Ich habe mir auf den linken Oberarm zwei Citroën DS tätowieren lassen. Und dies nicht, weil ich irgendwo vollkommen betrunken aus einer Hafenspelunke direkt auf den Stuhl eines Tätowierers gefallen bin, sondern weil für mich die automobile Göttin DAS Traumauto schlechthin ist. Als kleiner Steppke hatten wir in der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, zudem eine Anwaltskanzlei, vor der immer zwei DS herumstanden. Wenn ich gross bin will ich auch mal so ein dolles Auto haben, habe ich mir immer gesagt. Jetzt bin ich groß und in einer einsamen Garage in Bielefeld-Mitte steht eine rote 1972 Citroën DS und wartet darauf, dass ich mal zeitgleich über ausreichend Zeit und ausreichend Geld verfüge, um sie wieder fein zu machen. Gefahren bin ich sie aber auch schon ein paar Jahre. Genauso wie einen Citroën CX Break, den ich rein vom Fahrspaß noch viel besser fand. Mit diesen Sätzen möchte ich Dich, lieber Leser, nur darauf einstimmen, dass mein automobiles Herz einen frankophilen Einschlag hat und ich der Marke Citroën durchaus nahe stehe.
Oder auch stand. Ach, eigentlich was dazwischen. Für mich persönlich endet die Ära, in der Citroën für wundervolle Automobile stand, mit der Ablösung des CX durch den XM. Wobei ich mir selbst den noch schön – besser interessant – reden kann. Aber tendenziell hört meine Liebe zu den Citroën-Modellen im Jahre 1989 abrupt auf. Wohlwollend habe ich die neuen DS-Modelle zur Kenntnis genommen, die zwar nichts mehr mit der Göttin selbst zu tun haben, aber immerhin mal wieder versuchen, einen Hauch von Außergewöhnlichkeit versprühen. Wenn auch nicht so wirklich. Oder nicht genug, um mich wieder zu einem feurigen Verehrer der Marke zu machen. Muss aber auch alles nicht sein, denn unlängst arbeiten die Franzosen daran, „DS“ als eigene Marke zu etablieren. Für den lukrativen, chinesischen Markt hat man auch schon damit begonnen.
Und dann stand ich im Herbst 2013 auf der IAA in Frankfurt vor einer Studie namens Citroën Cactus. Über Autonamen mache ich mir schon längst keinen Kopf mehr, aber ich mag zumindest mal loswerden, dass ich ihn befremdlich finde. Auch und vor allem deshalb, weil man ihn beibehalten hat, als die Franzosen das Serienfahrzeug auf dem Genfer Automobil-Salon im Frühjahr 2014 vorstellten.
Im August 2014 stehe ich dann schließlich zum ersten Mal mit einem passenden Autoschlüssel in der Hand vor einem eben solchen Citroën C4 Cactus. Er ist knallgelb, Citroën nennt diese Lackierung ganz hipp “hello yellow”. Ich mag Gelb durchaus. Aber finde ich den Cactus schön? Nein. Über Geschmack lässt sich ja leidenschaftlich streiten, ich lege mich hier und heute aber fest: Schön ist der Cactus nicht. Muss er aber auch nicht sein. Gelber Lack. Riesige graue Plastikverkleidungen. Und auf das Dach hat irgendein Ingenieur weiße Skier genagelt. Nicht? Ach komm, stimmt doch. Dazu noch eine Form, als hätte man ein Bonbon an einer Seite zu sehr mit der Zunge bearbeitet, nachdem man es doch schon so fein durchgelutscht hatte. Und doch oder genau deshalb gefällt mir der Citroën C4 Cactus durchaus. Er muss nicht schön sein, um ein echter Citroën zu sein. Er muss aber wenigstens polarisieren. Und das tut er auch ganz brav.
Die Plastikwüsten, die sich da auf dem schönen gelben Lack in Kontrastfarbe breit machen, sind vielleicht nicht schön anzusehen, sie haben aber eine Funktion. Abgesetzt auf dem Kunststoff (für die Kenner: es handelt sich um den Werkstoff TPU – Thermoplastisches Urethan) findet man längliche Gebilde, die abstehen. Nüchtern betrachtet sind es Luftpolster. Und dies bisschen Luft verkauft uns Citroën als großartige Innovation. Die Polster sind nämlich überall dort zu finden, wo man andere Verkehrsteilnehmer beim Kontaktparken trifft. Solltest Du Kinder haben, dann kennst Du das Gefühl, wenn der Nachwuchs im Parkhaus – gleich neben dem nigelnagelneuen Porsche parkend – genauso unbeholfen wie impulsiv die Tür aufreißt. In Erwartung des Geräusches von einschlagender Autotür auf teurem Porschelack, krallst Du Deine Hand in den Oberschenkel in der Hoffnung, dass der umgehend eintretende Schmerz ein Unglück verhindert. Genau diesen Stress möchte Citroën mithilfe der Airbumps – so nennen sie die Luftkissen – dem Cactus-Fahrer ersparen.
