Die bekannteste Crowdfunding-Plattform der Welt hatte bislang einen Makel: Wer als Deutscher ein Projekt starten wollte, musste dafür viele Hürden umschiffen. Das ist nun vorbei. Kickstarter hat den Sprung über den Teich gewagt und damit scheinbar offene Türen eingerannt. Ich habe mir den deutschen Ableger angeschaut und mit den Kreativen gesprochen. // von Jürgen Kroder
Noch nie war es so einfach wie heute eine Idee umzusetzen und sie auf den Markt zu bringen. Während man früher mit viel Mühe eine Firma gründen, eine Produktionsstätte und Mitarbeiter finden sowie Kapitalgeber auftreiben musste, gestaltet sich das im heutigen Internet-Zeitalter als deutlich einfacher. Gerade die letzte Hürde, das liebe Geld, rückt für viele Kreative leichter in greifbarer Nähe – Crowdfunding sei Dank.
Wenn man vom Crowdfunding spricht, denken die meisten sofort an Kickstarter. Durch Leuchtturm-Projekte wie beispielsweise die Pebble Watch und Pebble Time, die Spielkonsole Ouya oder dem Game „Elite Dangerous“ ist die Plattform in aller Munde. Und, nun ja, auch wegen allerlei blödsinnigen Ideen, die durch die Masse finanziert werden sollten. Ich denke hier mit Grausen an die Fan-Umsetzung von „Half Life 3“ oder den „Fish on Wheels“ (wirklich, ein fahrendes Aquarium mit einem Goldfisch als Steuermann) – und natürlich an das Kartoffelsalat-Festival, das wirklich über-erfolgreich abschloss.
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Jetzt ist alles viel einfacher
Egal, ob sinnvoll oder nicht: Kickstarter ist ein Name, eine weltbekannte Marke. Doch bislang wurde alles über die USA abgewickelt. Das heißt, wenn man ein Projekt umsetzen wollte, musste man viel Mühe auf sich nehmen. Zum Beispiel war ein ausländisches Bankkonto und einen Unternehmenssitz in den USA nötig, die Sache mit den Steuerabzügen ist sicherlich auch nicht gerade trivial gewesen. Und die ständig schwankenden Wechselkurse haben bestimmt nicht für übermäßige Freude gesorgt.
Diese Probleme dürften seit dem 12. Mai der Vergangenheit angehören. An diesem Tag ist „Kickstarter Deutschland“ gestartet. Damit launchte man unter der URL kickstarter.com/deutschland eine Übersichtsseite für Projekte „made in Germany“. Bereits zum Start gab es Ideen aus Offenburg, Berlin, Hamburg, Ramstein, Greifswald, Gelsenkirchen und anderen Städten. Also aus jeder Ecke der Bundesrepublik. Zudem findet man Konzepte aus dem deutschsprachigen Umland, wie beispielsweise „Noki“ aus Graz.
Eine weitere, viel größere Neuerung ist die monetäre Abwicklung: Nun können Projekte auch mit einem deutschen Bankkonto und in Euro als Währung gemanagt werden. Damit sind die bisherigen Hürden gefallen, der Einstieg ist deutlich einfacher – für alle Beteiligten.
Win-Win?
Zusätzlich sind die hierzulande gestarteten Projekte über Kickstarter.com in der ganzen Welt sichtbar. Das klingt nach einer Win-Win-Situation. Ist das so? Wir haben nachgefragt. So sagt zum Beispiel Nils Chudy, der aktuell über Kickstarter den neuartigen Wasserkocher „Miito“ finanzieren will: „Einen besseren Start hätten wir uns kaum vorstellen können!“.
