Im Februar habe ich hier bei BASIC thinking mal von hinter den Kulissen berichtet. Von den tausenden lustlosen, uninspirierten E-Mails, die wir Monat für Monat von PR-Agenturen bekommen, die uns fragen, ob wir über ihre Produkte berichten möchten. Nun kam ein Brief vom Kickstarter-Projekt „The Future Chronicles“, den ich im Gegenzug mal als positives Beispiel im Kontext der Blogger-Relations anbringen möchte. // von Tobias Gillen
„Gebt euch Mühe, verdammt!„, habe ich gefordert. Ob die Jungs von „The Future Chronicles“ den Text gelesen haben, wage ich zwar zu bezweifeln. Aber offenbar wurde ich trotzdem erhört. Denn als der Postbote am Montag klingelte und verdutzt fragte, ob ich dieser „BASIC thinking“ sei, an den der Brief adressiert ist, staunte ich doch nicht schlecht. Er übergab mir einen vergilbten, mit Wasserflecken überzogenen Brief mit rotem Wachssiegel.
Absender war laut Umschlag „The Future Chronicles“, dazu der Zusatz „Berlin, 2096“. Weder unter dem Namen noch unter der Zahl konnte ich mir etwas vorstellen, also öffnete ich das Siegel. Im Inneren waren zwei ebenso vergilbte DIN-A4-Blätter, mit Stempel datiert auf den 20. November 2096. Unterschrieben sind sie von Daniel Kiendl und Volker Tolle, angeblich die „Redaktion aus der Zukunft“.
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2069: Mind Control
Mit dabei waren zudem drei alte, verknickte historische Fotos des Magazins und ein Zeitstrahl, abgerissen auf einem an den Rändern angekokelten Zettel. Darauf sieht man Jahreszahlen und Fortschritte in der Computertechnologie. Bei 2015 etwa steht „Wearable Tech“, 2069 soll es mit der „Mind Control“ so weit sein.
„Technology is shrinking until it vanishes in the human body.“ – The Future Chronicles
Der Hintergrund des ganzen Aufwands ist eine Kickstarter-Kampagne, die heute startet. „The Future Chronicles“ soll ein Magazin werden, dass sich den gesellschaftlichen Wandel auf die Fahnen geschrieben hat. In jeder Ausgabe soll es um ein Thema gehen, das aus verschiedenen zeitlichen Perspektiven heraus betrachtet wird.
Erste Ausgabe dreht sich ums Internet
Die erste Ausgabe soll also – dem Zeitstrahl entsprechend – das Thema Internet behandeln. In 20 Artikeln wird dessen Entwicklung seit den Sechzigern (Vergangenheit) über die jetzige Zeit (Gegenwart) bis hin zum Ende des 21. Jahrhunderts (2096, Zukunft) eingeordnet. „Niemand kann mit Sicherheit sagen, was passieren wird“, lässt sich Daniel Kiendl, Co-Gründer, zitieren. „Doch indem wir mögliche Szenarien betrachten, können wir ein wenig Licht ins Dunkel bringen.“
Hinter dem Projekt steht die Berliner Agentur Hyperraum, für die Kiendl und Tolle arbeiten. Die erste Ausgabe soll in gedruckter Form und als App erscheinen, auch E-Books sind geplant. Dafür braucht die Truppe insgesamt 30.000 Euro, die per Crowdfunding eingesammelt werden sollen. Als Plattform hat man sich passend zu ihrem heutigen Deutschlandstart die bekannte US-Seite Kickstarter ausgesucht.
Innovativer Journalismus gehört nicht aufs Abstellgleis
Zunächst habe ich den Brief nur als sehr modische Abwechslung zu den ganzen PR-Mails wahrgenommen, die mir schon lange auf den Geist gehen. Aber je mehr ich mich in das Projekt eingelesen habe, desto begeisterter bin ich davon. Nicht nur, dass es ein Vorzeige-Beispiel für Blogger-Relations ist.
Es ist vielmehr auch ein weiterer Beleg dafür, dass journalistische (Print-)Projekte längst noch nicht aufs Abstellgleis, sondern mit genügend Einfallsreichtum und Mut auf den Markt gehören. Unklar ist – die ewig leidige Frage –, ob die Leser bereit sind, satte 30.000 Euro auf den Tisch zu legen und das Projekt finanziell zu tragen. Wenn aber doch, soll „The Future Chronicles“ im September 2015 erstmalig erscheinen und sich dann in den kommenden Ausgaben selbst tragen.
Tiefgründigkeit ist Pflicht
Ich würde mir vom Projekt wünschen, dass es so tiefgründig wird wie es verspricht. Und dass es sich mit allerlei weiteren Themen beschäftigt, die unsere Zeit aktuell so sehr beschäftigen. Was wird beispielsweise aus all den gesellschaftlichen Gräben, die sich aktuell auftun?
„The Future Chronicles“ wird die Fragen, die es selbst aufwirft, natürlich nicht alle beantworten können. Aber es kann uns, wenn es erfolgreich ist, zum Nachdenken zwingen. Oder wann hast Du das letzte Mal über das Jahr 2096 nachgedacht?