Leider haben die Ingenieure da aber nicht bis zum Ende gedacht. Fahrer- und Beifahrertür sind gegen eben diesen Kontakt beim Cactus geschützt, leider aber nicht die Kanten der hinteren Türen – und eben dort steigen die Kinners ja aus. Immerhin. Haut eines der unerzogenen Blagen im Auto neben Dir die Tür auf, wird sie höchstwahrscheinlich nur die Airbumps, nicht aber den Lack deines Cactus treffen. Gleiches gilt für Einkaufswagenzurückschieber, die an deinem Cactus hängen bleiben. Und auch vorne wie hinten an den Stoßfängern finden sich diese Kissen. Wer schon mal gesehen hat, wie eng man in Paris parken muss, der wird schnell verstehen, dass die Airbumps grundsätzlich gesehen schon eine ziemlich coole Sache sind.
Aber ich verliere mich schon wieder. Ich stehe hier doch in Köln mit dem Schlüssel in der Hand. Einsteigen ist angesagt. Den Cactus gibt es als Schalter (also mit einem manuellen 5-Gang-Getriebe) oder eben mit einem Automatikgetriebe (ETG6). Letzteres habe ich mir ausgesucht. Aber nicht, weil ich zu faul bin um selbst zu schalten, sondern weil sich die Getriebeart unmittelbar auf das Interieur auswirkt. Schalte ich selbst, sieht der Innenraum eben aus, wie man das so kennt. Zwei Sitze, dazwischen ein Schaltknüppel. Bei der Automatikversion hingegen ist vorne eine durchgehende Sitzbank angedeutet. Natürlich dürfen da vorne keine drei Personen sitzen, aber ich mag das Ambiente sehr. Es ist schlichtweg – wenn auch geteilt durch eine futuristisch anmutende Armablage und mit eher kühlem Leder bezogenen Sitzen – kuschelig. Auch die Feststellbremse erzeugt Aufmerksamkeit – wie ein Hebel in einem Flugzeug-Cockpit ragt sie im angezogenen Zustand empor, löst man ihn, verschwindet er Richtung Bodenblech. Die Sitze sind durchaus bequem, bieten dafür aber kaum Seitenhalt. Doch mal unter uns: der Cactus – egal mit welcher Motorisierung – ist auch kein Rennwagen.
Das kann ich auch in Zahlen belegen. Unter der gelben Motorhaube findet man beim 2014 Citroën C4 Cactus e-HDi 92 ETG6 einen 4-Zylinder-Turbodiesel-Motor mit gerade mal 1.6 Litern Hubraum. Downsizing also auch bei Citroën. Das Aggregat verfügt über eine Leistung von 92 PS (68 kw). Daraus generiert es ein maximales Drehmoment von 230 Nm, das ab 1750 Umdrehungen pro Minute zur Verfügung steht. Die Kraft wird ausschließlich auf die Vorderräder übertragen. Mag der Cactus auch SUV-ähnliche Züge haben, auf einen Allrad-Antrieb haben die Franzosen verzichtet. Um den C4 Cactus mit seinem Trockengewicht von 1.130 kg aus dem Stand von 0 auf 100 km/h zu bewegen, benötigt man im Idealfall 11.4 Sekunden! In der Zeit kann man sich ganz bequem eine Gitanes Maïs ohne Filter aus der Jackentasche holen und… Ach nein, heuer ist Rauchen ja verpönt. Bleibt man mit dem Fuß auf dem Gaspedal, dann erreicht der Citroen C4 Cactus e-HDi 92 ETG6 nach sechs automatischen Schaltvorgängen bei 176 km/h seine Höchstgeschwindigkeit. Sportliches Fahren sieht anders aus. Da helfen auch die Schaltwippen nicht, die Citroën dem Lenkrad für den manuellen Gangwechsel spendiert hat. Halten wir einfach fest, dass der Cactus nicht wirklich die Zielgruppe „Sportlich ambitionierte Fahrer“ ansprechen möchte.
