Die europäische Idee wird jetzt auch digital weitergedacht. Mit stolzen 16 Initiativen ebnet die Europäische Kommission den Weg zum digitalen Binnenmarkt. So toll ich Europa mit all seinen Errungenschaften und Bequemlichkeiten auch finde, so sauer stoßen mir Essiggurken-Normierungen, Details in der Struktur und politisches Kräftemessen doch immer wieder auf. Ein schöner Anlass, einen kritischen Blick auf die Ankündigung des #DigitalSingleMarket zu werfen. // von Michael Müller
Am Mittwoch war es so weit: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker legte im Rahmen einer Pressekonferenz „den Grundstein für Europas digitale Zukunft“. Konkret handelt es sich dabei um 16 zielführende Maßnahmen, die auf drei Säulen beruhen und bis Ende 2016 von der Kommission der Staatengemeinschaft umgesetzt werden sollen. Ziel der Maßnahmen ist es, regionale Barrieren für Privatpersonen und Unternehmen abzubauen und ein digital vereintes Europa zu schaffen – mit einem einheitlichen Rechtsrahmen, weniger Bürokratie, einer europäischen Datenschutz-Richtlinie und vielen anderen Veränderungen.
Europa vernetzt sich
Die EU nimmt sich damit die Vereinigten Staaten von Amerika zum Vorbild, die trotz föderaler Republik einen Rechtsrahmen bieten, der immerhin für digitale Güter landesweit gilt. So kann ein Pay-TV-Abonnent aus Texas auch beim Hotelaufenthalt in Las Vegas auf seine Inhalte zugreifen, Netflix streamen ohne Aufpreis zahlen oder einen neuen Vertrag abschließen zu müssen.
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Die USA dienen folglich als Vorbild für Europa, mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen des digitalen Handelns zu vereinheitlichen. Aus den digitalen Einzelmärkten wird quasi ein einziger europäischer Handelsplatz. Dadurch kann der Engländer seine Netflix-Inhalte vollumfänglich auch in Griechenland streamen – ohne VPN-Tunnel, anfallende Zusatzkosten oder sonstige Einschränkungen. Jedenfalls dann, wenn beide der EU treu bleiben.
Mit der Initiative hat die Europäische Kommission „eine ihrer obersten Prioritäten in Angriff genommen“, sagt sie. In Zeiten von Breitband-Internet, exponentiellem Datenwachstum und omnipräsenten Digital-Trends wie dem Internet der Dinge war das aber auch höchste Eisenbahn.
Ein einheitlicher europäischer Binnenmarkt könnte auch Startups und Internetfirmen dabei helfen, ihre Geschäfte ganz einfach in weitere EU-Mitgliedsstaaten auszuweiten, ganz ohne große bürokratische Hindernisse. Dies könnte den digitalen Standort Europa durchaus stärken und die Dominanz der USA auf lange Frist zumindest eindämmen. Betrachtet man die wertvollsten Internetunternehmen weltweit, ist ein gutes Auge nötig. Ernüchternd, wie ich finde.
