Hausfrauenporsche! Ach, sei still! Hausfrauenporsche! Halt die Klappe! Hausfrauenporsche! Aaaarrrgh! Ich bin in meinen Selbstgesprächen mit mir nie zimperlich. Der neue Audi TT, in dem ich fahre, weckt in mir zwei Stimmen und die gehen mit ihren Meinungen ganz weit auseinander. Bislang war Audis TT für mich eben ein Hausfrauenporsche. Erst als ich mit der dritten Generation des Ingolstädter Sportcoupé über diese wundervolle Bergstrasse (A-397) von Marbella zum Ascari Race Resort fahre, verstummt die pöbelnde Stimme und in meinem Gesicht macht sich ein Grinsen ob des Fahrspaßes breit.
Denn eins ist unstrittig: das Fahren im neuen Audi TT macht mir eine ganze Menge Spaß. Und das, obwohl ich „nur“ den 2015 Audi TT 2.0 TFSI S line lenke. Der verbaute 2.0-Liter-TFSI-Motor leistet „nur“ 230 PS, die für ein maximales Drehmoment von 370 Nm gut sind. Der rote Testwagen ist leider nicht mit dem optionalen Quattro-Allradantrieb ausgestattet, sodass die ganze Kraft lediglich an den Vorderrädern abgegeben wird. Das Allrad-Paket gibt es auch nur in der Verbindung mit dem S tronic-Automatikgetriebe, ich schalte gerade selbst – im Idealfall sechsmal hintereinander. 35.000 Euro muss der geneigte Käufer … Hausfrauenporsche! Die geneigte Käuferin … für das Basismodell mit manueller Schaltung einplanen. Für 2.150 Euro mehr schaltet der TT selbstständig per S tronic, der Basispreis für die Quattro-S tronic-Variante liegt dann schon bei 39.500 Euro.
Zeitgleich mit dem neuen TT hat Audi auch die geschärfte Version des 2+2 Sitzers vorgestellt. Beim 2015 Audi TTS kitzeln die Ingolstädter aus dem 2.0 TFSI mal eben 310 PS heraus. Mit der gesteigerten Leistung lässt sich dann auch ein maximales Drehmoment von 370 Nm abbilden, was per Quattro-Antrieb an alle vier Räder verteilt wird. In Verbindung mit dem manuellen 6-Gang-Getriebe liegt der Basispreis dann bei 49.100 Euro, mit dem S tronic-Automatikgetriebe beginnt die Konfiguration bei 51.250 Euro. Neben den beiden 2-Liter-Benzinern bietet Audi zum Verkaufsstart des Audi TT S auch noch einen Diesel an. Mit dem Label Ultra kennzeichnen die Ingolstädter die besonders effizienten TDI-Triebwerke. Verzeihung, aber ich muss dabei unweigerlich an Waschmittel-Werbung denken – jetzt noch sauberer. Der 2.0 TDI Ultra leistet 184 PS und hat ein maximales Drehmoment von 380 Nm, aktuell kann man ihn nur als Handschalter ohne Allradantrieb zu einem Basispreis von 35.900 Euro bestellen. Laut Audi soll er sich mit 4,2 Litern Diesel auf 100 Kilometer begnügen und dabei nicht mehr als 110 Gramm CO2 pro Kilometer in die Umwelt blasen.
Zurück in den TT, dem ich gerade auf der Bergstraße die Sporen gebe. Mehr Leistung geht immer, aber mit den 230 PS ist der TT schon ausreichend motorisiert. Um den Bulli vor mir auf der nächsten Gerade zu überholen fehlt es nicht an Leistung, sondern mir allenfalls an Mut. Oder, wie ich es lieber darstellen möchte, ich habe zu viel Vernunft und zwei Kinder zu Hause, die ihren Vater brauchen. Freundlicherweise setzt der Spanier den Blinker und animiert mich zum Passieren. Ich reiße den Schalthebel, der nach meinem Geschmack zu groß geraten ist, nach hinten in den zweiten Gang und drücke aufs Gaspedal. Am Rande: die Schaltwege sind angenehm kurz und das präzise Schalten fällt mir sehr leicht. Der TT springt nach vorne und schwups! – bin ich am Bulli vorbei. Jetzt heißt es nur noch Gas. Bremsen. Runterschalten. Linkskurve. Gas. Hochschalten. Bremsen. Runterschalten. Rechtskurve. Gas. Hochschalten. Wie auf Schienen rennt der TT auf der in den Berg gestemmten Straße dem Sonnenaufgang entgegen. Stundenlang könnte ich das jetzt weiterspielen. Aber die Kollegin Sarah auf dem Beifahrersitz ist da ganz anderer Meinung und muss mal an die frische Luft. Manno. Ein Tipp für alle Beifahrer auf Bergstraßen: Lest die Straße selbst mit. Versucht Euch vorzustellen, dass ihr selbst fahrt, dann bekommt ihr auch keine Probleme mit dem Frühstück.