ETG6 steht übrigens für Efficient Tronic Gearbox 6, es handelt sich um ein elektronisch gesteuertes Schaltgetriebe, was sich laut Citroën insbesondere beim Manövrieren sehr einfach bedienen lässt und zudem den Komfort und die CO₂-Emissionen verbessert. Ich nenne es mal plump „Kopfnicker“-Automatik, die der eine oder andere schon aus dem alten smart kennt oder aber als ESG (hier wurde lediglich der Name geändert, die Technik ist die gleiche) aus einem älteren Citroën. Der Witz bei der ETG-Automatik ist, dass man nicht wie bei einem DSG einfach mit dem Fuß auf dem Gas stehen bleibt und wartet, bis die Automatik nach und nach die unterschiedlichen Schaltstufen einlegt. Vielmehr fährt man sie mit Gefühl. Vor dem Schaltvorgang wird das Pedal gelupft, um das Nicken zu vermeiden und ohne Schwungverlust im nächsten Gang anzukommen. Ich will mich hier nicht festlegen, ob es gut oder schlecht ist. Ich halte für mich aber fest, dass es erstmal ungewohnt ist, wenn man so eine Automatik noch nicht regelmäßig gefahren ist. Am Ende unserer kurzen Probefahrt bin ich aber schon ganz gut damit zurechtgekommen. Die nüchternen Vorzüge dieses Automatik-Getriebes sind übrigens sein geringes Gewicht, sein geringer Preis und seine Effizienz.
Wenn es schon nicht sportlich geht, taugt er denn etwas für mich als Familienvater?
NEIN!!!! schreien da sofort meine Kinder – ausnahmsweise sind sie sich mal einig. Der Grund ist einfach: Citroën hat an den hinteren Türen auf versenkbare Fenster verzichtet. Lediglich aufstellen kann man sie. Nicht, dass wir in Bielefeld oft mit hochsommerlichen Temperaturen zu kämpfen haben, aber die Kinder möchten auf jeden Fall die Chance haben, die Fenster herunter zu lassen. Das Platzangebot im Fond ist nicht üppig, wohl können aber auch zwei Erwachsene bequem längere Strecken aushalten. Die Sitze hinten sind ansatzweise ausgeformt und bieten genauso ansatzweise Sitzkomfort. Der Notsitz in der Mitte mag es einem gestatten, drei WG-Genossen zur nächsten Party mitzunehmen, bei der Schwiegermutter gewinnt man keinen Blumentopf, wenn man sie dorthin verbannt.
Auch der Kofferraum gibt sich wenig familienfreundlich. Er fasst gerade mal 348 Liter. Nur so zum Spaß und als Vergleich – in den Kofferraum einer Corvette C7 passen schon 287 Liter. Andererseits, auch in einen Polo kann man nur 204 Liter Gepäck laden und im neuen MINI sind es 211 Liter. Die Rücksitzbank lässt sich übrigens umklappen. Zum Marktstart aber nur in einem Stück. Leider bekommt man nach dem Umklappen keine ebene Ladefläche, immerhin aber ein Volumen von 1.170 Litern. Zuladen kann man 442 kg. Die umgedrehten Skier auf dem Dach – also die Dachträger – darf man übrigens mit stolzen 80 Kilogramm belasten. Das Anbauen einer Anhängerkupplung kann man sich meines Erachtens ersparen, denn man darf nur gebremste Anhänger mit einem maximalen Gewicht von 765 kg ziehen.
Nichts für Schnellfahrer, bedingt zu nutzen für Familien. Aha. Na gut. Starten wir den Cactus mal und verschaffen uns einen Fahreindruck. Erst über die Autobahn gen Süden und dann später über die Landstraßen am Rhein entlang. Schön ist die Landschaft ja. Und ich kann sie auch wirklich genießen. Denn der 2014 Citroën C4 Cactus präsentiert sich als formidables Reisemobil. Bis 120 km/h gleitet der Wagen sehr ruhig seiner Wege. Erst dann setzen Windgeräusche ein, ab 140 km/h wird dazu dann auch der Motor etwas lauter. Angenehm französisch weich präsentiert sich das Fahrwerk. Es schluckt eine Menge Unebenheiten weg, ohne dabei einen schwammigen Eindruck zu hinterlassen. Auch die Lenkung ist mir zu keinem Zeitpunkt negativ aufgefallen. Für die Fahrzeugklasse angemessen, nimmt sie meine Lenkbewegungen entgegen und setzt sie direkt um.
Beachtenswert ist durchaus der Verbrauch. Citroën gibt den kombinierten NEFZ-Verbrauch mit 3.5 Litern auf 100 km an. Der Tank des Cactus fasst 45 Liter Diesel, es ist also rein rechnerisch eine Reichweite von 1.280 Kilometern möglich. Auf meiner Testfahrt habe ich schon deutlich mehr verbraucht, bin aber nicht wirklich verbrauchsoptimiert gefahren und musste mich ja lange Zeit auch erstmal mit dem Getriebe arrangieren. Da möchte ich zu einem späteren Zeitpunkt gerne noch einmal ausprobieren, was da am Ende wirklich an Diesel verbrannt wird.
