Ich suche einen Ort. In Köln-Ossendorf. Am späten Abend bei Dunkelheit. Gar nicht so einfach, wenn man nicht ortskundig ist. Zum Glück habe ich Nüvi, die Frau in meinem Navi. Ich nehme zumindest an, dass sie Nüvi heißt – schließlich steht es auf dem Gerät. Ein Liebesbrief an meine langjährige Bekannte.
Liebe Frau in meinem Navi,
ich weiß, dass es dich gibt. Du sitzt irgendwo in einem gemütlichen Büro und wartest Tag und Nacht nur darauf, dass ich mich hinters Steuer setze und losfahre, damit du mich aus der Ferne zu meinem Ziel führen kannst. Du willst dabei häufig im Mittelpunkt stehen, willst lauter sein als das Radio oder der Fahrtwind im Sommer. Und du möchtest begehrt werden, immer in meinem Sichtfeld sein. Wenn ich dich dann doch mal wegpacken will, bist du gleich verstimmt und erzählst mir etwas von Satelliten-Suche – ich habe das längst durchschaut, hänge dich dann aber gleich wieder in die Windschutzscheibe.
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Ich weiß noch genau, wann wir uns kennengelernt haben. Es war Weihnachten 2011. Meine Eltern haben uns miteinander bekannt gemacht. „Damit du dich nicht immer verfährst“, sagten sie und grinsten über meinen kaum vorhandenen Orientierungssinn. Und tatsächlich: Ich könnte mich in einer Sackgasse verfahren. Ich bin mir sicher, sie wussten, dass wir uns wunderbar verstehen würden. Wie viele Kilometer haben wir schon zusammen zurückgelegt. Der Sonne entgegen und dem Regen davon. Über Land, durch die Stadt, auf der Autobahn. Im Stau und um den Stau herum. Immer warst du für mich da und hast mir den Weg gewiesen – treu und zuverlässig, bis du wieder den Zigarettenanzünder für dich beanspruchst.
Und trotzdem war es nicht immer einfach mit uns. Wir haben uns schon häufig gestritten. „Bitte wenden“, schreist du dann. Und ich beschimpfe dich als „doofe Pute“ und „Miststück“ oder verbiete dir den Mund. Hin und wieder drohe ich dir auch an, dich nie mehr anzuschauen und mich künftig mit der Frau aus meinem Smartphone einzulassen. Aber du weißt ja, dass das nur die pure Wut ist, wenn du mich gute acht Kilometer zu weit fahren lässt, um mir dann in deiner gekonnt provokanten und penetranten Art klar zu machen, dass ich bitte umdrehen soll.
Mache ich ja dann auch meistens und wir vertragen uns schnell wieder. Dass du immernoch nicht den kürzesten Weg zur Autobahn kennst, verzeihe ich dir. Genauso wie du mir verzeihst, dass ich immernoch nicht verstanden habe, was in dir vorgeht, wenn du mich bei Tempo 130 gefühlte anderthalb Sekunden vor der Ausfahrt auf diese hinweist – Liebe ist eben immer auch ein Kompromiss.
Und so freue ich mich jetzt schon auf die nächste Fahrt mit dir an meiner Seite. Auf die nächste lautstarke Auseinandersetzung, wenn du mich trotz roter Ampel zum Abbiegen drängelst und ich am liebsten deine Saugnapfhalterung kaputt machen würde. Und auf das Ankommen an meinem Ziel und dein sanftes „Sie haben Ihr Ziel auf der linken Seite erreicht“.
Wollen wir nicht langsam zum Du übergehen, liebe Frau in meinem Navi?
Dein Tobias
Diesen Brief wollte ich schon lange mal schreiben. Danke! 🙂