Während ich nun weit weniger sportlich durch die Berge gleite, widme ich mich der Funktionsweise der Audi-Matrix-LED-Scheinwerfer, die man zu einem Aufpreis von 2.140 Euro hinzukonfigurieren kann. In der Basis ist der TT immerhin schon mit XENON-Plus-Scheinwerfern ausgestattet, die dann aber auch noch nicht über ein dynamisches Kurvenlicht verfügen. Aber eben das machen die Matrix- LED-Scheinwerfer. Die Technik funktioniert so pervers gut, dass man quasi auch den vorausfahrenden Fahrzeugen die Straße ausleuchtet. Natürlich nicht nur in den Kurven. Mit dem Matrix-LED-Licht kann man quasi die ganze Zeit mit Fernlicht fahren. Vorausfahrende wie entgegenkommende Fahrzeuge werden dabei nicht geblendet, denn die Technik des Fahrzeugs erkennt diese Verkehrsteilnehmer und schaltet genau die LEDs geschwind ab, die eben jene Stelle auf der Straße ausleuchten. Ich bin ein Musikfreund, aber wenn ich mir einen TT mit einem begrenzten Budget bestellen würde, dann bekämen bei mir diese Hellmacher den Vorzug vor dem Premium-Soundsystem. Wer sich im Einzelnen für die genaue Funktionsweise der Audi Matrix LED-Scheinwerfer interessiert, dem empfehle ich die Lektüre meines vertiefenden Artikels.
Immer noch fasziniert vom Lichtspiel des Matrix-LED-Lichtes habe ich ein wenig das Gefühl für die Geschwindigkeit verloren. Zwar strotzt Audi voll Selbstbewusstsein ob des neuen Interieurs der dritten TT-Generation. Evolution outside, Revolution inside. lautet die dazugehörige Marketingphrase. Leider war aber in dem einer Flugzeugtragfläche nachempfundenen Dashboard kein Platz für die Integration eines Head-up-Displays. Schade. Finde ich zumindest. Gerade auf dieser kurvigen Straße und bei all dem Fahrspaß möchte ich doch meinen Blick gar nicht nach unten senken müssen. Muss ich aber. Und dort präsentiert sich eben das, was Audi revolutionär nennt. Das Audi Virtual Cockpit. Statt auf analoge Rundinstrumente trifft mein Augenlicht auf Animationen in einem 12.3 Inch großen Display. Mit zwei – beim TTS drei – unterschiedlichen Darstellungsmöglichkeiten kann ich mir aussuchen, ob die beiden virtuellen Rundinstrumente nun möglichst viel vom Display ausfüllen oder aber oder das Display großflächig mit beispielsweise der Ansicht des Navigationssystems gefüllt wird und sich Tacho und Drehzahlmesser möglichst klein zeigen. Ich bin eher nur medium begeistert, denn Audi hat zugunsten dieser Revolution das eigentliche Infotainment-Display in der Mitte geopfert. Beifahrer sehen also nichts mehr, es sei denn, sie lehnen sich entsprechend weit nach links. Mehr Informationen zu dem Virtual Cockpit hat Euch Carsten Drees bereits in einem eigenen Artikel zusammengefasst.
Manno. Ich will auch mal. mosert plötzlich die Kollegin Sauer vom Beifahrersitz. Ok. An der nächsten Haltemöglichkeit setze ich den Blinker rechts und wir tauschen die Plätze, nicht ohne eine kurze Pause einzulegen. Zeit, noch einmal um den Wagen herum zu gehen und ihn im Morgengrauen wirken zu lassen. Wesentlich kantiger ist der neue TT geworden. Gerade mal das Heck zeigt die Verwandtschaft zum Ur-TT, der ja vor Rundungen nur so strotzte. Die Audi-Ringe sind vorne aus dem Singleframe-Grill nach oben auf die Motorhaube gewandert und sollen hier zeigen, dass man im TT ja auch den kleinen Bruder von Audis Sportwagen R8 sehen könnte. Bei der Lichtsignatur hat man sich vom LeMans-Fahrzeug R18 inspirieren lassen. Die Voll-LED-Scheinwerfer luken gerade so eben unter der Motorhaube hervor, der böse Blick ist serienmäßig. Der neue TT ist nicht länger als sein Vorgänger, wohl aber haben ihm die Ingenieure einen längeren Randstand verpasst. Als Folge hat man einen Hauch mehr Platz im Innenraum und das Fahrzeug wirkt durch die kürzeren Überhänge noch ein wenig bulliger. Serienmäßig steht der TT auf 17-Zoll-Alus, wer das nötige Kleingeld übrig hat und nicht die Komfort-Einbuße scheut, kann das Sportcoupé auch mit 20-Zoll-Räder ab Werk ordern. Am Heck sind die Auspuffrohre ein wenig in die Wagenmitte hinein gewandert, was mir weniger gefällt. Der automatisch ausfahrbare Heckspoiler soll bei höheren Geschwindigkeiten für eine bessere Straßenlage sorgen, lässt das Heck dann aber etwas zerklüftet erscheinen.
