuerdings auch Streiks, die für Unmut bei den Reisenden sorgen. Doch nun kommt offensichtlich ein von der Bahn ungewollt neu konzipiertes Ärgernis dazu: der verfrüht abfahrende Zug, eine delikate Spezies. Es handelt sich hierbei um jene Art von Intercity, die gar nicht mehr erst auf Fahrgäste wartet, sondern in einigen Bahnhöfen einfach eine halbe Stunde verfrüht losfährt. Klingt skurril, hat aber offensichtlich seine Gründe…
Was war passiert? Ich habe einige Tage vor meiner geplanten Reise eine Fahrkarte per Bahn-App gebucht. Da es sich um einen Sparpreis handelte, hatte ich die sogenannte Zugbindung zu beachten. Das heißt, ich darf am Reisetag nur die in der Verbindungsübersicht aufgeführten Züge nehmen.
In meinem Fall war das der IC 2354, der von Berlin nach Köln fährt und zwischendurch auch in Erfurt hält. Um 14.57 Uhr also sollte es losgehen, so sagt es mir mein Plan, den ich nach Buchung der Fahrkarte auf elektronischem Wege erhalten habe.
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Nun erreicht mich am Reisetag, etwa vier Stunden vor geplanter Abfahrt, eine Mail der Bahn. Per „Verspätungsalarm„, einer Option, die ich bei der Buchung der Fahrkarte angewählt hatte, wird mir Folgendes mitgeteilt:
Hätte ich eine Fahrkarte zum Normalpreis gekauft, wäre es kein Problem gewesen, einfach irgendeinen Zug zu wählen. Mir allerdings bleibt nun nicht Anderes übrig, als bei der Online-Reiseauskunft nach meinem IC 2354 zu suchen. Überraschung: Der Zug existiert zwar weiterhin unter der gleichen Nummer, nur steht da statt 14:57 Uhr nun 14:22 Uhr als Abfahrtszeit (die 14 bzw. später 18 Minuten Verspätung, die man aufschlagen muss, schenken wir uns an dieser Stelle mal).
Interessant ist, dass der Zug in Erfurt laut Echtzeitmessung wie geplant ankommen soll. Hätte ich den Verspätungsalarm nicht abonniert oder schlicht nicht zur Kenntnis genommen, wäre ich (wie wahrscheinlich viele andere Reisende heute auch) zu spät am Gleis gewesen und hätte den Zug verpasst.
Nur was wäre dann mit meiner Sparpreis-Fahrkarte passiert? Oder, anders gefragt: Was passiert grundsätzlich mit derartigen Tickets, wenn ein Zug früher als geplant abfährt? Ich frage beim Twitter-Account der Bahn nach. Die Antworten kommen immer prompt, meine Frage beantworten kann der Mitarbeiter aber leider nicht wirklich. Auf meine Frage erhalte ich folgende (etwas ungläubig klingende) Antwort:
@EkkiKern Zu früh? Um welchen Zug geht es denn? /ar
— Deutsche Bahn Personenverkehr (@DB_Bahn) June 5, 2015
Weiter geht’s:
@EkkiKern Laut meinen Infos ist IC 2354 mit +18 Minuten erst abgefahren. Ich habe keine Info, dass der Zug zu früh losgefahren ist. /ar
— Deutsche Bahn Personenverkehr (@DB_Bahn) June 5, 2015
Stimmt, ist er nach aktuellem Fahrplan auch nicht. Nach dem Kauf meines Tickets wurde die Verbindung aber offensichtlich stillschweigend geändert, was den Bahn-Mitarbeiter dann anscheinend auch nicht besonders überrascht:
@EkkiKern Dann hat sich der Fahrplan geändert. Bitte gehen Sie in ein Reisezentrum und lassen sich dort die Fahrkarte gültig schreiben. /ar
— Deutsche Bahn Personenverkehr (@DB_Bahn) June 5, 2015
Man bietet mir also Hilfe an. Habe ich erst einen Stempel von der Bahn, kann ich anschließend jeden beliebigen Zug nehmen, bin also nicht mehr an die in meinem Reiseplan aufgeführte Verbindung gebunden. Der Zugbegleiter erzählt mir wenig später dann noch, dass auf der Strecke von Leipzig nach Berlin derzeit gebaut werde. Damit verbundene Wartezeiten wären in den Fahrplan integriert worden. Was zur Folge hat, dass der besagte Zug an mehreren Stationen einfach früher abfährt. So ist das eben.
Blöd ist die Situation nur für die vielen Reisenden am Gleis des Berliner Hauptbahnhofs, von denen heute einige recht ratlos herumstanden. Ob der Zug von Gleis 1 oder 2 abfahren würde, war übrigens bis zuletzt unklar. Immerhin: In Erfurt ist der Zug gut angekommen. Und pünktlich. Auf die Minute.