Dieser Artikel ist Teil einer Serie, in der wir verschiedene E-Learning-Systeme mit ihren Vor- und Nachteilen vorstellen. Die Schwerpunkte liegen dabei auf Anpassbarkeit, Funktionsvielfalt, mobiler Nutzung, Stabilität und Benutzerführung/oberfläche. Auch wenn wir uns um Vergleichbarkeit bemühen, ist eine rein objektive Bewertung nicht möglich. Daher fließen immer die individuellen Erfahrungen des jeweiligen Autors mit dem E-Learning-System in den Artikel ein und werden klar als solche benannt. Die abschließende Bewertung stellt eine Mischung aus objektiv nachprüfbaren Fakten und den Praxiserfahrungen des Autors dar.
Die Serie rund um E-Learning-Systeme eröffnet heute das System Moodle. Moodle ist nicht nur international im Einsatz, sondern hat sich auch an deutschen Hochschulen und Universitäten als einer der E-Learning-Platzhirsche etabliert. Die Gründe dafür sind vielfältig, eine Rolle hat sicherlich auch der verhältnismäßig frühe und aktive Einstieg des Projekts in den deutschen Bildungsmarkt gespielt. Vorab einige Hinweise, die mir bei jedem Test wichtig sind:
- Moodle weiß nichts von diesem Test und hat folglich auch keinen Einfluss darauf.
- Die im Artikel erwähnten Erfahrungen sind eine Mischung meiner eigenen Arbeit mit dem System – als Student und Dozent – meiner Studenten und einiger Dozenten Kollegen und Kolleginnen.
- Der Abschlussscore stellt keine absolute Bewertung dar, sonder soll die Vor- und Nachteile des Systems deutlich machen und eine gewisse Vergleichbarkeit mit später in der Serie vorgestellten E-Learning-Systemen bieten.
Wenn ihr andere Erfahrungen mit Moodle gemacht habt, das System selbst nutzt oder gar administriert, freue ich mich über Eure Kommentare. Je nach Umgang und Zusatzinformationen integriere ich diese dann auch nach und nach als Zitate – mit Hinweis auf den jeweiligen Kommentar – in den Artikel.
Moodle: Das System
Im Kern handelt es sich bei Moodle um ein Open Source System, das Bildungseinrichtungen und Unternehmen kostenlos herunterladen und auf den eigenen Servern installieren und nutzen können. Allerdings bietet Moodle auch gehostete Versionen an, die dann auf den Servern des Anbieters laufen und administriert werden. Dieses Angebot wird meiner Erfahrung nach von zahlreichen Bildungseinrichtungen vor allem genutzt, um dem Aufwand der Systemadministration auszuweichen.
Die Inhalte werden bei Moodle in Kursräumen präsentiert, die von den Dozenten individuell angepasst und gestaltet werden können. Die Lerninhalte können in verschiedensten Formaten und mit dem Einsatz verschiedener Medien dargestellt werden. Dazu gehören unter anderem:
- Lernvideos
- Texte
- Präsentationen
- Teste mit Multiple-Choice-Optionen, freien Antworten, Lückentexte und mehr
- Interaktive Lernelemente und Tests
- Dateien, die zum Download bereitgestellt werden
- Diskussionen zwischen Dozenten und Studenten
Funktional bietet Moodle also alle notwendigen Voraussetzungen, um E-Learning-Kurse sauber abzubilden und anzubieten. Wer sich für ein gehostetes System entscheidet – oder seine eigene Moodle Installation anpassen will – kann die (kostenpflichtige) Unterstützung des Full-Service-Dienstleisters eLeDia (E-Learning im Dialog) in Anspruch nehmen. Die möglichen Anpassungen umfassen nicht nur die Auswahl der angebotenen Funktionen, sondern auch die Anpassung des Designs an ein möglicherweise vorhandenes Corporate Design. Ein Aspekt, der nicht nur für Bildungseinrichtungen, sondern auch für Unternehmen entscheidend oder wichtig sein kann.
Datenschutz und Stabilität
Datenschutz hat bei E-Learning-Systemen immer zwei Aspekte:
- Schutz der gespeicherten Daten gegenüber Dritten
Bei den gehosteten Lösungen liegen die Daten nach Aussage von Moodle beziehungsweise des Dienstleisters auf deutschen Servern und sind – natürlich – technisch so gut als möglich abgesichert. Bei selbst-gehosteten Lösungen ist jede Einrichtung selbst für die Wahl des Hosters/Servers und deren Sicherheit verantwortlich. - Schutz der Daten im System
Hier geht es darum, die Daten der einzelnen Nutzer untereinander abzuschotten und nur den Referenten den jeweils notwendigen Zugriff – aber auch nicht mehr – auf die Nutzerdaten zu bieten. Das funktioniert in Moodle mit den Standardeinstellungen recht gut, lässt sich aber von Administratoren anpassen. Diese können das natürlich auch verschlimmbessern.
Die Stabilität von Moodle hängt primär von den eingesetzten Servern und der Internetverbindung ab. Bei langsamen Verbindungen – beispielsweise DSL 2.000 oder gar ISDN – kommt es durchaus zu Hängern und Moodle ist nur eingeschränkt oder gar nicht nutzbar. Mit einer schnellen Verbindung und ordentlichen Servern ist das jedoch kein Problem.