Die Motorleistung in Verbindung mit dem Automatikgetriebe lädt zur Entschleunigung ein. Man kommt gar nicht erst auf die Idee, sich hinter den langsam fahrenden Vordermann zu klemmen und auf die nächste Lücke zum Überholen zu warten. Man nimmt es locker hin und entspannt sich stattdessen. Savoir-vivre, mes amis! Im Stadtverkehr kommt man mit dem Cactus auch perfekt zurecht. Der Citroen C4 Cactus e-HDi 92 ETG6 ist 4.16 m lang, 1.49 m hoch und 1.73 Meter breit. Der Wendekreis liegt bei 10.9 Metern. Das sind Werte, mit denen man in der Stadt zurecht kommt und auch keine allzu großen Probleme bei der Parkplatzsuche haben sollte. Zudem kann man sich für 490 Euro Aufpreis noch eine Rückfahrkamera einbauen lassen. Wer dennoch Probleme beim Einparken hat, kann auf das Park-Assist-Paket zurückgreifen, mit dem der Cactus selbstständig einparkt. Zumindest lenkt er alleine, Gas geben und bremsen muss weiterhin der Fahrer oder die Fahrerin.
Schlicht gehalten ist der Tacho. Naja. Also, das Display, auf dem die Geschwindigkeit angezeigt wird. Drehzahlmesser? Gibt es nicht! Die Geschwindigkeit, der Tankinhalt, die aktuelle Fahrstufe und der Kilometerstand werden angezeigt. Das reicht? Ja. Früher hatten wir ja auch nicht mehr. Mehr Informationen kann man schon bekommen, dann aber ein Display weiter rechts.
Ebenfalls 490 Euro Aufpreis zahlt man für das Navigationssystem, weitere 250 Euro für ein DAB-Radiomodul. Bei dem zentralen Display in der Mitte handelt es sich um ein 7-Zoll-Touchscreen, auf dem man so allerlei einstellen kann und auch muss: Citroën hat den Innenraum des Cactus weitestgehend von Schaltern befreit und die meisten Funktionen in den Touchscreen verbannt. Das ist nicht immer toll und sexy – wenn man Radio hört und die Heizung etwas runterregeln möchte, muss man ein paar Mal tippen, bis man alles eingestellt hat. Wohl aber auch nur eine Übungssache.
Rock’n’Roll? Kann man mit den verbauten Lautsprechern durchaus hören, sogar ein wenig lauter. Lediglich bei sehr basslastigen Songs regelt man die Lautstärke freiwillig nach unten, da fangen die Boxen an, sich sehr matschig anzuhören. Die Verbindung meines iPhones per Bluetooth war ein Kinderspiel. Optional kann man die Geräte auch an einer der beiden USB-Schnittstellen anschließen. Nach der Kopplung mit meinem iPhone wurden alle Information des jeweiligen Songs wie auch das Cover auf dem Dispaly angezeigt, auch beim Einsatz von Spotify. Da passt der Preis auf jeden Fall zur Leistung. Das Navigationssystem hat mich nicht wirklich überzeugt. Zum Preis von nicht ganz 500 Euro würde ich es wohl aber mitordern, einfach aus Bequemlichkeit. Ich fummle so ungern eine Halterung an die Scheibe…
Citroën selbst hat mit dem Marktstart des Cactus eine Kampagne beworben, die da sagt: „Love it – hate it – try it“. Man ist sich also dessen bewusst, dass der Cactus polarisiert und längst nicht jedem gefällt. Während ich diese Zeilen schreibe, frage ich mich auch schon wieder, ob die Kinder nicht vielleicht doch mit den Ausstellfenstern klarkommen könnten. Ich mag den Cactus. Einfach aus dem Bauch heraus. Interessant wird es dann noch einmal beim Preis. Mit allen Optionen kostet der 2014 Citroën C4 Cactus e-HDI 92 ETG6 “Feel” nicht ganz 25.000 Euro. Da ist dann aber auch das Panorama-Glasdach dabei, 17-Zoll-Felgen und Ledersitze. Vollausstattung eben. Für den Preis bekomme ich aber auch schon einen Polo, wenn auch nicht in vergleichbarer Ausstattung, dann aber mit weniger Wertverlust. Andererseits kann man bei Citroën ja durchaus noch einen fetten Rabatt erwarten. Bei Interesse lohnt sich der Weg zum Händler auf jeden Fall, so zumindest meine Erfahrung. Der Basispreis für den Benziner mit 75 PS und manueller Schaltung in der Ausstattung „Start“ liegt übrigens bei 14.490 Euro.
PS: Citroën selbst möchte eine Nähe zwischen dem Cactus und der legendären Ente herstellen. Also dem Citroën 2CV. Ich bin da noch nicht so weit. Ich wollte es aber zumindest erwähnt haben.