Die16 Initiativen
Jetzt soll also alles besser werden, indem 16 Initiativen auf den Weg gebracht werden, die den digitalen Raum Europas einheitlich organisieren. Was heißt das konkret? Folgendes. Die EU plant…
- eCommerce und digitalen Handel innerhalb der EU durch neue Regeln zu erleichtern
- Verbraucherrechte durchzusetzen
- günstigere Kosten für EU-weiten Paket-Versand
- Unterbindung von ungerechtfertigtem Geoblocking (bspw. bei YouTube: „Video in Ihrem Land nicht verfügbar“)
- Wettbewerbsverzerrungen und Kartelle zu unterbinden
- ein modernes, europäisches Urheberrecht
- die Satelliten- und Kabelrichtlinie zu prüfen, um Streaming-Angebote ggfs. auszubauen
- eine einheitliche Mehrwertsteuer-Schwelle und elektronische Registrierungs- und Zahlungsverfahren
- eine „ehrgeizige Reform der EU-Telekommunikationsvorschriften“
- den Rechtsrahmen für audiovisuelle Medien zu überprüfen
- die Rolle von Online-Plattformen (Suchmaschinen, Social Media, etc.) zu prüfen
- die e-Datenschutz-Richtlinie und folglich Persönlichkeitsrechte zu sichern
- eine Partnerschaft mit der Industrie zum Thema „Cybersicherheit“
- eine europäische Initiative zum „freien Datenfluss“ inkl. einer europäischen Cloud-Initiative
- neue Prioritäten für die Normung und Interoperabilität
- die Stärkung einer von Inklusion geprägte digitale Gesellschaft
Daran beachtlich: Ende 2014 kündigte EU-Kommissionspräsident Juncker an, 2015 insgesamt nur 25 Initiativen auf den Weg bringen zu wollen, um „konzentrierter zu arbeiten“. Mit alleine 16 Initiativen für einen digitalen europäischen Binnenmarkt bekräftigt die Kommission ihr Vorhaben, Europa fit für die vernetzte Zukunft zu machen.
Gute, etwas vage Richtung
Betrachtet man den Maßnahmenkatalog, so kann man daran kaum etwas aussetzen. Die Ideen sind gut, stimmig und am Zahn der Zeit. Bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen am Ende tatsächlich umgesetzt werden – und vor allem, welchen Weg die EU am Schluss gemeinsam geht.
Mir persönlich fehlen fassbare Umsetzungsideen und Ansätze, doch das wundert bei einem Maßnahmenkatalog in dieser frühen Phase wohl eher nicht. Erinnerungen an die Digitale Agenda der Bundesregierung kommen auf (damals forderte ich die Einführung des „Digitalitätszuschlags“ und die Abschaffung des Solis). Auch ist es schade, dass kein Wort zur Netzneutralität fällt. Die Sicherung dieses großen, so wertvollen Gutes der digitalen Welt, sollte auch für Europa höchste Priorität haben.
Was mir gänzlich fehlt, ist die Erwähnung des EU-weiten Datenroamings in Mobilfunknetzen. So ist es aus meiner Sicht fahrlässig, diesen Punkt auszusparen, wenn von einem digitalen europäischen Binnenmarkt die Rede ist. Eine vernetzte Gesellschaft ist vornehmlich mobil unterwegs, genießt schon heute die Reisefreiheit – hoffentlich bald ergänzt durch liberale und einheitliche digitale Rahmenbedingungen. Um von diesen Veränderungen aber auch bestmöglich und effizient profitieren zu können, ist ein Europa-Mobilfunknetz ohne Datenroaming-Aufpreise oder sonstige Einschränkungen nötig.
Unklarheiten sind tödlich
Nachlässigkeit bei der Durchsetzung wichtiger digitaler Richtlinien birgt allerdings große Gefahren – Rechtssicherheit und Klarheit sind die Voraussetzung für eine nachhaltige, einheitliche Netzpolitik. Das zeigten in der Vergangenheit beispielsweise die Diskussionen um die WLAN-Störerhaftung, die Netzneutralität, die Vorratsdatenspeicherung oder der Abmahn-Wahn bei Urheberrechtsverstößen durch illegales Filesharing.
Das Projektteam für den digitalen Binnenmarkt unter der Leitung von Günther Oettinger gibt an, bis Ende 2016 Ergebnisse zu den einzelnen Maßnahmen zu liefern. Der digitale Binnenmarkt soll „mit der Unterstützung des Europäischen Parlaments und des Rates so bald wie möglich vollendet“ werden.
Leider bedeuten Initiativen der EU-Kommission noch lange nicht, dass diese auch tatsächlich umgesetzt werden. So wurden in der Vergangenheit einige aus Initiativen erwachsene Gesetzesentwürfe jahrelang blockiert, fallen gelassen oder durch die Mitgliedsstaaten verwässert.
Hoffen wir also gemeinsam darauf, dass die 28 EU-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Kommissions-Initiativen an einem Strang ziehen – und am Ende des Prozesses keine Essiggurken stehen.