Ähnlich positiv sieht es André Schillo von Voodoo Games. Er und sein Team benötigen Geld von der Crowd, um ihr Brettspiel „Karnivore Koala“ auf den Markt zu bringen. Laut ihm hat sich der Start von Kickstarter Deutschland „innerhalb der ersten Stunden positiv auf uns ausgewirkt“. Das in Zahlen zu fassen, falle ihm schwer, aber er drückt seine Begeisterung so aus: „Die Kickstarter-Kampagne hat es in kurzer Zeit auf 75% ihres Ziels geschafft. Ich denke, dass ist für den Start der Kampagne schon mal sehr aussagekräftig!“
Der mediale Hype um das „neue“ Kickstarter scheint nicht nur bei den Brettspiel-Herstellern gut angekommen zu sein. So gab es auch beim bereits genannten Noki einen Run der Unterstützer, der dazu führte, dass der smarte Türöffner in genau acht Stunden und 40 Minuten finanziert wurde. Das liegt laut Thomas Kriebernegg, Head of Marketing bei Noki, definitiv am Kickstarter-Launch im deutschsprachigen Raum. Seinen Angaben zufolge kommen 55 Prozent ihrer Investoren aus Deutschland, 20 Prozent aus Österreich und fünf Prozent aus der Schweiz.
Nicht nur in Sachen Finanzierung bekam ich bei meinen Nachfragen positives Feedback, auch bei anderen Dingen scheint es wenig zu mosern geben. Kurz: Die Stimmung ist bestens, Kickstarter scheint einen tollen Start hingelegt zu haben.
Was ist mit den Mitbewerbern?
Doch wo es Gewinner gibt, gibt es meist auch Verlierer. Einer könnte aus meiner Sicht Startnext sein. Die Crowdfunding-Plattform aus Berlin versucht sich schon seit einigen Jahren zu etablieren, besonders im künstlerischen Bereich. Bislang wurden über Startnext von 2010 bis 2015 Projekte im Gesamtwert von knapp 20 Millionen finanziert.
Das schaffte bei Kickstarter alleine die Pebble Time. Natürlich mit Geldgebern aus der ganzen Welt – wir wollen ja keine Äpfel mit Birnen vergleichen. Dennoch spielt Startnext nicht in der gleichen Liga wie der internationale und nun auch in Deutschland aktive Konkurrent.
Wie reagiert Startnext auf den neuen Mitbewerber im eigenen Territorium? Man sieht eine Co-Existenz, welche beiden einen Psuh verleihen soll. Denis Bartelt, Gründer von Startnext, formulierte das auf meine Anfrage so: „Der Deutschland-Start von Kickstarter hilft das Thema Crowdfunding noch stärker in die Öffentlichkeit zu bringen, davon wird auch Startnext profitieren und noch bekannter werden.“
Kickstarter parallel zu Startnext – kann das gut gehen? Gibt es Unterscheidungsmerkmale? Dazu wieder Denis Bartelt: „Während die amerikanischen Plattformen hierzulande vor allem für den Vorverkauf von Gadgets bekannt sind, setzt sich die Startnext-Community für gesellschaftliche Innovationen und Ideen ein, die etwas verändern“
Außerdem expandiert auch Startnext. Aber nicht nach Übersee, sondern in die Schweiz. Ob das der Plattform helfen wird? Ich bleibe skeptisch.
Fazit: Nicht alles Gold, was glänzt
Obwohl die ersten deutschen Kickstarter-Projekte verheißungsvoll bis extrem positiv verlaufen, so ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt. Wenn man sich die Übersichtsseite betrachtet, sieht man einige Konzepte, die noch weit vom erhofften Erfolg entfernt sind. Sicherlich wird es am Ende zahlreiche Ideen geben, die nicht genügend finanzielle Unterstützer finden.
Und das ist auch gut so, finde ich. Denn auch beim neuen deutschsprachigen Ableger der beliebten Crowdfunding-Plattform findet man Ideen, die, nun ja, ganz stark Geschmackssache sind (um es mal politisch korrekt auszudrücken). Auch wenn die Deutschen einen Ruf als Dichter, Denker und Tüftler haben, so sind eben nicht alle Einfälle genial oder unterstützenswert.
Nichtsdestotrotz sehe ich den Schritt von Kickstarter als richtig und wichtig an. Meiner Meinung nach könnte das dem Thema Crowdfunding, das hierzulande leider immer noch kritisch gesehen wird, zum finalen Durchbruch verhelfen. Wenn es eine so große und bekannte Plattform wie Kickstarter nicht schafft – wer dann?