Täglich wenden sich PR-Agenturen, Start-ups, Firmeninhaber und -gründer oder Marketingabteilungen per E-Mail oder Telefon an uns. Meist mit dem Ziel, uns ihr tolles, neues, hyperinnovatives und noch nie dagewesenes Produkt für die Berichterstattung auf BASIC thinking anzudrehen. Zeit, mal ein paar Worte darüber zu verlieren. // von Tobias Gillen
Von 1.000 E-Mails schafft es ein Thema auf die Seite
Jeder Journalist kennt das: Mehr oder minder freundliche E-Mails von Menschen, die es in die Zeitung, ins Radio oder auf die Website eines Mediums schaffen wollen. Klar: Berichterstattung bringt Aufmerksamkeit bringt Kunden bringt Geld. Viele vergessen dabei aber leider, dass es nicht die Aufgabe von Journalisten und Bloggern ist, Unternehmen diese Dinge zu liefern.
So erleben wir immer wieder, wie fast selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass wir nur ein verlängerter Arm der Marketingabteilung sind und den lieben langen Tag nur darauf warten, Themenvorschläge zu bekommen und ungeprüft auf die Seite zu stellen. Fakt ist: Von 1.000 E-Mails, die wir in diese Richtung mit Themen erhalten, landen fünf im Ordner „Schauen wir uns mal an“ – und ein Thema schafft es dann vielleicht tatsächlich mal kritisch beleuchtet auf die Seite.
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„Irgendwann kommt man sich veralbert vor“
Woran das liegt, wir klar, wenn man sich die E-Mails, die wir so bekommen, mal etwas genauer anschaut. Sie fangen in einer selten gesehenen Konsequenz damit an, dass Firma XY auf unsere Seite gestoßen ist und festgestellt hat, dass unsere Themen ja hervorragend zum neuen Produkt der Firma passen. Hierzu vielleicht mal ein klares Wort: Ab dem Zeitpunkt lese ich nicht mehr weiter.
Das liegt daran, dass man sich, wenn man täglich hundert von solchen E-Mails bekommt, irgendwann veralbert vorkommt. Und daran, dass man ab diesem Satz weiß, dass es sich um eine Standardmail handelt, die neben mir noch etliche andere Blogger erhalten haben. So stelle ich mir keine gelungene PR-Arbeit vor.
Alu-Prospektständer und Schweinemast
Schön ist auch, dass sich viele Firmen bei uns melden, deren Produkte dann doch nur so mittelgut mit dem Themenspektrum unserer Seite matchen. Im Kopf geblieben ist mir etwa die E-Mail eines Herstellers von Alu-Prospektständern. Der ist natürlich auf unsere Seite gestoßen und hat befunden, dass die neuen Alu-Ständer hervorragend zu unserer Seite passen. Logisch.
Auch die Nachricht von einem angeblichen Experten für Schweinemast und -fütterung war spannend. Als Dankeschön bietet er sogar einen Link von einem seiner Blogs an. Und selber schreiben würde er den Text natürlich auch schrecklich gerne. Auf Nachfrage, warum das Thema denn zu uns passen würde, gab er an, dass wir ja auch mal über das Smartphone-Spiel Angry Birds berichtet hätten, wo Schweine von Vögeln abgeschossen werden müssen. Plausibel, nicht?
Online-Casions und der Marktführer-Klon
Besonders beliebt sind auch sämtliche Online-Casinos, die natürlich auch perfekt zu uns passen. Auf Nachfrage dann sinngemäß: Naja, Sie machen ja auch irgendwas mit Internet. Oder so. Wenn man dann mal nach entsprechenden Casions, Firmen und Produkten googelt, wird schnell klar, warum wir ein saftiges Glaubwürdigkeitsproblem haben: Es gibt immer jemanden, der die Dinge ungefiltert weiterverbreitet.
Toll war in dem Zusammenhang auch die E-Mail eines neuen Webdienstes, der gerne Berichterstattung dafür wollte, dass er den Marktführer nicht nur im Design, sondern auch im Namen und der Funktionalität hervorragend kopiert hat. Warum das zu einem Bericht bei uns reichen sollte, wollte die Firma mir dann doch nicht erklären. Nicht, dass es mit einer schlüssigen Argumentation dazu gereicht hätte, aber ich frage dann gerne scherzeshalber mal nach.
Teils scheitert es schon an der Anrede
Nicht immer scheitert es aber am Thema oder dem üblichen Einheits-Blabla. Oftmals ist schon die Anrede so daneben, dass ich keine Lust mehr habe, weiterzulesen. Ein Beispiel: Wenn E-Mails an meinen Vor-Vor-Vor-Vorgänger in der Redaktionsleitung dieser Seite adressiert sind, macht das nicht unbedingt den Eindruck, als sei jemand ernsthaft an einem Austausch interessiert.
Mir ist schon klar, wie so etwas zustande kommt: E-Mail-Verteiler werden mit der Zeit aufgebaut und in den E-Mails werden aus dieser Datenbank die Namen automatisiert eingefügt, damit es personalisiert aussieht. Empfehlung dazu: In regelmäßigen Abständen prüfen, ob die Liste noch aktuell ist und gegebenenfalls anpassen.
Blogger-Relations: Think about it!
Ich kann mir vorstellen, dass es ein schwerer Job ist, den ganzen Tag dafür zu sorgen, dass die Produkte eines Unternehmens, für das man direkt oder indirekt arbeitet, irgendwie Aufmerksamkeit bekommen. Aber so, wie viele Agenturen diesen Job erledigen, ist das verschenkte Zeit. Wer Berichterstattung möchte, sollte seine Zeit nicht in schlechte Werbemails oder angebliche Google-Recherchen nach themenrelevanten Blogs stecken, sondern in sein Produkt.
Denn am Ende zählt nur das und entscheidet (zumindest bei uns) darüber, ob wir es uns anschauen und darüber berichten wollen. In den meisten Fällen finden wir diese Produkte dann sogar ganz von alleine. Und wenn nicht, freuen wir uns über eine persönliche, kreative, faktenreiche E-Mail ohne Floskeln, Fehler und falsche Anrede, die uns trotz aller PR-Bemühungen zeigt, dass wir und unsere journalistische Arbeit ernstgenommen und respektiert werden.