Unsere Gesellschaft entwickelt sich immer mehr zu einer Komfortzonen-Gesellschaft. Davon haben Sie nicht viel mitbekommen.
Das ist völlig richtig, aber für uns war die Natur die Komfortzone. Das ganze Drumherum war unsere Komfortzone. Man lebt halt in der Natur, aber eben auch mit der Natur. Wenn Sie in der Wüste alleine sitzen und es ist Mondschein und Sie sind absolut alleine, dann ist das wie eine riesengroße Komfortzone. Nicht jeder hat dafür die Antennen und sieht es so. Aber das war Komfort, den ich in jedem Fall einem vorziehen würde, der aus schönen Möbeln oder anderen Dingen besteht. Wir haben das Leben in der Natur wirklich gelebt.
Zurück auf die Straße: Wir haben uns kürzlich über die Fahrbahnqualität der A3 beschwert. Darüber können Sie bei den Straßen im Kongo oder in Uganda nur sehr müde lächeln, nicht?
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Darüber kann ich in der Tat nur lächeln, das ist völlig richtig. Nehmen wir als Beispiel Staus, die findet man nicht nur hier in Deutschland auf den Straßen, sondern überall auf der Welt, insbesondere in der Dritten Welt. Denn dort ist man nicht auf den gestiegenen Autoverkehr vorbereitet und somit sind auch die Staus viel ausgeprägter und belastender als man sich das hier vorstellen kann. Auch was die Straßenqualität anbelangt, kann man das natürlich nicht vergleichen. Wenn ich hier in Deutschland über die popoglatten Asphaltstraßen fahre, denke ich immer, das Auto müsste hier ewig fahren, weil es einfach nicht belastet wird.
Das war mit Ihrem Otto anders. Sie haben acht Mal das vorderen Achslager wechseln müssen, weil sie den 250.000 Kilometern Offroad-Piste nicht standgehalten haben.
Das stimmt, zwei Mal sogar in der Natur mit dem mitgebrachten Werkzeug. Und wenn es in der Werkstatt gemacht wurde, dann nur mit bordeigenem Werkzeug und vor allem auch unter Benutzung der bordeigenen Ersatzteile. Ich war also dementsprechend ausgerüstet. Aber der Hauptgrund für die Schwierigkeiten mit den vorderen Radlagern war, dass sie bei der ersten Modellreihe, also unserer, einfach unterdimensioniert waren für die Belastungen, die Otto mitmachen musste. Mitte der Reise habe ich die Lager ausgetauscht gegen die neuen und verstärkten des Modells W463, die seit 1990 ausgeliefert wurden. Und seitdem hatten wir keine Probleme mehr mit den Radlagern.
Ich bin froh, dass ich meine Reifen wechseln kann.
Dann macht es natürlich Sinn, dass Sie einen Auto-Blog schreiben.
Punkt für Sie. Aber zu meiner Ehrenrettung: Wir schreiben nur über das Autofahren – und nicht über das Automobil als solches. Aber zurück zum Thema.
Nun, wenn Sie so eine Reise machen, müssen Sie natürlich wissen, wie man einen Schraubenzieher anfasst. Anders geht es einfach nicht, zumindest nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten. Sie sind einfach gezwungen, viele kleine Dinge, die über die Jahre so passieren, zu erkennen und zu wissen, wie sie behoben werden können – und dazu müssen Sie eben auch in der Lage sein, Werkzeug richtig zu bedienen. Also, nicht Sie persönlich, verstehen Sie das jetzt nicht falsch.
Wenn ich mir die Länderliste Ihrer Reise so anschaue, sind da viele Staaten dabei, von denen man Reisenden heute wohl eher abraten würde – allem voran natürlich Nordkorea. Was war denn das einschneidendste Erlebnis auf Ihrer Reise?
Einschneidende Erlebnisse positiver Natur waren sicher die Abende in absoluter Einsamkeit in irgendeiner Wüstengegend, etwa der Sahara, wo Sie den sogenannten „Sound of Silence“ förmlich fühlen können. Das heißt: Die Stille ist so still, dass Sie sie schon wieder hören können – so albern wie das klingen mag. Andere tolle Erlebnisse waren mit Wildtieren: Wir haben mal mehrere Tage nacheinander mit einem Löwenrudel verbracht, das gerade einen Kaffernbüffel gerissen hatte. Wir waren dann dabei, wie der zerlegt und gefressen wurde, auf Tuchfühlung mit den Löwen – und das im jungfräulichen Afrika, wo eben noch keine Touristen rumgefahren wurden.
Und negativer Natur?
Es gab negative Erlebnisse, die von der Infrastruktur kreiert wurden. Zum Beispiel waren wir in Guyana im Nordosten Südamerikas. Dort wollten wir den zentralen Urwald durchqueren, um weiter zu kommen. Das war eine Strecke, die eigentlich nicht existiert hat und wo auch noch kein kleineres Fahrzeug durchgefahren ist. Da gibt es sonst nur ein oder zwei Mal pro Woche solche Versorgungs-LKW, hochbeinige Allrad-Bedfords aus England, die dort fahren. Und wir wollten da durch. Das haben wir natürlich nicht geschafft und sind in einem Schlammloch stecken geblieben – am Heiligabend. Das war enttäuschend und nicht gerade die angenehmste Situation. Der Wagen stand so schief, dass wir nicht schlafen konnten und wir hatten kaum Möglichkeiten, einen Tisch aufzustellen und eine Kleinigkeit zu kochen. Im Nordsudan habe ich mir mal den rechten Arm komplett ausgekugelt. Wir hatten aber großes Glück, weil ein paar Hundert Kilometer weiter eine kleine Krankenstation war, wo ich unter Buschnarkose behandelt wurde. Die nächsten vier Wochen bin ich dann bandagiert weitergefahren.Wir haben auch das überlebt. Diese Dinge sind aber tief eingebrannt in der Erinnerung.
Gab es auch gefährliche Erlebnisse?
Wirklich gefährliche Erlebnisse hatten meist mit Tieren zu tun. Nachts wurde ich in der Hängematte wach und guckte in die Augen einer gefleckten Hyäne. Das wäre voll in die Hose gegangen, wenn ich da nicht wach geworden wäre, weil die Hyäne sonst einfach zugebissen hätte. Sie hatte berechtigterweise angenommen, dass ich ein Aas war, weil ich nicht weggelaufen bin. Wachgeworden bin ich eigentlich nur durch das Knackgeräusch, als die Hyäne die Hartplastik-Seifendose, die auf der Stoßstange lag, zerbissen hat. Das hat mir das Leben gerettet, denn was frei lag von mir, waren nur der Kopf und das Gesicht – hätte sie da reingebissen, weiß ich nicht, wie ich da rausgekommen wäre…