Erweiterbarkeit, Verwaltung und mobile Nutzung
Moodle bietet zahlreiche Schnittstellen und Integrationsmöglichkeiten für andere Dienste. Unter anderem lassen sich Dropbox und Google Apps integrieren. Glänzen kann Moodle jedoch mit über 40 Erweiterungen und einer sehr aktiven Community, die sich in Foren und zahlreichen Blogs austauscht und damit die Entwicklung des Systems unterstützt. Durch eine Frage im Forum können sich Bildungseinrichtungen zudem so manchen kostenpflichtigen Support sparen.
Die Verwaltung findet in Moodle auf drei Ebenen statt:
- Nutzer- und Rechteverwaltung
- Kursverwaltung
- Systemverwaltung
Die verschiedenen Nutzerrollen können – laut Moodle – mit mehr als 200 Rechten versehen werden. In der Praxis reicht das meiner Erfahrung nach aus, um die nötigen Rechte für Dozenten, Studenten und andere Rollen klar abzugrenzen.
Die mobile Nutzung ist – wenn die Option für die jeweilige Installation und/oder Kurse aktiviert wird – über die Android und iOS Moodle App möglich. In den Apps ist die Nutzung der Kurse für Lernende theoretisch gut umgesetzt, zahlreiche Funktionen für Lehrende führen jedoch in den Browser und können nicht direkt in der App durchgeführt werden. Im Browser lässt sich Moodle jedoch nur nutzen, wenn ein mobiles Theme aktiviert wurde. Ein zusätzlicher Schritt, den viele Administratoren leider nicht gehen.
Wer Moodle testen möchte, kann das in einer von Moodle selbst bereitgestellten Testumgebung problemlos tun.
Praxiserfahrungen: Moodle im Einsatz
Theoretisch klingt Moodle gut, in der Praxis hinterlässt es jedoch einen gemischten Eindruck. Die Erstellung von Kursen und Lernmaterialien – auch Tests – geht recht einfach und flott von der Hand. Auch die Nutzung stellt bei einer guten Netzverbindung und stabilem Server kein Problem dar. Die Benutzeroberfläche ist jedoch, auch nach Anpassungen, irgendwann in den 90er Jahren stehen geblieben, modern oder gar ansprechend ist das definitiv nicht.
Diskussionen mit Studenten können sich schwierig gestalten. Immer wieder werden Beiträge mit Zeitversatz angezeigt und damit aus dem ursprünglichen Kontext und der zeitlichen Reihenfolge der Konversation geworfen. Gerade bei Gruppenchats und -diskussionen kann das ganz schön nerven. Die Kontrolle der Arbeitsergebnisse, Tests und Aufgaben ist für Dozenten jedoch weitgehend problemlos machbar.
All das gilt jedoch nur für die Desktop-Nutzung. Sobald Studenten oder Dozenten auf die mobilen Apps oder auf mobile Browser ausweichen müssen/wollen, verändert sich da Bild grundlegend. Die Moodle hat sowohl im App Store als auch auf Google Play lediglich eine zwei Sterne Bewertung – aus guten Gründen. Die Navigation funktioniert nicht konsistent, auf Android ist die App längst nicht mit allen populären Geräten – ich denke, Galaxy Tablets und Smartphones wie das S5 fallen in diese Kategorie – kompatibel. Taps werden nicht erkannt oder lösen falsche Funktionen aus, Eingaben werden nicht gespeichert und vor allem Dozenten werden bei zu vielen Funktionen in den mobilen Browser geschickt – in dem das System jedoch noch schlechter funktioniert.
Einige Studenten berichten mir außerdem von Problemen, die nur in Uni-Wlans auftreten. Eingegebene Texte werden nicht gespeichert, hochgeladene Dateien nicht angezeigt und Teile der Lerninhalte funktionieren nicht. In anderen Wlan-Netzwerken treten diese Probleme nicht auf.
Abschließend bleibt: Moodle bietet viele Möglichkeiten und ist durch seine Open Source Architektur erstmal kostenlos. Das System hat sich aus gutem Grund zu einem der Platzhirsche in deutschen Bildungseinrichtungen entwickelt und die aktive Community bietet Anwendern wertvolle und wichtige Unterstützung. Dennoch gibt es hier noch viel Luft nach oben und die Liste der möglichen Verbesserungen ist (sehr) lang. Mir persönlich würde für den Anfang allerdings schon eine ordentliche mobile Nutzbarkeit reichen.
Wer sich einen Eindruck von praktisch genutzten Moodle-Installationen verschaffen möchte, findet im Folgenden eine Auswahl deutscher Universitäten und Hochschulen, die mit Moodle arbeiten:
- Berlin School of Economics and Law
- DHBW Stuttgart
- Fernuniversität Hagen
- HFT Stuttgart
- Hochschule Darmstadt
- Hochschule Esslingen
- Hochschule Mannheim
- Hochschule München
- Ludwig-Maximilians-Universität München
- PH Ludwigsburg
- TU Darmstadt
- TU Dortmund
- TU München
- Universität Kassel
- Universität Leipzig
P.S.: Da dies der erste Teil unserer E-Learning-System-Serie ist, ist unser Euer Feedback noch wichtiger als normalerweise. Welche E-Learning-Systeme wollt ihr in weiteren Teilen der Serien kennenlernen? Welche Kriterien sind für Euch wichtig? Worauf legt ihr Wert? Welche Erfahrungen habt ihr mit dem vorgestellten System? Wir freuen uns auf Eure Antworten.