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„Öffnet euch!“ – Telekom-Konzerne wollen Facebook und Whatsapp an den Kragen

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Die Telekommunikationsunternehmen sind (mal wieder) richtig sauer: Seit Jahren klagen sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit darüber, dass Großkonzerne wie Google und Apple sie bedrängen, ja gar ihr Geschäftsmodell torpedieren. Jetzt hat der EU-Kommissionspräsident Post bekommen.

Es war also vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis sich Telekom, Vodafone und acht andere große europäische Telekommunikationskonzerne zusammentun und die EU-Kommission auffordern, ihre Interessen doch gefälligst besser zu vertreten.

Forderung: offene Dienste

In einem aktuellen Brief an den neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, aus dem die „Rheinische Post“ zitiert, verlangen sie nicht weniger als die Regulierung  globaler Internet-Konzerne wie Google, Apple oder Facebook.

Zudem sollen die Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre Dienste wie WhatsApp oder Facebook für den Austausch mit anderen Diensten zu öffnen. Das klingt selbst für Freunde der gepflegten Regulierung abenteuerlich und wird aller Wahrscheinlichkeit wohl auch nie umgesetzt werden.

Nutzer sollen profitieren

Trotzdem hagelt es weiter Forderungen: Die Kommission müsse die „Transparenz und Offenheit von Kommunikationsplattformen, Betriebssystemen und Suchmaschinen sicherstellen, damit europäische Nutzer über Plattformen hinweg kommunizieren und frei wählen können“, heißt es.

Die neue Regulierung würde den Internetkonzernen verbieten, dass Nutzer nur innerhalb eines geschlossenen Systems wie bei Facebook oder WhatsApp kommunizieren. Stattdessen müssten Facebook oder WhatsApp ihre Systeme ebenso gegenüber anderen Firmen öffnen, wie die Telefonkonzerne ihre Netze untereinander für Sprache und für SMS verbinden.

Telekom-Chef hat unterschrieben

Zu den Unterzeichnern des Briefs gehören Telekom-Chef Timotheus Höttges und Vittorio Colao, CEO des Vodafone-Konzerns. Auch die Chefs von Telecom Italia, Teléfonica (o2), Ericsson, Alcatel-Lucent, Liberty, Orange, Telenor und TeliaSonera sollen den Brief unterschrieben haben.

Die Unternehmen fordern von der EU-Kommission weiter, „Asymmetrien zwischen den Richtlinien für Investoren in die europäische Infrastruktur und denen für globale Internet-Konzerne“ abzubauen, wie es heißt. Es dürfe nicht länger sein, dass die US-Internetkonzerne wie Google und Facebook in Europa Milliarden mit Diensten verdienen, die den europäischen Konzernen unter anderem wegen des hohen Datenschutzes verboten sind.

Infrastruktur: Google soll auch zahlen

Dahinter steckt auch die Forderung, dass die US-Konzerne, die mit Werbung in ihren Diensten in Europa Milliarden verdienen, sich an den Kosten für den Netzausbau beteiligen müssen. Die Netzanbieter wollen zudem die US-Konzerne an den Kosten für die Infrastruktur beteiligen.

Man darf annehmen, dass weder Google noch Apple noch sonst ein Unternehmen auf die Wünsche der Europäer eingehen wird.

Bild: Telekom

Über den Autor

Ekki Kern

Ekki ist Medienjournalist und probiert Technologien gerne aus, entdeckt dabei aber nicht selten die Vorzüge des Analogen. Diskutieren über das alles kann man mit ihm ganz hervorragend, für die Zeitung schreibt er über Medien und Verbraucherthemen, privat für seinen Watchblog Radiowatcher.

5 Kommentare

  • Die Teleom Konzerne täten gut daran sich umzuorientieren und neue Geschäftsfelder zu finden. Junge Leute haben einfach keinen Anlass mehr, beispielsweise SMS zu schreiben. Mit Whatsapp geht es doch genauso gut, zudem kostenlos und fühlt sich „irgendwie cooler an“.

  • Anstatt mal selbst wahre Innovationen herauszubringen, wird auf hohem bzw. höchsten Niveau gejammert und beschwert. Leute – fasst Euch an die eigene Nase und kreiert Dinge, die Usern Spaß machen. Dann wird alles gut.