Die Lichtsignatur der LED-Scheinwerfer vorne findet sich auch in den Rückleuchten wieder, die ebenfalls mittels LED-Technik beleuchtet werden. Hübsch und auch sinnvoll finde ich die sequentiellen Blinker, die Audi, genauso wie das Matrix-LED-Licht, mit dem neuen Audi A8 in 2013 eingeführt hat. Die Blinker bestehen aus einem LED-Bank und die Lampen werden von innen nach außen einzeln illuminiert. So sieht der restliche Verkehr noch einmal explizit, in welche Richtung sich der TT-Fahrer bewegen möchte. Aktiviert man übrigens die Warnblinkanlage, leuchten alle LEDs zeitgleich ohne Animation.
Frau Sauer hat das Steuer übernommen. Gut für mich, schade für sie, die Straße hat ihren Weg über die Berge genommen und verläuft jetzt deutlich weniger kurvig. Auf dem Beifahrersitz wird mir langweilig. Ich habe halt – dank Virtual Cockpit – nicht viel zu tun. Ein paar Fotos von der aufgehenden Sonne. Das war‘s auch schon. Langweilig. Ich lümmel‘ mich also in die sportlich gehaltenen, aber dennoch sehr bequemen Sitze, aktiviere die Sitzheizung – was dank der Revolution jetzt nicht mehr über einen Taster geschieht, sondern über das Drehen eines Rings an der rechten Luftdüse. All diese Düsen sind nun mit einem kleinen Display versehen und übernehmen bestimmte Funktionen der Klimaanlage. Kann man machen. Sieht schick aus. Macht auch Spaß in der Bedienung. Ist in meinen Augen aber mehr eine hübsche, den Designern geschuldete Spielerei, als ein wirklich revolutionäres Konzept.
Selbst wenn Kollegin Sauer das Gaspedal mal ein wenig fester drückt – es bleibt eher ruhig im Innenraum. So richtig sportlicher Klang lässt sich dem TT mit seinem 230-PS-Aggregat nicht entlocken. Ein wenig lauter dürfte es zur Untermalung entsprechender Fahrweise für meinen Geschmack ruhig sein. Wenigstens auf einen Tastendruck hin. Aber so eine Spaß-Taste findet sich leider im angenehm schlichten Innenraum nicht. So fallen mir dann auch schnell die Augen zu und ich erwache erst, als wir beim Ascari Race Resort ankommen. Hier haben wir nun die Möglichkeit, den TTS auf der Teststrecke zu bewegen. Aber das ist eine andere Geschichte…
Bevor wir richtig Gas geben dürfen, muss ich noch schnell das Video-Equipment aus unserem Kofferraum laden. 305 Liter Stauraum bietet dieser. Klappt man die Notsitz-Rücksitzbank um – der TT ist ein 2+2 Sitzer – so verdoppelt sich das Ladevolumen, dankenswerter Weise sogar mit einer ebenen Ladefläche. Insgesamt darf man bis zu 400 kg in den neuen TT laden, davon kann man 75 kg aufs Dach verbannen – Ski-Urlauber mit Wunschauto TT dürfen also entspannt aufatmen.
Würde ich mir einen TT kaufen? Bei all dem Fahrspaß, den ich erleben durfte, will ich das nicht sofort verneinen. Wenn man die Sportlichkeit unseres Testwagens in Zahlen ausdrücken will, muss man wohl die 6 Sekunden nennen, die der 2015 Audi TT 2.0 TFSI für seinen Sprint von 0 auf 100 km/h benötigt. Die Höchstgeschwindigkeit erreicht das Coupé bei 250 km/h. Mehr als ausreichend, aber auch nicht gerade imposant. Im Idealfall soll man mit nur 5.9 Litern Super-Benzin 100 Kilometer weit fahren können, wer jedoch ansatzweise Fahrfreude haben will, kalkuliert besser zwei Liter mehr ein. Und somit zeigt sich der TT auch bei der Effizienz eher im Mittelfeld. Wenn man die Form mag, macht man mit dem TT wohl auch nichts falsch, ich als Familienvater würde mir für das Geld aber eher einen Viertürer mit vier echten Sitzplätzen kaufen mit dem man ähnlich viel Spaß haben kann. Ein Hausfrauenporsche ist der neue TT für mich nun wirklich nicht mehr. Als Sportwagen lasse ich ihn aber auch nicht durchgehen. Ich bleibe dann eher dabei, dass die Designikone aus Ingolstadt in der dritten Produktgeneration besonders kantig daherkommt und ihr das auch tadellos steht.