  • @Slava: glaubst du nicht, dass du etwas zu kurz denkst? Wenn eine Vodafone, Telekom, Swisscom oder ein anderer Europäischer Anbieter einen Dienst kreieren möchte, gelten ganz andere Rahmenbediengungen – die auch zum Teil im Artikel erwähnt werden – Stichwort: Offenheit, andere Anbieter müssen sich andocken können. Genau solche Rahmenbedingungen macht es so schwer und so teuer was zu entwickeln und anzubieten. Was daraus dann wird sieht man an Joyn.

    Ein Unternehmen im Ausland das sich um Transport, Eiropäischen Datenschutz und Plattformoffenheit keine großen Gedanken macht/machen muss, hat da natürlich leichtes Spiel.

  • @Torro – Du sagst es: Es geht hier um anbieterunabhängige Kommunikation, hier liegt der Hund begraben: Jeder Provider entwickelt für das eigene Netz und die eigenen Produkte, somit kann gar kein omnipräsentes Whatsapp 2.0 entwickelt werden. Die Anbieter sind viel zu festgefahren darauf, dass man Apps nur für die eigene Entwicklungsumgebung erschafft, damit die Konkurrenz auf keinen Fall irgendwie davon profitieren könnte. Auch das mit den Rahmenbedingungen ist meines Erachtens richtig. Denn Whatsapp ist kostenlos, finanziert sich aber zu 95% über Daten-Verkauf der Nutzer. Da muss man sich fragen: Was sind mir meine Persönlichkeitsrechte wert? Zahl ich etwas für eine App, die mir Transparenz in ihre Funktionen bietet und meine Daten nicht ausliest oder nutze ich weiter blind WhatsApp – ‚Weils jeder nutzt‘?

    In Zeiten wie diesen braucht man einen Mutigen, der vorhandene Strukturen verwirft und gegen jeder Marktforschung eine teurere, aber sichere App auf den Markt wirft mit einer guten Portion Marketing. Sobald noch mehr Leute dann ein Bewusstsein für Persönlichkeitsrechte entwickeln und nicht einfach den „Egal-Joker“ ziehen, kann es ein neues abhörfreies WhatsApp geben.

    // Exkurs:

    Die selbe Situation in Deutschland gibt es übrigens mMn auch mit der Lebensmittelindustrie. Wir alle essen viel zu viel Fleisch, so viel dass es uns maßgeblich schadet. Bewiesen ist dies durch Statistiken und Mediziner. Dennoch ist kaum jemand bereit, seinen Fleischkonsum zu ändern oder dahingehend anzupassen, dass man deutlich seltener Fleisch isst, dafür aber deutlich teurer (das müsste es sein, wenn es unter ethisch-korrekten, fairen Umständen erzeugt wurde).

    Der Mensch ist also nichtmal bereit seine Gewohnheiten dann zu ändern, wenn nicht nur seine Daten sondern sogar seine Gesundheit, Umwelt und Öko-Gleichgewicht in – wissenschaftlich bewiesener – Gefahr schweben.

    Ich hoffe auf ein Aufwachen. Immer noch.

  • @KuJulian
    Zu deinem Exkurs ist wohl anzufügen, dass sich etwas tut – die Zahl der Vegetarier steigt immer weiter, viele Leute essen bewusster Fleisch. Allerdings kann man nach Jahrhunderten des intensiven Fleischverzehrs – um nichts zu sagen des „Fleischfressens“ – nicht erwarten, dass sich dies von einem auf den anderen Tag ändert. Die Strukturen, die dazu geführt haben, dass zu viel Fleisch gegessen und gezüchtet wird (Fleischverzehr steht für Reichtum – Kapitalismus – Amerika als Konsumgigant) lassen sich nunmal nicht gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass es schlecht ist zu viel Fleisch zu essen, durchbrechen.
    Versteh mich nicht falsch – ich selbst bin Vegetarier und möchte hier keinerlei übermäßigen Fleischkonsum legitimieren, aber ich möchte dazu auffordern, das alles etwas differenzierter zu sehen: Man kann nicht davon ausgehen, dass jeder die Welt mit den gleichen (abendländischen) Augen sieht, wie wir das tun.
    Liebe Grüße!